XV

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Der Verlassene
Mit gestrafften Schultern lief Janus durch Rom, Aulus lief neben ihm.
Nachdem Maximus sie vor der Villa Montis einfach hatte stehenlassen, und auch Danius gegangen war, waren der Prätor und er losgezogen, da heute noch ein wichtiger Punkt auf der Tagesordnung stand: Janus würde einen neuen zweiten Zenturio an seine Seite gestellt bekommen.
Sein letzter zweiter Zenturio, Zenturio Pontus, war vor einigen Wochen an den Folgen einer Kriegsverletzung verstorben. Es war ein schwerer Schlag für die Kohorte gewesen, da Pontus von allen, einschließlich Janus, stets respektiert und geschätzt worden war. Er war bereits im gediegenen Alter gewesen, doch hatte niemand damit gerechnet, dass er so bald sein Leben lassen würde.
Eigentlich freute Janus sich, dass er endlich wieder die Arbeit mit jemandem teilen konnte, sich nicht um alles alleine zu kümmern brauchte und allein die Verantwortung trug. Jedoch hatte er Sorge, dass man ihm einen unerfahrenen Jungen an die Seite stellen würde, der nur Unruhe in seine Ordnung bringen würde.
Aulus, der bereits seit einigen Tagen wusste, wen die Soldaten gewählt hatten, hüllte sich noch immer in Stillschweigen und nach dem fünfzehnten Versuch, etwas aus ihm heraus zu bekommen, hatte Janus es gut sein lassen.
Sie erreichten den Senat und gingen zielstrebig zu einem der Räume, wo die Prätoren für Gewöhnlich saßen, und wichtige Entscheidungen trafen. Doch heute schien es keine Entscheidungen zu geben, die man treffen musste, denn der Raum war leer.
"Ich würde den Zenturio dann holen lassen, wenn du soweit bist, Baccis.", sagte Aulus. "Jetzt sieh mich nicht so böse an, du Miesepeter. Du wirst dich mit dem Neuen schon abfinden, schließlich haben deine Leute ihn gewählt."
Janus grummelt etwas unverständliches, woraufhin Aulus einem Sklaven zurief, dass sie den Zenturio bitte hineinbringen sollten. Dann setzte er sich auf einen der Stühle und bedeutete auch Janus, sich zu setzen. Widerstrebend kam er der Aufforderung nach, und sie warteten gemeinsam.
Doch nur kurz, denn bereits wenige Augenblicke später ging die Türe auf und ein junger Mann mit rabenschwarzen Haaren und strahlend blauen Augen kam herein.
Janus sah ihn an und dachte bei sich, dass junger Mann eigentlich schon zu viel gesagt war.
Sein neuer zweiter Zenturio, der Nachfolger von Pontus, war quasi noch ein Junge, so jung war er.
Janus blinzelte, seine Mine blieb hart und unverändert. Er musterte den jungen Mann, den er gewiss schon einmal in seiner Kohorte gesehen hatte. Doch war er unscheinbar, nicht besonders groß oder breit, und er war Zenturio vieler Männer - da konnte er sich auch nicht alle merken.
Wenn man Menschen hatte sterben sehen machte das etwas mit einem. Etwas veränderte sich im Blick eines Jeden, und man sah es ihm sofort an. Doch dieser Mann war nicht im Krieg gewesen. Janus sah es in seinen Augen, an der Ausstrahlung und der Haltung.
Irgendetwas musste er wohl richtig gemacht haben, sonst stünde er ihm nicht nun gegenüber, soviel wollte er ihm lassen. Doch wenn er nicht im Krieg gewesen war, war er als Zenturio unbrauchbar, und davon war er überzeugt.
"Salve, Zenturio Aquilius.", sagte Aulus und fast hätte Janus laut aufgelacht. Klar, das ganze hätte nur noch schlimmer werden können, wenn sein neuer Partner ein Aquilius wäre.
Was hatte er den Göttern denn angetan?

Der Gewählte
Florianus war schon nervös gewesen, als er heute morgen aufgestanden war. Wenn man noch weiter gehen würde, könnte man sagen, dass er schon gestern Abend nervös gewesen war und sowieso die ganze Zeit, seitdem er wusste, dass er der neue Zenturio der fünften Kohorte war.
Er war gewählt worden, hatte selber für einen etwas älteren Mann aus der Legion seine Stimme abgegeben, nicht wissend, das beinahe die gesamte Kohorte ihre Stimme ihm gegeben hatte. Und jetzt war er der zweite Zenturio.
Nervös trommelte er mit den Fingerspitzen auf das Holz des Tisches in dem Raum, in welchem man ihn vor einiger Zeit zurückgelassen und angewiesen hatte zu warten.
Seine Gedanken kreisten um den Krieg, in dem er Soldat gewesen war und um den Zenturio, der auf seinem Platz geblieben war. Zenturio Janus Baccis. Als Florianus diesen Namen das erste Mal gehört hatte, hatte er gedacht, er hätte sich verhört. Janus, wie der Gott der Möglichkeiten, der Türen, der zweiten Chancen. Vielleicht war das Amt des Zenturios genau das: eine zweite Chance. Eine weitere Chance, die Ehre seiner Familie wieder herzustellen.
"Zenturio.", sprach Jemand zu seiner Seite und Florianus hätte sich beinahe auf die Nase gelegt, als er erschrocken herumwirbelte.
Vor ihm stand ein junger Mann in den Roben der Sklaven und sah ihn fragend an. Florianus nickte und folgte ihm durch die Tür, in sein neues Schicksal.
Die beiden Männer, die vor ihm standen, verursachten sofort Kopfschmerzen. Florianus wusste schon jetzt, sein Leben als Zenturio würde voll von diesen Kopfschmerzen sein. Er hasste es, zu überlegen, wie Leute zu ihm standen, welche Meinung sie wohl über ihn hatten.
Prätor Montis sah ihn mit einem Blick an, den Florianus vielleicht als väterlichen eingestuft hätte, wäre er lebensmüde gewesen. Und Baccis... Florianus schluckte. Der Mann hasste ihn, das wusste er, ohne den Mund aufzumachen und auf eine Reaktion auf gesagtes zu warten.
"Aulus.", zischte der Zenturio vor ihm und Florianus hatte das Bedürfnis, sich kleinzumachen und auf nicht schuldig zu plädieren.
"Janus.", antwortete der Prätor sanft aber bestimmt und Florianus Blick zuckte zwischen den beiden hin und her. Er fühlte sich wieder wie ein Kind, während seine Eltern sich stritten. Nur dass er nicht einen der beiden so dringend vor dem anderen beschützen wollte.
"Der ist noch grün hinter den Ohren.", raunte Janus Baccis und Florianus versuchte, es nicht persönlich zu nehmen.
Er hatte sich fest vorgenommen, dem Rat seines Vaters zu trotzen und ohne eine feste vorherige Meinung an den Posten heranzugehen. Er wusste, dass sein Vater den Zenturio nicht leiden konnte. Immerhin hatte dieser ihn bloßgestellt, vor dem ganzen Senat. Zwar war es nicht in der Sitzung gewesen - das wäre ja noch schöner - sondern am Ende, aber es hatte trotzdem für einiges an Wirbel gesorgt.
Jeder hatte gewusst, dass sein Vater ein uneheliches Kind gezeugt hatte, die Leute flüsterten auf den Straßen, aber jetzt wussten sie es sicher.
Es war ein Jahr her, das Kind - es war ein Junge und er trug den Namen Emilius - war noch ein Säugling, aber Florianus wusste, dass es ein Wettlauf mit der Zeit war. Er musste seinen Vater stolz machen, denn wenn dieser sich dazu entscheiden würde, den Sohn anzuerkennen, war nicht nur Florianus Familie voll Schmutz, sondern auch er selber und seine eigene Familie, sollte er denn einmal eine haben.
Als er erfahren hatte, dass die Sklavin schwanger war, hatte er gerade seinen ersten Außendienst in der Legion antreten sollen und als sich in ihm die ersten Vermutungen breitgemacht hatten, war er froh gewesen, dass er sich in das Training hatte stürzen können. Und das hatte ihm geholfen.
Er war immer besser geworden und hatte sich bereit gefühlt, zu kämpfen. Aber es war anders gekommen. Doch darüber wollte er jetzt nicht nachdenken. Er war ein Zenturio, also würde er sich wie einer benehmen.
"Zenturio Baccis, ich freue mich auf unsere Zusammenarbeit und bin bereit, vieles zu lernen.", sagte er also und setzte ein Lächeln auf.

Der Verlassene
Am liebsten wäre Janus aufgestanden und hätte dem Aquilius das Lächeln aus dem Gesicht geschlagen. Doch er bot sämtliche Körperbeherrschung auf, und blieb sitzen. Denn er wusste, das würde Aulus ihm lange übel nehmen. Den gemurmelten Kommentar "Du wirst es auch nötig haben, viel zu lernen.", ließ er sich jedoch nicht nehmen.
Wie die gute Schule es verlangte erhob er sich, ging auf den neuen Zenturio zu und nickte ihm zu.
"Salve, Zenturio.", knurrte er, was das offizielle Zeichen war, dass er ihn als zweiten Zenturio akzeptierte - oder zumindest tolerierte. Dann wandte er sich an Aulus: "Wir sehen uns dann heute Abend zum Essen?"
Es war eine rhetorische Frage, denn natürlich würden sie sich am Abend sehen. Aber Janus hielt es nicht aus, den Neuen zu lange anzugucken. Nicht nur, dass seine Familie seit Anbeginn der Zeit Streit mit der Familie Aquilius hatte, auch konnte und wollte er sich auf einmal nicht mehr an die Veränderung eines neuen Zenturios gewöhnen müssen.
Doch waren die Würfel nun gefallen, und er musste damit klarkommen, ob er wollte oder nicht.
Und er wollte nicht.

Der Gewählte
Er hasste ihn.
Florianus schluckte und versuchte das schwere im Bauch zu ignorieren, das sich breitmachte, obwohl er das nicht wollte. Der Zenturio hasste ihn mit jeder Faser seines Körpers. Er kannte diesen Blick und er wusste ihn zu deuten.
Baccis war verletzt, er trauerte, auch wenn Florianus das nie gewagt hätte laut auszusprechen. Er hatte früh gelernt, Menschen zu lesen und jetzt wurde ihm dieses Talent zum Verhängnis. Er wollte den Zenturio vor ihm nicht lesen, er wollte ihn nicht angucken und die schiere Wut, dass Florianus existierte und es auch noch wagte, gewählt worden zu sein, nicht sehen und sie erst recht nicht verstehen. Denn das tat er.
Also senkte er den Kopf, als Janus auf ihn zukam und ihn grüßte. Es war ihm egal, ob er dadurch unterwürfig wirkte, ob es kindisch war, er wollte ihm nicht in die Augen sehen müssen.
Als der Zenturio sich umwandte und etwas zu dem Prätor gegenüber von ihnen sagte, erlaubte Florianus sich, mit den Gedanken abzuschweifen.
Sein Vater hätte ihn dafür vermutlich gescholten, aber sein Vater war nicht hier. Florianus war alleine, auf sich selbst gestellt und das war gut so. Sein Vater hatte immer einen Rat, immer ein Ziel vor Augen aber dieses Ziel war nicht das, was Florianus wollte. Und wenn er wollte, dachte Florianus bitter, konnte er diese Ziele ja für seinen anderen Sohn weiterhin im Blick behalten.
Er bemerkte nur am Rand, wie der Zenturio aus dem Raum verschwand und atmete erleichtert aus. Endlich konnte er sich erlauben, sich zu entspannen.
"Er hasst mich.", stellte er fest und sofort sah Prätor Montis ihn an, wie Florianus Vater ihn seit einer langen Zeit nicht mehr angesehen hatte. 

Legions of FateWhere stories live. Discover now