Welche Opfer

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Ich sollte lernen. Ich schreibe. Standard.

Dadurch gibt es jetzt schon wieder ein Update und es gibt ein paar Begegnungen, auf die ihr vielleicht schon gewartet habt. Ich bin gespannt, was ihr davon haltet!

Viel Spaß. :3

Kuss,

Luna

* * *


12. Welche Opfer

Wenn ich vorgebe, ich opferte meine Generation für das Glück der kommenden Generationen, so opfere ich die Menschen. Nicht diese hier oder andere, sondern alle.
Antoine de Saint-Exupéry: Die Stadt in der Wüste

*

Indigo war sich relativ sicher, nicht eingeschlafen zu sein. Sie hatte fremdartig duftenden Tee getrunken, ins Feuer gestarrt und gegen die bleierne Müdigkeit gekämpft, doch als die Tür des Salons sich schließlich öffnete, schreckte sie hoch aus einem wirren Nebel voll meerblauer Funken und stahlgrauem Schmerz.

„W-was ..."

Noch halb in ihrem Dämmerzustand gefangen registrierte sie, dass Mio und Parl sich erhoben hatten, folgte eilig ihrem Beispiel und schüttete dabei einen Rest kalten Tee über ihre Jeans. Mit der größtmöglichen Würde stellte Indigo ihre Tasse ab, ignorierte die eisige Flüssigkeit, die ihr linkes Bein hinunterrann und sah auf.

Die Königin hatte den Raum betreten und aus irgendeinem Grund stellte Indigo vor allem anderen fest, dass sie klein war. Ohne die hohen Absätze wäre sie sicher einige Zentimeter kleiner gewesen als Indigo selbst und das irritierte sie, denn in ihrer Vorstellung hatte die gesichtslose Herrscherin Ardens sie stets überragt. Dann trat die Frau zwei Schritte nach vorne und in dieser minimalen Bewegung lag eine derartige Autorität, dass alle Zweifel hinsichtlich ihrer mangelnden Körpergröße sofort verflogen.

„Aber ... Mio!"

Bevor Indigo Gelegenheit hatte, sich ein umfassenderes Bild von ihrem Gegenüber zu machen, durchquerte die Königin eilig den Raum und warf sich Mio in die Arme. „Mio, bei allen Göttern ... ich kann es nicht glauben. Was ... wie ..."

Einigermaßen überrascht beobachtete Indigo, wie Mio die Umarmung der Frau erwiderte, die sein Heimatland regierte. „Das ist ... eine längere Geschichte." Behutsam löste er sich aus ihrer Umklammerung und brachte ein Lächeln zustande, das offensichtlich nicht nur Indigo für höchst unüberzeugend hielt. Stirnrunzelnd wich die Königin ein wenig zurück und sah sich um. Jetzt erst fiel ihr Blick auf Indigo und ihre irritierte Miene glättete sich prompt.

„Guten Abend. Ich glaube, wir kennen uns noch nicht." Von einer Sekunde auf die andere hatte sich ihr Tonfall geändert und die Vertrautheit, die sie Mio entgegengebracht hatte, wich etwas wie freundlicher Distanz. Dieser Wechsel entging Indigo ebenso wenig wie die Tatsache, dass die Frau ihr gesamtes Erscheinungsbild einer raschen Musterung unterzog, während sie selbstsicher auf sie zukam und ihr eine kühle Hand reichte. Indigo übersah, obwohl beides dezent, weder die Diamanten um ihren Hals noch die Schatten unter ihren Augen. Und noch etwas war in ihrem Gesicht, irritierte sie. Eine ... Vertrautheit. Als hätte sie diese Frau früher schon einmal gesehen.

„Ich weiß, wer Sie sind."

Die Königin blinzelte und trat einen Schritt zurück, was Indigo die Gelegenheit gab, den Spieß umzudrehen und sie ungeachtet jeder Höflichkeit zu mustern. Die hohen Absätze und ihr bestimmtes Auftreten hatten über eine gewisse Fragilität hinweggetäuscht, die auf den zweiten Blick offenkundig wurde: Helle Haut und eine schlanke Silhouette verliehen ihrem Gegenüber ein beinahe ätherisches Aussehen auf dem schmalen Grat zwischen Anämie und Ästhetik. Makelloses Haar, ein perfekt sitzendes Seidenkleid und das glitzernde Collier unter ihrem Schlüsselbein ließen auf genau den selbstverständlichen Reichtum schließen, der Indigo schon die ganze Zeit unangenehm berührte und die feine Note eines exquisiten Parfums wehte ihr entgegen wie die flüchtige Ahnung einer besseren Welt.

INDIGO EYES - Im Zeichen der ErdeWhere stories live. Discover now