Epilog

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Unfassbar dass ich auf die anderen gehört habe. Jetzt stehe ich hier ernsthaft im Anzug und atme ein letztes Mal tief durch. In vier Stunden geht der Flug nach Berlin. Jetzt bloß nicht in Panik ausbrechen und sich daran erinnern, was man die ganze Zeit über sagen wollte.

„Jack; was machst du hier?", fragt mich Jenn beißend. Sie ist die beste Freundin von Kerry, was man an ihrem blauen Brautjungfer-Kleid auch irgendwie erkennen kann. „Ich wollte mit Kerry reden", murmle ich eingeschüchtert. „Wenn du hier bist um Patrick Dempsey zu spielen; ich mach dich kalt. Ich meins ernst, Carter." Jenn hatte schon immer was von einem Wachhund. Allerdings ist mir das momentan völlig egal.

„Lass mich einfach zu ihr."

„Jenn; wer ist da?"

„Patrick Dempsey und er will die Hochzeit sprengen; hat aber kein Pferd."

Ich rolle mit den Augen, quetsche mich an Jenn vorbei, doch die hält mich am Jackett fest. „Wenn du ihr Make-Up versaust und die Braut zum heulen bringst; dann scheiß ich ja mal sowas von auf deine Unsterblichkeit und werde dich töten."

„Schon klar, Jenn."

Ich gehe also die Wendeltreppe hoch, denn diese führt zu dem Pfarrer-Zimmer, das momentan als Brautvorbereitungsraum genutzt wird. Und dann steht sie da, im mittlerweile wirklich leicht verändertem Brautkleid. Wieder schreit mir die Realität ins Ohr.

„Wenn du hier bist um wirklich diese Dempsey-Nummer abzuziehen – dann wird dich so ziemlich jeder auf dieser Feier verprügeln wollen."

Ich schüttle langsam den Kopf und das, was ich dann mache bricht mir mal so richtig mein Krüppel-Herz.

„Ich liebe dich, Kerry."

Scheiße, tut das weh.

„Ich liebe dich wirklich. Ich liebe dich unglaublich, seit sieben verdammten Jahren liebe ich dich. Ich weiß, ich hab es dir nie wirklich gesagt, es nie wirklich zugegeben und selbst den Gedanken habe ich nie geäußert. Aber es stimmt. Und ich habe dir jetzt zwei Mal das Herz gebrochen; das tut mir leid. Das tut mir wirklich leid. Ich hab verdammt große Scheiße gebaut und die letzten vierundzwanzig Stunden permanent über uns nachgedacht, darüber nachgedacht was ich dir sagen soll; und jetzt stehst du hier so unfassbar schön. Du siehst wundervoll aus, Kerry. Ich hab jedes Wort, das ich mir zurecht gelegt habe vergessen. Dabei wollte ich dir so viel sagen. Ich würde dir Liebeslieder schreiben wenn ich könnte. Und stattdessen stehe ich hier und breche dir ein drittes Mal das Herz."

Ich lächle traurig, sehe wie sich Tränen in ihren Augen sammeln und sich die Liebes meines Leben gegen den Schreibtisch des Pfarrers abstützt. „Jack, mach das nicht", bittet sie mich, aber ich reagiere nicht darauf.

„Die Menschen um mich herum sind auf irgendeine komische Weise glücklich geworden. Nur du hast keine Ruhe. Wegen mir. Du kannst nicht loslassen, weil ich nicht loslasse." Ich presse die Lippen aufeinander. „Ich will dass du glücklich bist, Kerry und mit mir wärst du nicht glücklich."

„Das ist doch Schwachsinn."

„Nein, es ist die Wahrheit. Bei uns war immer nur ich glücklich. Mein Strahlen hat deine Trauer überdeckt und ich hab das nicht gemerkt; es tut mir leid. Es tut mir leid, dass ich nicht genug Wert für dich haben kann."

„Jack."

Sie klingt ernst, steht mit einem Mal ganz nah vor mir, doch ich schüttle den Kopf. Ich weiß, dass ich Recht habe.

„Mit mir bist du nur kurz glücklich – nur in denen Momenten, wo ich dich nicht verletze. Aber ich werde dich immer verletzen, Kerry. Mit Ben hast du eine Zukunft; ihr heiratet, bekommt zusammen Kinder und werdet zusammen alt. Mit mir hast und wirst du das nie haben. Mit mir wirst du nicht gemeinsam alt werden, mit mir wirst du keine Familie gründen und mit mir wirst du nie glücklich werden. Und ich liebe dich so sehr, dass ich den Gedanken nicht ertrage, dass du nicht glücklich bist. Ich ertrage es nicht, dass ich dir nicht gut tun kann – so wie du mir guttust. Du bist eine unglaubliche Frau, Kerry Hilson und du verdienst es glücklich zu werden."

Ich lächle weiterhin bemüht aufmunternd. Es zieht so schrecklich in der Brust, es fühlt sich so leer an und es ist so ohrenbetäubend laut. Die Wahrheit ist schrecklich.

„Du gehst, oder?"

„Ja, und ich komme nicht zurück."

Ich weiß, dass es ihr gerade genauso geht wie mir.

„Küss mich, Jack", flüstert sie schließlich fast unhörbar. „Wenn ich das mache, dann werde ich alles vergessen was ich grade gesagt habe und doch einen auf Patrick.." Ich kann den Satz nicht zu Ende sprechen, denn schon hat Kerry ihre Lippen auf meine gedrückt. So beruhigend wie der erste Zug an einer Zigarette und gleichzeitig so schmerzhaft wie Kreischen der Realität. Es lässt vergessen und gleichzeitig ruft es alles noch einmal in Erinnerung. Das ist ein Gefühl. Das ist ein Abschied.

„Danke", haucht sie schließlich. Ich nicke, löse mich von ihr und gehe.

Verlasse wie Lucky Luke das gerettete Daisy Town.

Jack Carter Ist UnsterblichWhere stories live. Discover now