III

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Der Einsame
Mit Schrecken stellte Maximus fest, wie er den Atem anhielt.
"PUGNA!", schrie Jemand aus dem Publikum und schon bald fiel der Rest der Menge in einen fast schon rhythmischen Sprechgesang, der den Mann dazu aufforderte, zu kämpfen. Maximus spürte einen Stich im Herzen und verfluchte sich dafür, nicht zu einem der Ärzte gegangen zu sein. Seit seinem letzten Feldzug hatte er öfter Probleme, aber die meisten, das wusste er, konnte kein Arzt heilen. Es waren die Spuren des Krieges.
Wie gebannt starrte er hinunter in die Arena, seine Hände krampften sich in seine Toga, als der Mann unter dem Löwen begraben wurde. Doch nur für ein Paar Sekunden, dann flog der Löwe fast schon über ihn und blieb ein paar Meter weiter mit dem Gladius im Bauch liegen.
Barbarus.", zischte Aulus neben ihm und Maximus wollte den Blick abwenden. Er hasste es zu sehen, wie die Tiere starben. Menschen hatte er oft genug sterben sehen, sie gehalten, aber Tiere...
Der Mann in der Arena rappelte sich auf und Maximus wandte seinen Blick dem Volk in den Rängen zu. Doch anstatt Jubel, ertönten erste Ausrufe. Auch sie schienen bemerkt zu haben, dass der Mann römisch unehrenhaft gekämpft hatte.
"GREACUS!", schrie Jemand, und ehe Maximus sich versah, flog der erste Stein.
"Was...?", Aulus neben ihm setzte sich verwirrt auf, und auch Maximus' Blick zuckte verwirrt und gestresst durch die Reihen der Zuschauer. Römer hassten nicht viel, aber Griechen... Griechen waren anders.
Steine flogen nach unten und Maximus stellte fest, dass der Gladiator keinen Schild hatte. Natürlich nicht, eigentlich sollte er ja sterben, aber das Schild hätte zumindest seinen Kopf schützen können.
Brot, Dreck und sogar Sandalen flogen nach unten und wäre die Situation nicht so ernst gewesen, hätte Maximus vielleicht sogar geschmunzelt. Jetzt schaute er jedoch verzweifelt hinunter in die Arena, wo der Gladiator sich wegduckte und verwirrt in die Ränge blickte. Für einen Moment trafen sich ihre Blicke. Verwirrt, aber auch voller Stolz und starker Wut blickte der Kämpfer ihn an, dann duckte er sich erneut, um einem Stein zu entgehen.
Die Tore, dachte Maximus, warum machen sie die Toren nicht auf? Dann fiel es ihm wie Schuppen von den Augen. Sie wollten ihn nicht lebend rauslassen.
Er atmete tief durch, dann fasste er einen Entschluss. Mit fester Stimme wandte er sich an einen der Legionäre hinter sich, der dafür da war, für seinen und Aulus Schutz zu sorgen.
"Stoppt den Kampf."
"Aber-"
"Soldat.", knurrte er und legte all die Autorität in seine Stimme, die er sich erarbeitet hatte, "Ich will ihn lebend, hast du mich verstanden. Redend, laufend, singend - lebend. Stoppt den Kampf!"
Aulus neben ihm, sah ihn verwirrt an und Maximus wusste, dass das hier vermutlich nicht seine beste oder schlauste Entscheidung war. Aber er würde nicht zulassen, dass ein Mann dort draussen starb, nur weil er nicht aus Rom kam. Außerdem hatte der Gladiator gewonnen, dann sollte er auch bekommen, was ihm zustand: sein Leben.
Hastig stand Maximus auf und folgte dem Legionär, dem er soeben Befehle gegeben hatte. Denn dem jungen Mann sein Leben zu geben bedeutete, seine Schuld dem Circus gegenüber, abzubezahlen und ihn somit zu kaufen.
Hinter sich konnte er hören, wie Aulus etwas murmelte und ihm hinterherlief.
"Bei den Göttern, Maximus, bist du des Wahnsinns?", raunte ihm Aulus zu, während sie beide, Maximus voran, die Treppen zu den Löwengängen hinunter eilten. "Die Meute ist außer sich und du holst den auch noch aus der Arena, ich zweifele an deiner Intelligenz, amicus."
Der Sand knirschte unter ihren Sandalen, als Maximus sich am Ende der Treppe umdrehte und den Prätor ernst ansah.
"Keiner der normalen Greaci kämpft so. Er hatte Unterricht und wenn wir ihn hätten sterben lassen-"
"Dann hätte das keiner in Griechenland bemerkt, weil sie nichts gefordert haben. Vielleicht hat er sich einfach sehr gut abgeguckt, was die Leute in ihren Heeren gemacht haben."
Maximus schnaubte. "Wir wissen beide, dass das nicht so ist, Aulus."
Mit diesen Worten wandte er sich um und ging zielstrebigen Schrittes auf die Legionäre zu, die den Griechen aufrecht hielten. Einer von ihnen murmelte "Ave, Prätor Bonus.", der Rest von ihnen guckte - unschlüssig wo sie wohl hinsehen sollten - in der Gegend herum. Sie waren jung, allesamt vielleicht 19.
"Gebt ihm Wasser.", sagte er ruhig und sah die beiden Legionäre und die drei anderen in der Runde an. "Wenn er wieder gerade stehen kann, dann bringt ihn zu mir. Und wehe euch, er hat einen Kratzer mehr. Dann seid ihr die nächste, die in der Arena einem Löwen gegenüberstehen."
"Ja, Prätor.", antworteten sie und Maximus nickte, dann wandte er sich zum Gehen.
Aulus stand hinter ihm und betrachtete das ganze mit einem unzufriedenen Blick, dann veränderte sich sein Gesichtsausdruck und er knurrte: "Aurelius... na warte.", und er eilte mit schnellen Schritten hinfort, während Maximus sich daran machte, ihm schnell zu folgen.
Für seinen Geschmack hatte es heute schon genug Zwischenfälle gegeben.

Der Sklave
Alexandros fand sein Bewusstsein schneller wieder, als er selber erwartet hatte.
Er war noch immer im Löwengang und seinem Zustand nach zu urteilen, hatte bisher noch niemand sich um ihn gekümmert. Er wurde noch immer von den Legionären gehalten - hatten sie überhaupt bemerkt, dass er das Bewusstsein verloren hatte?
"Graecus, sprichst du Latein?", fragte einer der drei Männer und Alexandros nickte schwach. "Gut. Der Prätor Bonus hat scheinbar Anspruch auf dich erhoben, also könnte es sein, dass du hier sogar lebend rauskommst."
Er hatte Mühe den Mann zu verstehen, doch glaubte er, zumindest inhaltlich begriffen zu haben, worauf er hinauswollte.
"Wasser.", krächzte er, und tatsächlich reichte ihm jemand einen Krug, aus dem er trinken konnte.
Kurze Zeit später konnte er sich schon wieder alleine auf den Beinen halten, das Drehen hatte aufgehört und auch, wenn sein aufgeschlitzter, blutiger Oberkörper schmerzte wie nichts Gutes, konnte er aufrecht stehen und glaubte, auch Gehen zu können.
"Wir bringen dich nun zu Prätor Bonus.", sagte einer der Legionäre und in einer Eskorte wurde Alexandros durch den Löwengang nach draußen gebracht und dann von den Männern eingekesselt durch die Straßen geleitet. Er war sich nicht sicher, ob diese Eskorte seiner, oder der Sicherheit der anderen Menschen dienen sollte, doch war er alles in allem dankbar dafür.
Sie brachten ihn zu einer stattlichen Villa und unwillkürlich fragte er sich, warum ein reicher Mann, ein Prätor noch dazu, ihm das Leben retten sollte. Und wer dieser Mann überhaupt war. War das eben seine Stimme gewesen? Sehr wahrscheinlich.
"Kündige uns an, Servus.", sagte einer der Legionäre zu einem kleinen Mann in Sklaven Bekleidung, als sie den Eingang der Villa erreichten. "Der Graecus Alexus für Prätor Bonus."
Der Sklave eilte davon, und kurz darauf fand Alexandros sich einer hohen Türe gegenüber.
"Da wirst du schon allein reingehen müssen, Graecus!", höhnte einer der Legionäre, doch in diesem Moment wurde die Türe bereits von innen geöffnet.

Legions of FateWhere stories live. Discover now