32. Sitzung

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Überraschend, aber ich kann anscheinend doch nicht alles. Zum Beispiel zehn Meilen joggen oder es eine Woche ohne mein Bett aushalten. Außerdem kann ich mich auch nicht mit dem Wachdienst in Renees Wohnhaus anfreunden oder mit ihrem Wecker. Vor allem ihr Wecker. Natürlich, Menschen mit einem regelmäßigem Alltag haben einen Wecker, aber wenn das Teil morgens Frosch-Laute von sich gibt will man entweder sich selbst töten oder den Erfinder des Weckers.

„Gibst du mir jetzt endlich deine Krankenkassen-Karte?"

Jacqueline hat heute mal wieder besonders gute Laune.

„Was los, Babe? Schwanger? Einsam? Die Tage?"

Ich wedle leicht mit dem Stück Plastik in meiner Hand herum und lege den Kopf schief.

„Fick dich, Carter. Gib einfach die Karte her."

„Bist du zu allen Patienten so nett?"

„Nur zu dir", lächelt sie zuckersüß. Ich gebe grinsend nach und schiebe ihr die Karte rüber. „Zum Glück hab ich dich nur noch sechzehn Mal hier rumhängen", murmelt sie anschließend, den Blick starr auf den Bildschirm gerichtet.

Paar Minuten später bin ich dann wieder bei der Zimmerpalme, dem Meerjungfrauen-Bild und Bloomfield. Die wirkt irgendwie beschäftigt mit den ganzen Akten auf ihrem Schreibtisch und wenn ich richtig sehe, dann liegen da sogar Strafakten. Was mich gleich mal wieder dran erinnert, dass die auch eine Kopie von meiner hat.

„Setzen Sie sich, Jack", murmelt sie etwas unverständlich, denn ihre Aufmerksamkeit gilt mehr dem Zeug vor ihr, als mir.

„Hübsch hier. So ordentlich und mit dem ganzen Papier haben Sie bestimmt den Regenwald gerettet."

„Tut mir leid. Unser Archiv in Downtown hat einen Rohrbruch gehabt und jetzt liegen ein paar der verschonten Akten auf meinem Schreibtisch."

„Darf ich lesen?"

„Nein."

Sofort schaltet sich ein strenger Tonfall ein.

„Ich kann eh nicht lesen."

Das stimmt sogar – irgendwie. Ich hab mal eine Stunde gebraucht um die Anleitung einer Shisha zu verstehen. Allerdings war die auf norwegisch und Google-Übersetzer ist bekanntlich der größte Scheiß überhaupt. Jetzt scheint Ex-Supermodel-Psycho-Doc übrigens versucht ihre komplette Aufmerksamkeit auf mich zu lenken, allerdings sucht sie dabei möglichst unauffällig auffällig mein blaues Ding in ihrem Haufen.

„Also, Jack. Was haben Sie diese Woche so gemacht?"

Ich zucke mit den Schultern und sehe zur Zimmerpalme. Irgendwie fühle ich mich gerade wie ein Eichhörnchen. Also zumindest glaube ich, dass sich Eichhörnchen so fühlen. Ich wäre gerne eins, dann könnte ich den ganzen Tag Nüsse essen und man bräuchte keine Zahnspange, bei diesen Hasenzähne. Außerdem hätte ich so ein bauschiges Schwänzchen hinten dran. Und ich könnte von Baum zu Baum hüpfen. Und am Ende würde ich gefangen und mein flauschiges Schwänzchen würde Teil eines Pelzmantels von einer russischen Edel-Prostituierte werden. Das klingt doch fabelhaft.

„Jack?"

Scheiße.

„Was?"

„Alles in Ordnung?"

Beim Eichhörnchen-Leben gibt es keine Nachteile. Okay, vielleicht die Menschen, die einen für putzig halten. Aber denen kann man ja die Finger abbeißen.

„Denke schon. Was hast du mich denn gefragt, Babe?"

Jetzt spricht die langsam und versucht Blickkontakt herzustellen. Funktioniert aber nicht wenn ich die Pflanze anstarre. Ob Eichhörnchen an Gras sterben? Macht ihr süßes Herzchen das mit? Ich meine, Little Jack hat es ja überlebt. Aber der ist mittlerweile groß und stark – vermutlich ist das alles aber Fett. Meine Muskeln – für die ich nach wie vor nichts kann, das ist halt die Genmanipulation – hat der aber auf jeden Fall nicht.

Jack Carter Ist UnsterblichWhere stories live. Discover now