XI

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Der Wissende
Danius hasste Menschen.
Da gab es auch nichts zu diskutieren, auch wenn er das recht gerne tat.
Er konnte die meisten einfach nicht leiden und die, die er leiden konnte, die tolerierte und - das war dann auch das höchste der Gefühle - respektierte er.
Aber der klägliche Rest war unerträglich. So wie auch die meisten seiner Mit-Senatoren, die gerade darüber diskutierten, ob man die dritte Legion Gemina ebenfalls nach Galiläa schicken sollte, oder nicht, beziehungsweise gerade geschickt von diesem Thema abwichen und auf die neuen Thermalbäder zu sprechen kamen.
Danius konnte es nicht leiden, wenn sie Themen ignorierten, die ihnen nicht gefielen oder nicht die gewünschte Reaktion hinterlassen hatten. Und vermutlich wäre er noch eingeschlafen - zu seiner Verteidigung: er hatte die letzte Nacht nur wachgelegen und nicht schlafen können - hätte sich nicht sein Kollege Janus Baccis in gefährlicher Schieflage seines Kopfes zu ihm hinüber gebeugt.
"Srivus.", wisperte er.
"Baccis.", antwortete Danius entnervt und versuchte gar nicht erst, seine Müdigkeit und Unlust zu verbergen.
"Hast du schon gehört-"
"Ja."
Natürlich hatte er schon davon gehört. Wer hatte noch nicht davon gehört?
"Nein, ich meine, ob du schon davon gehört hast-"
"Habe ich."
"Aber-", setzte der Zenturio der fünften Kohorte an und Danius schnitt ihm das Wort ab.
"Unser höchst gachteter Prätor Bonus hat sich einen Griechen zugelegt.", antwortete er, "Und nicht nur irgendeinen Griechen, sondern einen, der fast mit Brot und Sandalen gesteinigt worden wäre. Sehr taktloses Verhalten, übrigens. Sie hätten zumindest mal Steine werfen können. Wobei, dann wäre es so schnell vorbei gewesen.", er zuckte mit den Schultern.
Baccis neben ihm sah ihn mit halb offenen Mund an und beinahe hätte Danius geschmunzelt. War der Zenturio nicht putzig? Beinahe zum schreien, wie wenig Janus ihm zumutete.
Wenn es eines gab, das Danius gut konnte, dann war es zuhören. Das konnte er vielleicht ein bisschen zu gut, denn er wusste alles. Wer, was, mit wem, wo, wann und wie tat; er wusste es. Natürlich hatte er auch das von dem Prätor und dem Griechen gehört. Jeder wusste davon und Danius war einer der ersten gewesen, die es erfahren hatten.
Er war gut; auf ihn konnte man sich verlassen.
"Ich vergaß...", murmelte er. "Ich rede mit dir, und nicht mit sonst irgendwem. Natürlich weißt du es...", einen Moment setzte er sich gerade hin, tat so, als würde er aufmerksam dem sprechenden Senator zuhören, dann lehnte er sich wieder hinüber. "Ich habe den Graecus getroffen. Gestern. Ich weiß wirklich nicht, was in Maximus gefahren ist, ihn zu kaufen!"
Gelangweilt zuckte Danius mit den Schultern und Janus schnaubte verächtlich.
"Wo ist der Gute überhaupt? Kaum einen Tag einen Graecus im Haus, und schon schwänzt er die Treffen hier.", schimpfte er vor sich hin, und Danius fragte sich, ob er überhaupt noch mit ihm sprach.
"Die Vernunft hat ihn bei dem Kauf schonmal nicht ergriffen.", sagte er und zuckte dann mit den Schultern, "Bedauerlich. Seine Kommentare sind immer äußerst amüsant. Er nennt die Affen hier allesamt dumm und sie verstehen es nicht, weil sie viel zu sehr auf sich fokussiert sind. Stultissimi.", erlaubte er sich zu fluchen und Baccis Augen schienen für einen Moment amüsiert aufzuleuchten.
"Du kannst sie auch nicht leiden.", stellte er fest.
"Ein Haufen arroganter Schafsköpfe, alle miteinander. Uns vermutlich mit eingeschlossen.", erwiderte Danius und tippte gelangweilt mit den Fingernägeln auf der Bank herum. Ihm war langweilig und er bekam Kopfschmerzen von den vielen unnötigen Diskussionen.
Wenn sie doch zumindest einmal gescheiten Wein dazu bekommen würden. Aber nein, sie bekamen die Plörre ja nichtmal mit Wasser gemischt. Allerhöchstens einmal Traubensaft, aber der war so süß, dass Danius stets ablehnte.
"Was fällt ihm eigentlich ein, nicht zu kommen.", rumorte neben ihm Baccis und Danius schnaufte.
"Er ist Prätor. Anders als wir, kann er es sich leisten und keiner wird schimpfen."
"Oh, ich werde schimpfen!", nörgelte Janus und Danius entschied sich, endlich einmal seiner Leidenschaft nachzugehen.
"Ist es wahr, dass Prätor Montis gestern Senator Patros beinahe niedergeschlagen hat? Meine Quellen sind unzuverlässig, aber man sagte mir, du wärst dort gewesen."

Der Verlassene
Fast wäre Janus aufgestanden und aus Protest einfach gegangen.
Er hasste diese Art Veranstaltungen ohnehin schon, denn es gab nichts, was mehr Zeitverschwendung war. Ihm war klar, dass man die dritte Legion nach Galiläa würde schicken müssen, wenn man dort die Stellung halten wollte, warum also mussten diese möchtegern Weisen da drüber diskutieren?
Dass sein Sitznachbar, Freund und seltsamster Bekannter, Danius Scrivus, bereits die ganze Geschichte in allen Einzelheiten kannte hätte ihn nicht überraschen sollen. Danius wusste immer alles. Er hatte von Aurelius' Angebot an Lucretia gewusst, bevor sie es Aulus erzählt hatte.
Janus wusste nicht wie, aber der junge Mann wusste immer alles.
Zweifelnd und doch genervt hob Janus eine Augenbraue.
"Seit wann sind deine Quellen nicht zuverlässig?", er wartete einen Moment, doch da Danius nicht aussah, als würde er antworten, fuhr er fort: "Ja, ich war da."
Plötzlich wurde ihm von seinem Sitznachbarn auf der anderen Seite ein Ellenbogen gegen den Arm gerammt und empört blickte er zur Seite. Neben ihm saß Marcus Florus, einer der Neueren im Senat, der tatsächlich noch Wert darauf legte, zuzuhören.
"Könntet Ihr leise sein?", fragte er, doch schien er unter Janus Blick ein wenig zu schrumpfen.
"Sieht es so aus?", knurrte er, wandte sich wieder an Danius und schüttelte den Kopf. "Also. Gestern auf dem Forum... Ich würde nicht sagen, dass Aulus ihm den Kopf eingeschlagen hat, aber er hätte es gewiss gerne getan. Ich habe ihn ein wenig davon abgehalten, und Patros, diese verfaulte Traube eines guten Weinstocks, hat einen Abgang gemacht. Keiner ist körperlich ausfallend geworden."
Er fand seinen Bericht außergewöhnlich sachlich, für seine Verhältnisse, doch hatte er bei Danius stets das Gefühl, dass er sich besser gut ausdrücken sollte, da er andernfalls an Ansehen verlieren würde. Und etwas an dem Gedanken störte ihn doch sehr.
"Interessant.", sagte Danius. "Nun, Montis sehe ich auch nicht. Wer da wohl schimpfen wird.", fügte er hinzu und Janus verspannte sichtlich. Immerhin ging es hier um seine Freunde.
"Aber sein wir mal nicht zu voreilig. Ich würde auch nicht hiersein, müsste ich es nicht. Sie lenken vom Thema ab.", sagte er und im nächsten Moment, schoss er einen Todesblick zur Seite, zu einem der Senatoren, der gerade "Shhh" gemacht hatte, um ihm zu bedeuten, er solle leise sein.
"Senator, kümmert Euch um Eure Ehe, nicht meine Angelegenheiten.", erwiderte Danius trocken und der Senator drehte sich wutschnaubend und mit hochrotem Kopf wieder zurück auf seinen Platz. "So aufdringlich.", befand Danius unzufrieden.
"Nicht mehr oder weniger aufdringlich als die meisten anderen hier auch.", seufzte Janus und bemerkte plötzlich eine Unruhe am Eingang. Sofort war seine gesamte Aufmerksamkeit dort, und als er sah, dass Maximus hereinkam seufzte er erneut.
"Und dann muss der Mann auch noch einen dramatischen Auftritt hinlegen, ich glaube, er ist wirklich des Wahnsinns."
Es gab wenig Regeln im Senat, die er sinnvoll fand. Noch viel weniger ungeschriebene Regeln gab es, die er für sinnvoll erachtete. Eine davon war es jedoch, dass, wenn man das Ziel für eine Menge Gespräche geworden war, dann legte man keine dramatischen Auftritte hin, kam nicht zu spät und verhielt sich allgemein eher ruhig.
"Großartig.", murmelte er. "Eines Tages... eines Tages haue ich ihn für diese Dummheit. Aber bis dahin... bis zu dem Tag an dem ich ihn haue, passe ich darauf auf, dass es kein anderer tut."
Danius neben ihm schnaubte belustigt und er schüttelte einfach weiter den Kopf.
"Ey Baccis! Dein Freund der Graeci ist da!", hörte er jemanden rufen, drehte sich um und fixierte den Senator hinter sich mit einem tödlichen Blick.
"Mund halten, Aquilius, es kommt nichts Sinnhaftes raus!", erwiderte er und dann etwas leiser zu Danius: "Ich hasse ihn, habe ich dir das schon einmal erzählt? Ich hasse ihn."

Legions of FateWhere stories live. Discover now