Vorhang zu

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Also, ich war mir ja nicht sicher. Aber jetzt poste ich es eben doch schon. Weiter gehts. ;)

* * *


25. Vorhang zu

Sed omnes una manet nox

Horaz

*

Sie hatten kaum zwei Schritte in Richtung der nächsten Tür gemacht, als Moreno wie angewurzelt stehen blieb. Adam, der die Hand schon in Richtung Klinke ausgestreckt hatte, hielt inne. „Was –"

Ein hohes Sirren durchzuckte Indigos Kopf und sie begriff, aber noch bevor Moreno seine Warnung rufen konnte, blitzte etwas auf und von ihm magisch verbarrikadierte Tür flog aus den Angeln. Die ersten beiden Wächter stürzten auf den Gang, die Waffen erhoben, und hinter ihnen konnte Indigo Verstärkung erkennen. Viel zu viel Verstärkung. Prompt schwoll ein Orkan in ihren Ohren an und sie riss die Hände in die Luft, doch im selben Moment packte Moreno sie am Arm und eine vorbeizischende Kugel verfehlte sie nur knapp und schlug stattdessen splitternd in die Wand hinter ihr ein.

„Rein da!"

Sie wusste nicht einmal, wer von ihnen es brüllte. Sie wusste nur, dass sie zur Seite stürzte, dass Adam die nächste Tür aufstieß und sie alle gleichzeitig über die Schwelle taumelten. Noch im Sprung warf Lysanna die Tür wieder zu, Moreno fuhr herum und erneut glitten seine Hände fieberhaft durch die Luft. Diesmal war Indigo so klar bei Verstand, dass sie ein feines Klingeln hören konnte, während er die Barriere webte. Und auch die Schritte hörte sie, die sich polternd näherten. Sie spürte die Erschütterung und sah Schweißperlen auf Morenos Gesicht glitzern, doch seine Finger vollführten ihren Tanz mit vollendeter Eleganz und ohne die Spur eines Zitterns. Ein leichtes Flirren spannte sich innerhalb des Rahmens aus, Indigo ballte die Hände zu Fäusten und dann krachte der erste Körper von außen gegen die Tür, den Bruchteil einer Sekunde, nachdem Moreno die Hände hatte sinken lassen.

Die Barriere hielt.

Schüsse erklangen, einer, zwei.

Die Barriere flackerte, aber sie hielt.

Vorläufig.

Mit einem leisen Seufzen drehte Moreno sich nach ihnen um. „So viel zu Fluchtplan A und B."

Natürlich lag auch hinter dieser Tür kein Ausgang. Stattdessen standen sie in einem weiteren Raum, ein wenig größer als der letzte, doch genauso fensterlos und genauso verlassen. Diesmal sah es allerdings nicht so aus, als wären sie in einem Lager gelandet. Es gab zwar Regale, aber die waren mit einheitlich schwarz gebundenen Büchern gefüllt und auf einem U-förmigen Schreibtisch standen mehrere Bildschirme, über die verschiedene Szenen flackerten. Indigo trat unwillkürlich näher und erkannte, was sie schon erwartet hatte: Einstellungen von allen Zimmern, die sie bewohnt hatten, einschließlich der Räume im Keller und der unbesetzten Zellenthrone. Rasch überprüfte sie alle offenen Fenster, doch unpraktischerweise gab es keine Aufnahmen von dem Gang, in dem die Wächter gerade gegen Morenos Barriere andrängten.

„Das hier ist dann wohl eine Art ... Zentrale?"

Sie hob den Kopf und begegnete Morenos Blick. „Sieht so aus. Habt ihr irgendwo –"

Indigo brach ab, denn Lysanna war ihr zuvorgekommen und hatte den einzigen Schrank im Raum geöffnet. Ganz offensichtlich hatte er Waffen enthalten, aber die Wächter hatten keine zurückgelassen. Zumindest dachte Indigo das, bis Lysanna sich bückte und eine einfache Holzschachtel vom Schrankboden hob.

„Was ist das?"

Sie öffnete den Deckel und Indigo erkannte zwei Reihen schimmernder ... was? Die Objekte waren annähernd kugelförmig, ihre Oberfläche jedoch schartig und unregelmäßig, wie von schwarzen Eiskristallen überzogen. Im Innern der etwa kastaniengroßen Kugeln pulsierte etwas wie ein dunkelrot glimmendes Herz und ließ Indigo auf verstörende Art und Weise an etwas Lebendiges denken. Unwillkürlich wich sie ein wenig zurück.

INDIGO EYES - Im Zeichen der ErdeWhere stories live. Discover now