31. Sitzung

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„Ich verstehe es nicht", sage ich langsam und versuche meine pure Verwirrung nicht vollständig zum Ausdruck zu bringen. „Ich wünsche Ihnen auch einen guten Morgen, Jack." Das Ex-Supermodel nippt entspannt an ihrem Kaffee. Wie kann sie jetzt so ruhig sein? Gott, wie kann momentan überhaupt irgendwer ruhig bleiben? Vor allem wenn bei mir gerade die Welt zusammenbricht oder zu mindest deren Logik – oder mein Hirn einfach nur abstürzt, wie ein Laptop nach einem Porno-Download-Marathon.

„Sie wirken zerzaust. Ist etwas passiert?"

„Ich überlege nach Peru zu gehen und dort eine Alpaka-Farm zu leiten."

Klingt nach einem sinnvollem Ausweg. Ob es in Peru funktionierendes Internet gibt und ich mir Alpakas bestellen könnte? Aber ich kenne mich mit den Viechern nicht aus und was ist wenn die Fleisch fressen – armer Little Jack. Man kann allerdings irgendeine heiße Assistentin einstellen, die sich mit Alpakas auskennt. Was gleich mal die Frage aufwirft, ob ich in Peru legal Gras anbauen könnte, das würde mir vieles erleichtern. Und wie sieht Peru überhaupt aus? Ist es wie Japan? Oder wie Russland? Okay, bevor ich nach Peru auswandere, sollte ich immerhin wissen auf welchem Kontinent es liegt.

„Und dann saß ich gestern drei verdammte Stunden im Labor fest und durfte mir von einer Medizinstudentin weh tun lassen."

„Ok, Jack. Beruhigen Sie sich und erzählen Sie mir alles in Ruhe."

Sie spricht so langsam, dass man meinen könnte, dass ich mit einer Knarre vor ihr herumfuchteln und sie abknallen würde.

„Da gibt's kein 'beruhigen'. Die letzten vierundzwanzig Stunden waren scheiße und ich weiß noch nicht mal was das schlimmste Ereignis war."

Sie lächelt und lehnt sich zurück.

„Dieses Gegrinse ist jetzt unangebracht."

„Letzte Woche sagten Sie, dass Sie keine Hilfe benötigen und jetzt sitzen Sie vor mir und betteln schon förmlich darum."

„Wollen Sie sich jetzt weigern mir zu helfen?"

Elisabeth schüttelt den Kopf und dreht den Kugelschreiber in der Hand.

„Nein, aber ich erwarte dass Sie sich eingestehen, dass Sie im Unrecht waren, Jack. Sich für das eigene Fehlverhalten zu entschuldigen ist außerdem auch ein Schritt weg von Ihrer Persönlichkeitsstörung. Es zeugt von Reue und das ist etwas, was Sie lernen müssen."

„Sie verarschen mich, oder? Ich meine, ich soll mich entschuldigen, damit Sie mir helfen? Komm schon, Babe. Das ist Schwachsinn."

Sie notiert sich etwas und trinkt anschließend noch einen Schluck ihres Kaffees.

„Sie haben noch etwa vierzig Minuten, Jack. Lassen Sie sich Zeit mit dem Entschuldigen."

Ist sie sauer auf mich oder hat sie ihre Tage? Ist sie deswegen vielleicht so darauf aus, dass ich unbedingt zugeben muss, dass ich im Unrecht wäre? Was ich ja noch nicht mal bin. Ich brauche ihre Hilfe nicht. Ich könnte auch mit Wade über meine Probleme reden. Moment, könnte ich nicht. Zumindest nicht über das was gestern Nacht los war.

„Bitte, dann reden wir halt gar nicht", bemerke ich zickig und verschränke die Arme vor der Brust. So siehts aus, Ex-Supermodel. Ich muss nicht über meine Probleme reden, wenn ich sie nachher auch einfach weg trinken kann. Obwohl meine aktuelle Lebens-Komplikation vermutlich nicht so leicht zu abzutöten ist. Außerdem wirft sich damit eine sehr wichtige Frage auf; muss ich jetzt zu Tiffanys rennen und Geld in einen Ring investieren? Scheiße, ich muss darüber reden. Die Klappe halten war doch sonst nie eine meiner Stärken und überhaupt, wenn einer Reue täuschend echt vorlügen kann, dann ist das Jack Carter. Also jetzt einmal tief durchatmen und das 'Doch bin ich dann mal ziemlich nett, will ich nur mit dir ins Bett'-Lächeln aufsetzen. Das müsste hier vermutlich auch funktionieren.

Jack Carter Ist UnsterblichWhere stories live. Discover now