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Der Grieche
Der Lärm der Arena drang gedämpft an Alexandros Ohren.
Mit geschlossenen Augen stand er im Löwengang und versuchte sich zu konzentrieren. Auch wenn er vor wenigen Stunden gegessen hatte, fühlten sein Magen sich leer, seine Glieder sich schwer und seine Gedanken trostlos an.
Er war in einem fremden Land, gezwungen, um sein Leben zu kämpfen, und wie es dazu gekommen war, konnte er noch immer nicht begreifen. Doch konnte er sich damit nun auch nicht befassen, wenn er den nächsten Morgen noch erleben wollte.
Unruhig atmete er ein, da wurde er auf einmal am Arm gepackt und vorwärts gezogen.
"Bewegung.", knurrte eine wenig freundliche Stimme, und beinahe hätte er einen bissigen Kommentar abgegeben, doch besann er sich eines besseren und hielt den Mund.
Kurz bevor man ihn im Löwengang allein gelassen hatte, hatte man ihm sein Oberteil abgenommen, ihm Öl auf Brust und Rücken geschmiert und einen Helm sowie ein stumpfes Schwert in die Hand gedrückt. Er wusste nicht, mit was für einer Art Feind er es gleich würde aufnehmen müssen, doch klar war ihm, dieser Kampf würde nicht einfach werden.
Er wog das Schwert in der Hand. Es war schlecht ausbalanciert, schlecht geschliffen und viel zu kurz, um als vernünftige Waffe zu dienen. Und doch war es seine Lebensversicherung.
In diesem Moment erblickte er eine Lichtquelle am Ende des Ganges und im nächsten Augenblick stand er in gleißend hellem Sonnenlicht im Sand der Arena.
Er kniff die Augen zusammen, geblendet von der Reflektion des hellen Sandes. Das Dröhnen in seinen Ohren von dem Lärm des Publikums war kaum zum aushalten, und er wünschte sich, dass sie einfach alle ruhig würden. Doch stattdessen grölten sie nur noch lauter, als eine Stimme etwas auf einer fremden Sprache brüllte.
Ihm war die Sprache bekannt; es war Latein, aber in seinem momentanen Zustand verstand er es mehr schlecht als recht. Doch die Frage, die durch die Arena ging, verstand er trotz allem:
Sollen wir den Löwen auf ihn loslassen?

Der Einsame
Maximus Victorius Bonus war der Stolz seiner Legion und einer der Mächtigsten Männer in Rom, doch egal wie oft er Ehrentitel bekam oder einen Feldzug vollendete, er fühlte sich jedes Mal aufs Neue wie ein kleiner Junge, wenn er den Circus betrat.
Mittlerweile war er ein Teil des gehobenen Drittels, etwas abgeschachtet von den einfachen Leuten des Volks und denen, die beten mussten, wegen Schulden nicht selbst verhaftet und zu den Bären und Löwen gestoßen zu werden. Einmal, vor langer Zeit, hatte auch er bei diesen Leuten gesessen. Als tatsächlich noch kleiner Junge, neben ihm sein begeisterter Bruder Publius und sein ältester Bruder Antonius neben seinen Eltern, hinter ihm. Seine Mutter hatte die Duelle gehasst, sein Vater sie für berechtigt gehalten und seine Brüder sie geliebt. Maximus selbst war immer überfordert gewesen.
Jetzt, nach dem Krieg, ließen die Schreie der vielen Menschen ihn zusammenzucken und er fühlte sich wie ein in die Ecke gedrängtes Tier. Er hatte fast das Gefühl zu wissen, wie die Löwen, Bären und Hunde sich in den Käfigen und in der Arena fühlten. Ganz zu schweigen von den Menschen, die dort unten um ihr Leben kämpften, nur um am nächsten Tag in einen weiteren Kampf geschickt zu werden.
"Aurelius ist hier.", zischte auf einmal eine bekannte Stimme neben ihn und Maximus blickte in die blauen Augen seines Mit-Prätors Aulus Lucius Montis. Maximus kannte Aulus schon mindestens fünf Jahre lang, wenn man den Krieg mitzählte - und das tat er nur ungern - dann sogar mehr. Gerade hatte Aulus jedoch nur Augen für den Senator Aurelius Patros, der sich seinen Weg durch die Menge bahnte.
Hass war in Maximus Augen ein starkes Wort, aber er würde nicht zögern zu sagen, dass Aulus Aurelius hasste. Vielleicht hatte es etwas mit den letzten Debatten im Senat zu tun, vielleicht aber auch mit dem Angebot einer Affäre, das Aurelius gewagt hatte, Aulus Frau vorzustellen. Es konnten aber genauso gut die Debatten gewesen sein. Zumindest hoffte das Maximus, denn bei seiner Familie verstand der Prätor neben ihm, keinen Spaß.
"Dass der sich hierher traut.", rumorte Aulus neben ihm, "Ich schmeiß den zu den Löwen."
Maximus hätte gerne was erwidert, doch dann öffnete sich unten ein Tor und die Menge hielt den Atem für einen Moment an, als ein junger Mann in die Arena trat.
Maximus hätte gerne etwas anderes behauptet, aber er starrte. Er starrte ungeniert und es war ihm egal.
Weit entfernt hörte er die Leute rufen, der Löwe solle freigelassen werden. Maximus hatte jedoch das Gefühl, ganz weit von ihnen entfernt zu sein. Er grub seine Hand in seine Toga, und zwang sich, hinzusehen, als der Löwe den Circus betrat. Was für ein Prätor wäre er, würde er den Blick von einem der Kämpfe abwenden? Nicht der stolze, typische Mann der Elite Roms, der er sein sollte. Also zwang er sich hinzusehen und abzuschalten. Was jedoch nicht funktionierte, denn er ertappte sich selber dabei, wie er das Verhalten des jungen Mannes begann zu analysieren.
Seit dem Krieg, tat er das oft. Es war eine schlechte Angewohnheit, das wusste er, aber er konnte sich nicht sein lassen. Und jetzt schien es ihm zu helfen, denn was der junge Mann da unten tat, liess Maximus stutzen.
Wenn vorher noch Zweifel dagewesen waren, dass der Mann in der Arena, vielleicht kein Römer war, dann waren sie jetzt absolut hinfort gewischt. Ungläubig starrte Maximus auf den jungen Mann, der in der Arena um sein Leben kämpfte. Diese Sprünge in Sicherheit, die lehrte man nicht in der Legion. Ein Römer stand der Gefahr gegenüber und akzeptierte sie. Aber der Mann, der sich jetzt wie ein panierter Fisch vom Boden der Arena hoch drückte, kämpfte nicht wie ein Römer. Überhaupt wirkte er, als hätte er noch nie in seinem Leben einen Gladius in der Hand gehabt.
Wenn er ein Römer war, dann hätte er un der Legion gewesen sein müssen. Zumindest auf Probatio. Maximus wusste, was für Leute in Probatio ihren Anspruch auf die Legion verloren: Mörder, Diebe und Verräter.
Als der Kämpfer jetzt mehrere Mal nach dem Löwen ausholte und ihm geschickt immer wieder Stiche zufügte, wurde es Maximus langsam klar. Kein Römer kämpfte so... so... wild, so ungeplant. Selbst die Römer in der Arena, kämpften strukturierter als dieser Mann.
Neben ihm zischte Aulus ,,Greacus.", und Maximus wusste, dass er Recht hatte. Der Mann in der Arena, der so eben erneut auf dem Boden gelandet war, war ein Grieche. Wild, ungezähmt und unberechenbar, fast so wie die große Raubkatze, die jetzt auf den Kämpfer zu stürmte.

Legions of FateWhere stories live. Discover now