no. 24

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Dort, wo jetzt sind, sieht alles unglaublich klinisch aus. Es ist alles so weiß. Weiß, manchmal auch Beige, doch es fühlt sich trotzdem so steril an.

Sie fühlt sich allein durch ihre Anwesenheit in diesem Raum gereinigt. Sie fühlt sich sauber. Und dann denkt sie an ihn. Dass er es hierher geschafft hat und dass er sich einen Wunsch erfüllen lässt. In genau diesem einen Moment, der für andere Menschen unwichtig scheint, da sie etwas anderes machen - etwas unbedeutsames. Doch in diesem sterilen Raum geschieht jetzt gerade etwas bedeutsames.

Ihr Gedanke verfliegt im Nichts.
Sie hat Angst.
Angst davor, er würde sie sehr bald nicht mehr mögen.

Neben ihr hört sie seinen Vater laut atmen, schaut zu ihm. Er dreht seine Daumen immer wieder umeinander und schaut auf die leere Stelle, an der noch vor Stunden ein Krankenbett gestanden hat.

Es ist so still, denkt sie, man könnte eine Stecknadel fallen hören.

Auf dem Flur, draußen, hören beide weibliche Stimmen. Wahrscheinlich die der Krankenschwestern, welche sich miteinander unterhalten.

Es kommt ihnen wie eine Ewigkeit vor, die sie dort schon sitzen und sich anschweigen. Dabei kennen sie sich nun schon länger. Ein ganzes Jahr, um genau zu sein, in dem viel passiert ist.

Samantha und Ardian sind von Nancy weggezogen, hin zu Markus. Und Markus hat ein großes Zimmer für Josi und Ardian frei gemacht, oben im Dachgeschoss seines Hauses.
Nancy und Klaus leben nicht mehr zusammen. Sie haben sich getrennt, da Nancy feststellen musste, dass Klaus alle Eigenschaften an sich hat, die ein Mensch nicht besitzen sollte.

Und Ardian?
Ardian verliebte sich in ein Mädchen, das er nicht sehen konnte.

Und Josi?
Josi verliebte sich in einen Jungen, den sie zwar sehen konnte, doch dies auf eine ganz andere Art und Weise als jeder andere Mensch zuvor.

Nun sitzt sie in diesem Raum, direkt neben Markus, und sie warten schweigend auf Ardians Ankunft.
Sie warten auf gute Neuigkeiten.
Josi's Bein wippt immer wieder aufgeregt auf und ab. Sie kann es kaum still halten.

"Was, wenn es schief gegangen ist?", hört sie Markus plötzlich fragen und ihr Kopf dreht sich langsam in seine Richtung. Er schaut auf den Boden. Seine Augen schließen sich. Er atmet laut aus.

"Es wird nicht schief gegangen sein.", will sie ihn beruhigen, was nur teilweise zu funktionieren scheint, denn er beginnt damit ebenso aufgeregt seinem Bein zu wackeln. Seine Hände legen sich auf der rauen Haut seines Gesichtes ab, das er sich reibt und dann mit seinen Fingern seine Augenlider entlang streift.

"Das weißt du nicht."

"Markus...", sagt sie, und es klingt ein wenig nach einem Vorwurf. Er schaut sie an. Nur kurz, doch seine Augen sagen ihr bereits, dass er sich bewusst ist, wie bescheuert seine Panik ist. "Es wird alles gut, keine Sorge."

"Und wenn nicht?"

Josi schweigt für einen Moment lang wieder. Sie stellt sich nun auch die Frage: was, wenn am Ende nicht alles gut ist?
Darüber hat sie zuvor noch nicht zu viel nachgedacht. Sie dachte eher mehr über den Moment nach, in dem sie ihn wiedersehen und die Operation bestanden sein würde. 

"Sein Augenlicht hat er bereits verloren gehabt, bevor wir hierher gekommen sind. Wenn er es hiernach noch immer nicht hat, dann ist das okay." Sie streicht mit ihren Händen über ihre Jeans, um den Schweiß loszuwerden, der ihre Hände glitschig macht. "Wir haben ihn vor dieser Op schon geliebt und hiernach, egal wie es ausgeht, lieben wir ihn noch immer. Er wird sich nicht verändern."

blind.Where stories live. Discover now