2. Sitzung

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Die Hände in die Hosentaschen geschoben und der Ollen bloß nicht die Hand geschüttelt, wer weiß schon so genau ob die ihrem Macker in der letzten halben Stunde nicht einen heruntergeholt hat und sich danach nicht die Hände gewaschen hat. „Jack, wie geht es Ihnen heute?“, fragt die Psychologin mich und erst jetzt fällt mir auf, dass ich ihren Namen nicht weiß. Wieso hat die auch kein Namensschild? Alleine für den Fall, dass sie vergessliche Menschen behandelt und mal ehrlich, es ist peinlich nicht den Namen zu wissen, dann muss man das Gespräch immer so seltsam angehen und alles so formulieren, dass es auch ohne Name geht. Oder noch so eine Albtraum-Situation; wenn sie den gleichen Namen haben. Deswegen sollte man Menschen auch nummerieren, das ist einfacher.

„Sie sind der Doc, wonach sieht es denn aus?“

„Sie tragen keine Sonnenbrille.“

„Und Sie keine Reizwäsche.“

Jetzt schreibt die echt schon wieder irgendetwas auf ihren Block. Allerdings hat sie da noch ein anderes Blatt liegen, etwas ausgedrucktes und von meinem Platz kann ich nur die Fragezeichen erkennen. Die Tante wird mir doch nicht ernsthaft irgendwelche scheiß-psychologischen Fragen stellen?

„Jack, nach unserem ersten Gespräch habe ich etwas nachgedacht und festgestellt, dass Sie in der ersten Sitzung nur sehr wenig über sich erzählt haben und da ich..“

Prompt unterbreche ich sie, dass ich ihr nämlich von klischeehaften Kindheitstraumas berichte – die ich nicht habe – kann sie knicken.

„Sie haben meine Strafakte, meine Krankenakte und das Gefasel von den anderen Psycho-Docs, begnügen Sie sich damit.“

Die hat doch allen möglichen Mist an Informationen über mich, wieso muss ich denn jetzt noch irgendetwas erzählen? Kann die nicht einfach irgendeine Diagnose stellen und mich in Ruhe lassen?

„Nein, ich habe auch mit Ihrem Bewährungshelfer gesprochen und bin nun in der Lage Ihnen ein Ultimatum zu stellen; entweder Sie nehmen diese Gesprächstherapie ernst und lassen sich helfen, oder ich werde dem Richter einen Bericht reichen, der Ihnen Ihre Freiheit kosten könnte.“

„Wow, irgendwie ist das verdammt heiß, mit der Erpressung. Können Sie das nochmal sagen, aber dann natürlich ohne Klamotten und in einer 'erotischen' Tonlage?“

Vielleicht sollte ich es mir zur Aufgabe machen, dass ich sie während meiner Zeit hier irgendwann echt mal flachlege. Kann ja nicht so schwer sein und überhaupt, das wäre doch mal eine Geschichte die man erzählen könnte. 'Ich hab meine Therapeutin genagelt.' - klingt schon gut.

„Ich fürchte, dass mein Mann etwas dagegen einzuwenden hätte.“

„Ach, ist nicht so schlimm. Ich hab schon ein paar Mal mit verheirateten Frauen geschlafen“, bemerke ich schulterzuckend und beobachte erneut wie sie sich etwas notiert und anschließend zu dem Frage-Zettel schielt. Jetzt seufzt sie, lächelt und versucht Augenkontakt herzustellen, aber ich beobachte stur die hässliche Zimmerpalme.

„Vielleicht haben Sie es bereits bemerkt, aber nach unserer letzten Sitzung habe ich etwas über Sie nachgedacht. Und dabei sind mir ein paar Fragen in den Sinn gekommen. Fragen, die ich Ihnen gerne stellen würde. Kennen Sie das Frage-Antwort-Spiel?“

„Bei den meisten Spielen die ich kenne hat man entweder von Anfang an keine Klamotten an oder 'verliert' sie im Laufe des Spiels.“

Sie ignoriert es gefließlich, schreibt sich auch nichts auf. Nein, stattdessen nimmt sie ihr mit Fragezeichen bedrucktes Blatt zur Hand und beginnt zu erklären.

„Ich stelle Ihnen ein paar Fragen, die einen sind persönlich, die anderen eher formell. Sie müssen keine der Fragen beantworten, es würde mir allerdings helfen Sie zu verstehen. Bereit?“

Jack Carter Ist UnsterblichWo Geschichten leben. Entdecke jetzt