VI

51 5 7
                                    

Der Sklave
Unsanft wurde Alexandros von der Sklavin am unverletzten Arm gepackt und einmal quer durch die Villa geschleift. Alles ging so schnell, dass er nicht den Hauch einer Chance hatte, sich den Weg einzuprägen. Und kurz darauf fand er sich in einem geräumigen Esszimmer wieder, wo sie ihm einen Krug mit Wasser gab, ein Brot in die Hand drückte und noch einen Apfel mitnahm, ehe sie ihn wieder wortlos am Arm griff und in ein anderes Zimmer brachte.
"Der Dominus wird vermutlich gleich wiederkommen und sich um dich kümmern.", sagte sie leise, legte den Apfel auf den einzigen Tisch, der im Raum stand, und wollte schon wieder abdüsen, doch Alexandros hielt sie auf.
"Warte!", sagte er und hasste sich dafür, wie verzweifelt seine Stimme klang. Sie blieb stehen und blickte ihn unsicher an, wobei ihr Blick immer wieder zu Boden ging. "Kannst du mir ein Tuch und eine Schüssel mit Wasser bringen, damit ich meine Wunde saubermachen kann?", bat er sie und nach kurzem Zögern nickte sie und eilte davon.
Das erste Mal, seit dem Kampf, nahm er sich die Zeit, prüfend an sich herunter zu blicken, um ein etwas genaueres Bild seiner Verletzungen zu bekommen. Er war noch immer sandig, ölig und verschwitzt und seine ohnehin schon dunklere Haut stand im starken Kontrast zu dem Blut, welches aus der Wunde über seine Brust und seinen Arm gelaufen war. Langsam hob er einen Finger an und betastete vorsichtig die Haut neben der Wunde. Dieses Mal konnte er ein schmerzerfülltes Einatmen nicht verhindern, und legte den Kopf in den Nacken, um nicht zu fluchen.
Kurz darauf kehrte sie mit einem Tuch und einer Schale mit Wasser wieder auf, legte beides auf den Tisch und verschwand wortlos wieder. Alexandros, der das erste Mal, seit man ihn aus Griechenland entführt hatte, länger als wenige Momente allein war, atmete schwer aus und verzog schmerzerfüllt das Gesicht. Und auch wenn sein Magen unglaublich knurrte, und er es kaum erwarten konnte, das Brot und den Apfel zu essen, musste er sich erst um die Wunde kümmern.
Weil er ahnte, dass er sich unter den Schmerzen nicht würde auf den Füßen halten können, stellte er die Schüssel auf den Boden, kniete sich mit dem Tuch daneben und begann ganz vorsichtig, den Dreck aus der Wunde zu tupfen und zu streichen, auch wenn er bei jeder Berührung scharf einatmete.
Gefühlte Ewigkeiten später war er fertig, ihm war schwindelig und er fürchtete, dass die Schmerzen erneut dazuführen würden, dass er das Bewusstsein verlor. Doch er erinnerte sich an das Essen, rappelte sich auf und nahm das Brot, ehe er sich wieder auf den Boden an der Wand lehnte und zu essen begann.
Nachdem er Brot und Apfel aufgegessen und das Wasser getrunken hatte, sah Alexandros sich in dem Raum um. Die Wunde brannte nicht mehr so schlimm wie zuvor, und er fühlte sich auch nicht mehr ganz so dreckig wie zuvor. Der Raum war genauso geschmackvoll eingerichtet, wie der Rest des Hauses, und auch wenn alles sehr minimalistisch gehalten war, gefiel es ihm gut. Er sah zu der Liege hinüber, die im Raum stand, und erwog kurz, seinem Wunsch nach Schlaf nachzukommen, sich dort einfach hinzulegen, und zu hoffen, dass er so tief einschlafen würde, dass er nicht mehr erwachte. Doch er schaffte es nicht einmal, sich aus seiner hockenden Position an der Wand zu erheben, weil ihm dafür die Kraft fehlte.
Die ganze Zeit, seit er auf dem Schiff erwacht war, welches ihn und seine Schwester von ihrer Heimat in Kefalonia nach Rom gebracht hatte, hatte er sich weder Zweifel noch Angst anmerken lassen, doch nun, während er so hier saß, im Raum des römischen Prätors, der ihn gekauft hatte, hatte er das Gefühl, versagt zu haben.
Er hatte geschworen, dass er seine Schwester beschützen würde.
Doch sie war entführt worden.
Er hatte geschworen, dass er sie retten würde.
Doch stattdessen war er auch in Gefangenschaft geraten und nach Rom gebracht worden.
Er gestand sich ein, dass er es zumindest auf das Schiff geschafft hatte, auf dem auch sie gewesen war. Dort hatte er erneut geschworen, dass er sie beschützen würde.
Doch sie war ihm genommen worden.
Er hatte geschworen, dass er Dianthe finden würde.
Doch nun war er hier, im Haus eines Römers, nicht in der Lage auch nur aufzustehen.


Der Einsame
"Du hast dir einen Greacus ins Haus geholt.. einen Greacus... von allen möglichen Gladiatoren suchst du dir den Greacus aus. Was hat dich da geritten?", fragte Janus und massierte seine Schläfen.
"Ich habe zwei andere Greaci im Haus, ich verstehe nicht, warum-"
"Frauen.", fiel him Janus ins Wort, "Du hast griechische Frauen im Haus. Frauen, die schon vorher servae waren und die du auch dringenst hier im Haus brauchst, sonst wäre es wahrscheinlich schon eine Ruine. Und jetzt... jetzt hast du einen Mann im Haus. Schlimm wäre es nicht, aber er musste ja Grieche und noch dazu einer sein, der vorher im Circus gekämpft hat. Bist du denn des Wahnsinns?"
"Das hattest du schon gefragt.", antwortete Maximus nur schlicht und setzte sich auf eine der Liegen. Janus schmiss die Hände in die Luft und sah ihn entgeistert an.
"Und ich werde es wieder tun."
"Es war eine unüberlegte Entscheidung, ja, aber das Letzte was ich jetzt tun werde, ist ihn wieder zurück zu verkaufen. Er war ein Gladiator, ja, aber ich habe mehr Jahre auf Feldzügen gedient, als Aulus Sohn alt ist, ich kann mich verteidigen."
"Und daran zweifele ich ja auch nicht.", Janus' Stimme wurde sanft. Er räusperte sich und sah ihn an. Maximus wusste, dass Janus es hasste, solche Gespräche zu führen und er konnte es gut nachvollziehen; er tat es ja auch. "Maximus, ich habe ein Versprechen gegeben und ich will dich nicht an einen Greacus verlieren, den du in dein Haus gekauft hast."
"Ich bin mit Leuten klargekommen, die tatsächlich Barbaren waren. Ich bin stark, Janus, und wenn du mir das noch immer nicht glauben kannst..."
Janus seufzte und hob die Hände. "Ich habe dich gewarnt, Maximus. Ich habe kein gutes Gefühl. Du solltest zu den Laren beten."
Maximus schnaubt und sah ihn belustigt an. "Er ist nicht Familie, Janus. Ich habe keine Familie mehr."
"Vielleicht nicht, aber er wohnt hier. Die Laren beschützen dein Haus. Ich habe hart lernen müssen, dass die Laren auch Leute beeinflussen, die nur bei uns ein- und ausgehen."

Legions of FateWhere stories live. Discover now