Durch dick und dünn... (Teil 1)

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Wow, über 2 Jahre ist mein letztes Kapitel jetzt schon her! In dieser Zeit hat sich so ziemlich alles für mein Pferd und mich geändert, was einer der Gründe war, weshalb es mir dauerhaft an Zeit, Lust und Nerven gemangelt hat, hier weiterzuschreiben. Da sich jetzt aber so langsam wieder alles eingependelt hat, möchte ich mich heute mal an einer Zusammenfassung versuchen.

Ein halbes Jahr nach dem letzten Kapitel, im August 2017, fing alles an. Ich komme vom Urlaub zurück, reite, doch irgendwie kommt mir Ruben "unrund" vor. In Kurven macht er immer wieder Taktfehler. Anfangs dachte ich noch, das kommt von einem Reiterfehler (meine RB ist keine allzu erfahrene Reiterin) doch korrektes Reiten brachte leider nur bedingt eine Verbesserung. Ein paar Tage Pause machten ebenfalls keinen Unterschied also musste der Tierarzt her. Beim Vortraben auf hartem Boden kam dann die schlimme Wahrheit zum Vorschein, deutlich lahm auf beiden Vorderbeinen. Diagnose: Chronische Hufrollenentzündung.

Die Hufrolle ist der Komplex im Pferdebein zwischen Fessel und Huf, bestehend aus (Hufbein, Kronbein,) Strahlbein, Schleimbeutel und tiefer Beugesehne. Bei der chronischen Hufrollenentzündung ist das Strahlbein meist porös, d.h. mit kleinen Löchern durchsetzt, die wiederum an der tiefen Beugesehne reiben und immer wieder eine Entzündung verursachen, welche natürlich schmerzt. Diese Krankheit ist nicht heilbar und tritt häufig im Alter in Folge von übermäßigem Training in jungen Jahren auf.

Dass mein Ruben schon immer schlechte Röntgenbilder im Bereich der Hufrolle hatte, war kein Geheimnis. Seit er 5 war haben sich die Bilder auch zum Glück kaum verändert. Röntgenbilder zeigen aber natürlich nicht alles - für eine genaue Diagnose müsste man ihn schon in ein MRT stecken. Die 300km Fahrt zur nächsten Pferdeklinik mit MRT plus Sedierung usw. stehen meiner Meinung nach aber nicht in Relation zum Nutzen (wahrscheinlich über 1000€, nur um zu erfahren, dass es eben Hufrolle ist), daher haben wir es dabei belassen.

Also bekam er ganz konventionell zwei Spritzen mit Hyaluronsäure in den Kronrand und 2 Wochen nur Schritt-Führen verordnet.

In der Zwischenzeit hatten unsere Stallbesitzer beschlossen, endgültig den Stall zu verkaufen. Wie es der Zufall so will, stellte sich die neue Freundin meines Ex als Käuferin heraus, daher wechselten wir erstmal den Stall. Der neue Stall ist auch wirklich schön, Ruben hat inzwischen eine große Paddockbox , es gibt viele Koppeln und eine schöne, große Halle mit gutem Boden. Doch ein Stallwechsel ist natürlich auch immer mit Stress verbunden.

Dies zeigte sich besonders, als Ruben das erste Mal wieder auf die Koppel durfte. Wir waren zu dem Zeitpunkt schon wieder am Schritt reiten und traben und er lief Gott sei Dank wieder lahmfrei. Doch bei den ersten Koppelgängen meint er, seinem Stress Luft machen zu müssen, indem er erstmal minutenlang herumgaloppiert und bockt. Und das war seine schlechteste Entscheidung überhaupt. Innerhalb weniger Tage war er so lahm, dass er sich fast nicht mehr in der Box herumdrehen konnte, jeder Schritt und sogar das Stehen bereiteten ihm Schmerzen, fast wie bei Hufrehe. Selbstverständlich kam sofort der Tierarzt und verabreichte ihm Schmerzmittel. Aufgrund der Schwere der Lahmheit war der Tierarzt sich auch nicht mal mehr sicher, ob nur die Hufrolle da mit hinein spielt oder nicht doch noch eine schleichende Rehe, Cushing oder eine Hufprellung (Cushing und Rehe wurden dann relativ schnell ausgeschlossen, ob eine Hufprellung vorlag, wissen wir bis heute nicht). Daher wurden ihm erstmal vorne die Hufeisen herunter gemacht, der Schmiedtermin war nämlich leider schon etwas überfällig, weil ich mit dem Stall auch den Hufschmied wechseln musste. In dieser Zeit dachte ich wirklich, das wäre der Anfang vom Ende. 8 Jahre lang war Ruben mein ständiger Begleiter und bestimmte fast meine komplette Freizeit sowie auch zu großen Teilen mein gesamtes Leben (ohne ihn hätte ich meinen Ex nicht kennen gelernt, würde daher nicht hier studieren und auch nicht dieses Fach, hätte meinen jetzigen Freund nicht kennen gelernt und allgemein ein komplett anderes Leben). Mein Pferd so leiden zu sehen, war für mich wahrscheinlich schlimmer, als es die Situation für ihn war.

Mit den Schmerzmitteln wurde es zum Glück etwas besser, doch merkte man immer noch, dass Ruben beim Laufen und Wenden Probleme hatte. Bei der 5cm tiefen Stufe im Stall hielt er jedes Mal beim Heruntersteigen kurz inne und legte die Ohren leicht zurück. Im Gegensatz dazu ging es ihm auf dem guten, elastischen Boden in der Reithalle schon wieder etwas zu gut und die wenige Bewegung (Boxenruhe mit 2x täglich 15min Schritt laufen) machten sich in Energieausbrüchen beim Führen bemerkbar. Schließlich bekam er vom neuen Schmied noch Keilunterlagen unter die Hufeisen, die die Hufrolle durch die veränderte Hufstellung und Dämpfung schonen soll. Von Zusatzfuttermitteln und speziellen Stallgamaschen über Umschläge mit Voltaren und Retterspitz bis zur Homöopathie versuchten wir weiterhin, alles mögliche zu tun, um Ruben den Schmerz zu nehmen. Dass die Beträge für Tierarzt und Co. weit über 1000€ gingen, brauche ich euch wahrscheinlich nicht erst zu sagen. Ich bin meinen Eltern auch unendlich dankbar, dass sie das alles ohne Kompromisse gestemmt haben (ich studiere noch und habe kein eigenes Einkommen). An dieser Stelle: überlegt euch vor dem Pferdekauf gut, ob ihr die Mittel habt, das Tier auch in Krankheit zu finanzieren.

Irgendwann im November ging es Ruben wieder so gut, dass der Tierarzt ihn mal traben sehen wollte. Ich also schnell mit ihm am Halfter in die Halle und losgetrabt. Ruben fand das aber ein bisschen zu aufregend und ist einfach mal losgebockt. Ich hielt allerdings dennoch den Strick fest, sodass er etwas zurückgezogen wurde. Ende vom Lied: er schlug aus und gab mir einen schönen riesigen Pferdekuss auf den Oberschenkel. Naja, jetzt war zwar das Pferdchen nicht mehr so lahm, dafür aber ich :D

Zu meiner Sicherheit führten wir dann in Absprache mit dem Tierarzt das Reiten relativ schnell wieder ein, sodass ich dann Mitte Dezember endlich wieder auf Ruben saß (da ist er nämlich um Welten braver als beim Führen).

Auch wenn es an dieser Stelle langsam wieder bergauf ging, wurde er leider beim Führen um keinen Deut ruhiger. Sobald irgendein anderer Weg als der zum Putzplatz oder zur Halle anstand, wurde Ruben beinahe unkontrollierbar. So endetet der Versuch, ihn 10 Meter aus dem Stall bis zum nächsten Grasstreifen zu führen, darin, dass er nach genau einem Meter so in die Luft sprang, dass er wieder eine Woche lahm ging. Wir waren gefangen in einem Teufelskreis aus mangelnder Bewegung und Außenreizen sowie der immer wiederkehrenden Lahmheit.

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⏰ Letzte Aktualisierung: Apr 17, 2019 ⏰

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