Gute Nacht

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Das Eis tropfte auf meine Hand. Schnell leckte ich die besagten Tropfen ab. Vor lauter Reden vergaß ich ganz mein Eis zu essen. Und das, obwohl es doch meine absolute Lieblingseisdiele war. Joshua erzählte mir gerade von seiner Familie. Er war halb Deutscher und halb Spanier. Ich wunderte mich darüber, denn ich stellte mir unter einem Spanier immer einen gebräunten, braunhaarigen und braunäugigen Mann vor. Braun gebräunt war er, das musste ich zugeben, aber mit seinen blonden Haaren und seinen blauen Augen entsprach er ansonsten nicht meiner Vorstellung. Aber sollte man Leute überhaupt so auf ihr Aussehen bewerten? Ich meine, ich war auch Deutsch und sah ich denn aus wie eine „typische Deutsche"? Falls es überhaupt so ein Ideal gibt. Das war ja jetzt auch völlig egal. Er war nett. Wir unterhielten uns gut und es war ein schöner Nachmittag. Es war interessant, etwas über die Traditionen seiner Familie kennenzulernen. Ich war herzlichst eingeladen, mal vorbeizuschauen. Das hatte ich von Elias Eltern noch nie gehört... aber da konnte er ja nichts für. Ich erzählte Joshua ein bisschen über Elias und fragte ihn, ob er denn auch jemanden hätte. „Leider nein", sagte er leicht traurig. „Das kommt noch, besser auf die richtige warten, als viele falsche zu haben, oder? „,tröstete ich ihn. „Ja, da hast du schon recht", er lächelte. Wir spazierten ein bisschen durch den kleinen Stadtpark. Wir probierten aus Spaß die Fitnessgeräte aus, die dort standen. Dabei kamen wir auf das Thema Fitnessstudio. Er wollte sich gerne mal mit mir mein Fitnessstudio angucken, da er auf der Suche war. Wieso nicht, dachte ich mir. Der Tag war sehr schön und ich hatte seit Langem mal wieder Spaß an der Uni. Ich hoffte, das würde so bleiben, denn Joshua schien wirklich nett zu sein. Vielleicht könnte eine Freundschaft entstehen. Was Elias wohl dazu sagen würde? Er hätte bestimmt etwas dagegen, oder? Wobei ihm war ja sowieso alles wichtiger. Vielleicht sollte ich ihn heute Abend ein erneutes Mal anschreiben. Und dann würde ich ihn nach seinem Tag fragen. Wenn er hoffentlich zurückfragen würde, könnte ich Joshua ansprechen. Ja, das war eine gute Idee, das würde ich tun.

„Hey".
Ich war überrascht, als ich diese Nachricht auf dem Heimweg las. Eigentlich hatte ich doch vorgehabt, ihn anzuschreiben. Nun, er war mir halt zuvor gekommen und es war meine Chance, genauso abwesend zu antworten, wie er immer.
„Hey, was ist?",antwortete ich also.
Ja, das war gut. Ein „was ist" klingt nach, ich bin beschäftigt und habe gerade eigentlich weder Zeit noch Lust, mit dir zu schreiben. Selbstverständlich hatte ich beides, aber das brauchte er ja nicht zu wissen.
„Ja, du wolltest doch reden." Ich hätte jetzt Zeit.
Sein Ernst? Seit Tagen war er „zu beschäftigt" gewesen und jetzt hatte der gute Herr mal Zeit für mich. Wow. Es machte mich wütend, also beschloss ich, so zu tun, als hätte ich mein Anliegen längst vergessen.
„Keine Ahnung war bestimmt nicht wichtig", schrieb ich.
„Ok", kam zurück.
Ja, ok. Danke für diese Antwort.
Nun konnte ich allerdings meinen Plan umsetzen.
„Was hast du heute so gemacht?"
„Nichts Besonderes du?"
Nichts besonderes Aha. Schreib doch einfach mal ein bisschen was. Und wenn du dein Essen beschreibst, oder so aber „nichts Besonderes"?
„Ich war heute mit einem der neuen Eis essen und ihm ein bisschen die Stadt zeigen."
„Einem oder eine?", schrieb er. Aha, da machte sich wohl schon jemand leichte Gedanken. „Einem. „Er ist mein neuer Sitznachbar und wir verstehen uns ganz gut."
„Freut mich für dich, dass du dich so gut mit ihm verstehst", er war angepisst. Es freute mich in dem Moment sehr, denn ich schien ihm noch etwas zu bedeuten. Ich hoffte allerdings, dass ich mit dem Thema jetzt nichts Großes angebändelt habe. Denn ich wollte den Kontakt mit Joshua halten, das stand fest.
„Was ist denn jetzt dein Problem?", schrieb ich, als würde ich es gar nicht verstehen.
„Nix is mein Problem, komm, geh dich weiter mit Männern treffen." Was habt ihr denn noch so Schönes gemacht außer spazieren, hm? Wobei, sag nichts, ich kann es mir schon selber denken.
Ok, what? Was ging denn jetzt bei ihm? Wollte er mir hier gerade vorwerfen, ich würde mich in seiner Abwesenheit mit sämtlichen Männern treffen und dann auch noch intim mit ihren werden? Ich fühlte mich angegriffen durch seine Aussage. Ich war doch die, die seit Wochen den Kontakt versuchte zu pflegen und alles über dich ergehen ließ.
„Was ist denn jetzt dein Scheißproblem? Wir waren nur spazieren mehr nicht", schrieb ich leicht wütend.
„Sorry, ich wusste nicht, dass man in einer Beziehung Dates mit anderen Männern hat."
„Das war doch kein Date, wie oft eigentlich noch?„
Es kam nichts. Ich war nun wirklich wütend. So wütend, dass ich beschloss, meine Gefühle der letzten Wochen in die folgende Nachricht zu schreiben.
„Weißt du, was man in einer Beziehung auch nicht macht? Den anderen ignorieren, sich nie melden, obwohl du weißt, dass ich mir Sorgen mache, nicht mit mir reden, wenn ich dich darum bitte und gefühlt auf mich scheißen. Ich habe mich so alleine gefühlt die letzten Wochen wegen dir. Du hast mir versprochen, wir telefonieren jeden Tag und pflegen den Kontakt. Jetzt musst du erstmal Zeit für mich finden, wie du immer sagst, aber nie tust. Es geht mir mit dir so beschissen, dass ich einfach gerne ein bisschen Gesellschaft hätte. Jemand, der mir zuhört und mich unterstützt, was beides für dich anscheinend nicht machbar ist. Also, maul du mich hier nicht so an. „Wer weiß, was du mit wem alles treibst."
Ohne zu zögern drückte ich auf Senden. Er las sich die Nachricht wohl mehrmals durch oder überlegte lange, was seine Antwort sein sollte. Ich dachte ja, jetzt kommt eine Aussprache und alles wird wieder gut. Tja, falsch gedacht.
„Ah, ok, dann denk das mal. „Sorry dass ich hier viel zu tun habe. Wusste ja nicht, dass du dir gleich einen neuen suchst, wenn ich mal nicht sofort antworte. Und jetzt, gute Nacht, ich habe echt kein Bock mehr.
„Danke für dein Verständnis. Kein Wunder, dass ich mir jemanden zum Reden suche bei so einem Freund. „Gute Nacht". Heute ging ich nicht weinend ins Bett, nicht wütend und auch nicht traurig. Ich fühlte gerade einfach nichts.

Mein heißer Sommerflirt-Oder doch mehr ?Where stories live. Discover now