41. Sitzung

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Ich hasse es. Im Ernst. Ich hasse es so abgrundtief. Es ist wie verlieren oder aufgeben – kommt beides auf dasselbe hinaus. Und da kann die Wahrheit sein wie sie will – ich werde ganz bestimmt nicht zugeben, dass ich quasi durch Erpressung wieder auf diesem beschissenen Stuhl sitze und meine Psychiaterin mich keines Blickes würdigt. Das ist wie Nachsitzen, nur sieht man hier nicht gebannt auf die Uhr und fiebert mit, wie sich der Zeiger in Richtung Ende tickt.

„Schön, dass Sie hier sind, Jack."

Ach, halt doch die Klappe.

„Möchten Sie, dass wir uns unterhalten oder wollen Sie die nächsten fünfundvierzig Minuten schweigen? Dann kann ich währenddessen was anderes machen."

Das Hier ist Nachsitzen!

„Ich finde Unterhaltungen mit dir scheiße. Also; Schweigen."

Sie lächelt und notiert sich etwas.

Vor dem Ex-Supermodel türmt sich erneut ein Berg von Akten auf, den sie möglichst gelassen versucht nach irgendwelchen Richtlinien zu sortieren. Direkt vor ihr liegt allerdings ein weißes Blatt Papier, auf dem jetzt definitiv eine neue Notiz über mich steht. „Wie Sie wollen", antwortet sie monoton.

„So sieht wahre Begeisterung aus; genau so."

Freierfundene Euphorie.

Elisabeth rollt absichtlich auffällig mit den Augen, geht nicht weiter auf mich ein und widmet sich ihrem Papierstapel. Ich zieh währenddessen das HTC aus der Hosentasche und möchte eigentlich Candy Crush spielen. Entscheide mich dann lieber für Whatsapp. 37 neue Nachrichten – alle natürlich aus der Gruppe mit Titel 'Kiffer-Helden'. Der Name ist von Zac, obwohl man meinen könnte dass es aus meinem Hirn entsprungen ist.

Hauptsächlich Sprachnachrichten. Als hätte da niemand irgendwas zu tun. Kein Plan worum es geht, aber die Unterhaltung besteht hauptsächlich zwischen Zac und Danny, was zum einen völliger Schwachsinn ist – weil Zwillinge können Gedanken des anderen lesen. Und zum Anderen werde weder ich noch Johnny uns ihre Unterhaltung anhören. Obwohl es eventuell ganz lustig sein könnte.

Also raus aus Whatsapp und die Candy Crush-App starten.

Während ich mich erneut an Level 315 probiere fange ich an mit meiner Zunge Klack-Geräusche von sich zu geben. Es ist ja auch scheiße still hier.

„Können Sie das bitte lassen?", fragt Bloomfield nach zwei Minuten genervt. „Wieso denn so gereizt, Babe?", antworte ich grinsend. „Sie hielten Schweigen doch für besser? Wieso tun Sie das denn dann nicht?" Sie tut so als würde sie sich wieder in die Akten vor ihr vertiefen, allerdings kann ich genau sehen wie sich ihre rechte Hand bewegt – als würde sie sich etwas notieren.

Ich zucke mit den Schultern, stecke das Smartphone zurück in die Hosentasche und sehe sie gelangweilt an.

„Waren Sie schon mal auf einer Beerdigung, Lizzy?"

Elisabeth schüttelt den Kopf.

„Nein, wie ist das so?"

„Für einen durchschnittlichen Menschen bestimmt traurig, berührend und wichtig. Für einen Unsterblichen hingegen völliger Irrsinn. Und wäre Dad nicht so ein riesiges Arschloch gewesen, dann würde ich es sogar für respektlos gegenüber der Leiche halten."

Deswegen gehe ich auch in kein Altersheim. Was will man, ohne auch nur ein Hauch von Alterung dort? Außerdem riechen alte Menschen seltsam, wirklich seltsam und wenn man sie nackt sieht ist alles vorbei. Als ich klein war hab ich Nana mal nackt gesehen und wäre Grandpa laut ihrer eigenen Aussage nicht in Vietnam gestorben – nicht während dem Krieg oder was auch immer die da hatten. Nein, Grandpa ist da im Urlaub an einem Klebezettel erstickt. Na ja, auf jeden Fall hab ich im zarten Alter von Elf bereits gewusst wieso die beiden nie Sex hatten und deswegen meine Mutter adoptieren mussten. Ist klar, dass beim Anblick einer nackten Nana die kleinen Kaulquappen nicht mehr schwimmen wollten. Nach der Sache wollte ich übrigens bis ich dreizehn war nie wieder eine nackte Frau sehen. Pubertät ist schon eine lustige Sache. In einem Moment findet man es noch eklig und gruselt sich davor und im nächsten wartet man gespannt den Moment ab wo man drinstecken darf.

Jack Carter Ist UnsterblichWo Geschichten leben. Entdecke jetzt