❧ Kapitel 1

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Ich halte es echt nicht mehr aus. Es ist sieben Uhr am Morgen und von unten kann ich schon das Lachen von meiner tollen Familie hören. Wahrscheinlich hat meine Schwester Allie wieder einen blöden Witz erzählt oder einfach nur ein Wort gesagt. Meine Eltern würden über alles lachen und erfreut sein, was sie ihnen erzählt. Ich hingegen rede nur das Nötigste mit ihnen, denn ich bin nur die zweite Wahl. Manchmal frage ich mich, ob ich überhaupt geplant war als Kind.

Unmotiviert stehe ich von meinem Bett auf und gehe zu meinen kleinen Kleiderschrank, wo die Klamotten fast schon überquellen. Mein Zimmer ist generell zu klein, aber leider hat meine Schwester das größere Zimmer bekommen. Seufzend nehme ich mir eine schwarze Jeans und einen blauen Kapuzenpullover und ziehe die Sachen an. Eigentlich sind die Klamotten viel zu warm, denn in Los Angeles sollen es heute wieder über dreißig Grad werden, aber ich kann keine luftigere Klamotten tragen... aus vielen Gründen.

Heute beginnt für mich das letzte Schuljahr in der Highschool und ich habe absolut keine Ahnung, was ich nach meinem Abschluss machen soll. Ich hätte ja noch nicht einmal gedacht, das ich es bis hierher schaffen würde, aber siehe da ich lebe noch.

Ich mache schnell mein Bett und flitze dann in das Bad um mir das Gesicht zu waschen und Zähne zu putzen. Mit Make-Up habe ich nichts am Hut, meine Haut ist zwar nicht porentief rein, aber ich kann das Gefühl auf meiner Haut nicht ausstehen und es fühlt sich an wie eine Maske. Eine aufgesetzte Maske reicht mir schon.

Das Spiegelbild das mir entgegenblickt, widert mich an. Ich sehe so blass aus, meine blonden Haare haben schon lange ihren Glanz verloren und meine Augen blicken mich tot an, denn so sehe ich aus, wie der wandelnde Tod, aber keiner merkt es.

In meinem Zimmer nehme ich schnell meinen Rucksack und gehe nach unten, wo sobald ich das Esszimmer betrete, die Gespräche verstummen. Mit gesenktem Kopf setze ich mich zu ihnen und trinke stumm meinen Kakao. Die Stimmung ist durch meine Anwesenheit deutlich angespannter geworden, aber ich bin es gewohnt für schlechte Stimmung zu sorgen. Ich bin doch auch nur ein siebzehn-jähriges Mädchen, das einfach ein normales Leben leben will, ist das zu viel verlangt?

„Willst du denn gar nichts essen, du bist schon ziemlich dünn geworden." meint meine Schwester provozierend.

Ich sehe sie stumm an und schlucke. Wir haben nicht das schöne Geschwisterverhältnis, wie alle anderen. Sie weiß genau, wie unsicher ich mir im Bezug auf mein Aussehen bin und dann zieht sie so etwas wie jetzt ab? Danke für nichts, geliebte Schwester. Zum Glück ist sie in meiner Parallelklasse, sonst würde ich sie den ganzen Tag sehen und nicht nur in den Pausen.

„Willst du wirklich so rausgehen? Was werden denn die Leute von uns denken, Brooke!" Abschätzend sieht meine Mutter mich an.

„Mir ist kalt." Etwas besseres fällt mir im Moment nicht ein.

„Lass sie doch, Monica." wirft mein Vater unsicher ein.

„Das ist doch nicht normal, Paul! Irgendetwas ist doch mit ihr nicht in Ordnung!" Sauer sieht sie ihren Ehemann an, welcher sich wieder seiner Tageszeitung zuwendet. Nett.

Allie beobachtet die Situation amüsiert und antwortet meiner Mutter „Wenigstens ist bei mir alles richtig gelaufen."

„Ja Süße, bei dir ist alles perfekt." Kopfschüttelnd sieht sie mich an.

Ein ganz normales Familienfrühstück. Das will ich mir nicht länger geben und stehe deshalb ohne ein weiteres Wort auf und blinzele die aufsteigenden Tränen weg, bevor ich mir meine Schuhe anziehe und aus dem Haus verschwinde.

Sehen sie es denn nicht, das ich leide? Oder bin ich ihnen so egal, das es sie überhaupt nicht interessiert? Sie fragen mich ja nicht einmal wie es mir geht! Wenn ich einmal Kinder haben sollte, werde ich immer für sie da sein und sie unterstützen.

Lost SoulsWhere stories live. Discover now