Türen und Thron

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24. Türen und Thron

(...) Wir fegen die Macht und stürzen die Throne der Alten,

Vermoderte Kronen bieten wir lachend zum Kauf,

Wir haben die Türen zu wimmernden Kasematten zerspalten

Und stoßen die Tore verruchter Gefängnisse auf. (...)

Ernst Wilhelm Lotz – Aufbruch der Jugend

*

Indigo.

I-indigo.

...

Jules?

Und dann das Meer.

*

Sie hörte Worte, spürte Bewegung, blinzelte und sah Licht. Dann kehrte das Gefühl in den Rest ihres Körpers zurück und ein dumpf pulsierender Schmerz flammte in ihrem Bein auf. Es gelang ihr nicht ganz, ein Stöhnen zu unterdrücken.

„Da bist du ja wieder."

Sie drehte den Kopf und begegnete Morenos Augen, die merkwürdig bewölkt wirkten. Einen verdutzten Moment später begriff sie, dass es Erschöpfung war, die sie sah.

„Was ist los?"

„Du wurdest angeschossen und bist ohnmächtig geworden. Ich kann dich nicht richtig heilen", fügte er widerstrebend hinzu und machte eine flüchtige Geste in Richtung ihrer Wade. Sie senkte ihren Blick und erkannte, dass er die Schusswunde behelfsmäßig mit einem Streifen von seinem T-Shirt verbunden hatte. „Die Blutung ist fast gestoppt, aber wenn ich mehr mache, kostet das Energie und –"

Sie nickte. „Verstehe schon. Danke." Ihr war klar, dass sie jeden verbliebenen Funken Magie brauchten, wenn sie lebend aus diesem Irrenhaus entkommen wollten.

Etwas knallte hinter ihrem Rücken. Indigo fuhr herum und musste feststellen, dass sie immer noch direkt hinter der Tür saß, die sie von den bewaffneten Wächtern trennten. Ihr Magen versuchte einen Rückwärtssalto und scheiterte kläglich. „Sollten wir nicht besser ..."

Ihr Blick fiel auf ihre andere Seite und sie verstummte. Adam lag reglos auf dem Rücken und es verblüffte sie, wie alt er plötzlich aussah. Normalerweise wirkten Schlafende jünger, verletzlicher, aber bei ihm war es anders. Ohne die hellwach funkelnden Augen gab es nichts, was das schiefergraue Haar und die scharfen Züge Lügen strafte und leicht nach unten gezogene Mundwinkel nahmen ihm auch den letzten Hauch von Jugendlichkeit. Der Anblick beunruhigte sie stärker, als sie es sich eingestehen wollte.

„Kannst du ihn aufwecken?" Dann rastete etwas in ihrem Gehirn ein. „Ich kann ihn aufwecken."

„Bist du sicher?"

Sie zuckte die Schultern. „Ist es schwer?"

„Nein, du musst nur –"

Er brach ab, als Indigo eine Hand ausstreckte. Sie wusste nicht, woher ihre Gewissheit kam – sie tat einfach, was sich richtig anfühlte und berührte Adams Schläfe. Ein paar Funken lösten sich leise klingelnd von ihren Fingerspitzen, tanzten auf und ab und versanken schließlich in der Haut seiner Stirn. Adam machte einen markerschütternden Atemzug, als hätte sie ihn gerade aus eisigem Wasser gezogen und schlug die Augen auf.

„Was ... w-wo –" Sein desorientierter Blick irrte über ihre Gesichter.

„Keine Sorge", sagte Moreno mit seiner besten beruhigenden Heilerstimme, „Wir sind vorerst sicher. Die Wandelbaren – Wächter, meine ich – sind zurückgekommen, aber Indigo hat die Magieblockung und ein paar Illusionen aufgehoben. Wir haben eine Tür gefunden ..." Er brach ab, als ihm klar wurde, dass es nichts mehr zu erzählen gab. Indigo gelang es endlich, trotz ihrer Schusswunde auf die Beine zu kommen und Adam folgte ihrem Beispiel deutlich geschickter. Wie auf einen stummen Befehl hin richteten sie ihre Aufmerksamkeit nach vorne.

INDIGO EYES - Im Zeichen der ErdeWhere stories live. Discover now