11. Sitzung

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Kann mich jemand mal erschießen? Ach scheiße, geht ja gar nicht. Ich hab die Sonnenbrille wieder aufgesetzt und warte vergebens darauf, dass das Ex-Supermodel aufhört zu reden. Könnte man die nächsten fünfundvierzig Minuten nicht einfach in Stille verbringen? Vielleicht könnte ich dann auch einfach mal schlafen? Ich glaube, dass das sogar helfen könnte – so ein bisschen.

„Jack, ich habe Sie etwas gefragt."

„Ich hab Ihnen nicht zugehört, klang so langweilig."

Sie seufzt. Heute wirkt sie wieder wie immer – nicht so fertig mit der Welt. Aber das ist egal, ich bin im Arsch genug für uns beide.

„Ich habe Sie gefragt, ob Sie das, was wir letzte Woche besprochen haben, umgesetzt haben."

Hab ich? Nein, ich glaube nicht so richtig. Was kann ich denn dafür, wenn keine von denen gut genug für eine Beziehung ist? Aber zwei Dates hatte ich schon, obwohl das Zweite nicht so ein richtiges Date war – ging ziemlich schnell ins Vögeln über.

„Manhattan hat extrem viele Weiber und davon sind etwa ein Drittel heiß und von denen hab ich wiederum maximal ein Viertel genagelt. Und im Gegensatz zu mir altern die ja und dann muss man sich beeilen, damit man die noch bekommt, bevor die nicht mehr heiß sind. Und dann ist die Auswahl auch noch so groß, deswegen dachte ich, dass ich mich vielleicht erst mal dieser Aufgabe widme. Ich meine, wo wären die denn ohne mich?"

„Sie haben die Aufgabe also nicht mal ansatzweise umgesetzt?"

„Dafür hab ich noch eine Ewigkeit Zeit."

Ich gähne, sinke etwas weiter in den Stuhl hinein und hoffe inständig, dass sie mir jetzt keine Strafpredigt hält. Aber denkst'e Carter.

„Sie haben den Sinn dieser Therapie schon begriffen oder? Sie wissen auch, dass es ein Leichtes für mich ist Sie für unzurechnungsfähig zu erklären und Sie wissen auch was passiert, wenn es so weit kommen sollte? Jack, nochmals; ich kann Ihnen nicht helfen, wenn Sie meine Hilfe nicht wollen. Ich sehe diese Sitzungen als Zeitverschwendung an, wenn Sie sich weigern und so werde ich es auch ihrem Bewährungshelfer erklären."

„Das ist eine Drohung."

„Nein, eine Tatsache."

Ich rolle mit den Augen, was sie wegen der Ray-Ban-Brille auf meiner Nase nicht bemerkt. „Das Hier ist doch scheiße", grummel ich ziemlich genervt, verschränke die Arme bockig vor der Brust und fühl' mich mit einem Mal so, als wäre ich wieder vor einem dieser beschissenen Sozialarbeiter. Allerdings waren die immer Typen um die fünfzig, mit Hornbrille und Bio-Cordhosen ausgestattet und keiner von denen hatte je einen so harten Tonfall drauf.

Ok, Carter, Zeit aufzugeben – zumindest vorübergehend.

„Ich hatte immerhin zwei Dates."

Sie nickt, wirkt aber immer noch so als würde sie mir gleich eine reinhauen wollen.

„Erzählen Sie."

„Einmal mit Lucie und von der Anderen weiß ich nicht mehr wie die heißt."

„Beschränken wir uns auf Lucie."

Ich nicke zustimmend und sehe etwas hilfesuchend unauffällig im Zimmer umher. Wo verdammt ist die Zimmerpalme, wenn ich sie mal brauche?

„Wo ist die Pflanze?"

„Jack, lenken Sie nicht vom Thema ab."

„Aber es interessiert mich."

Gott, hier herrscht ja echt Eiszeit. Die ist wohl ziemlich sauer auf mich – oder verzweifelt? Vielleicht glaubt sie ja, dass sie versagt? Wie lange bin ich eigentlich schon hier? Ich glaube, dass es fast drei Monate sind. Ja, nächste Woche sind es drei Monate. Scheiße, am Wochenende hat meine Mutter Geburtstag – dann muss ich zuhause antanzen. Und das heiße Weib von der Army muss ich vielleicht auch mal anrufen. Wie hieß die noch gleich? Rosie? Rebecca? Renee? Ja, das wars. Renee Ledoux. Das war ein übler Korb, den die mir gegeben hat, aber scheiß drauf. So gut wie die aussah, hat's einem die Kehle zugeschnürt. Verdammt, Carter. Falscher Zeitpunkt für Sexfantasien. Denk an was anderes, sonst wird das Hier gleich derbe peinlich. Aber sie ist Französin und ich brauch kein zweites Argument.

Jack Carter Ist UnsterblichWhere stories live. Discover now