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Noah:



Ich wollte kaum vom Dave ablassen, weil ich so froh war, dass er hier war und dass es ihm gut zu gehen schien.

Nachdem er mit uns zu Abend gegessen hatte, ging ich mit ihm raus in den Garten. Es war Frühling und gerade schön warm, die Tage wurden wieder länger, weshalb ich es wunderschön fand.

Außerdem mochte ich den Geruch gemischt mit dem vertrauten Zuhause von Dave.

Wir saßen eine Weile einfach still nebeneinander. Wir mussten nicht reden, um den anderen zu verstehen, das war schon immer so gewesen. Aber ich wusste, dass ich mit ihm reden musste. Diese eine Sache...

„Wie geht's dir?"

Es tat mir leid, da die Stimmung damit so einriss, das tat es wirklich.

Ich wollte, dass er glücklich war, aber nicht unter diesen Umständen und ich sah in seinem Blick, dass er es schon wieder getan hatte.

Er seufzte, sah an mir vorbei. „Weißt du, es... Es ist schwer. Aber ich schaukle das schon irgendwie"

Ich kämpfte gegen die Tränen an, nickte verstehend.

Ich hasste es, was aus ihm geworden war, aber es war besser als das Schicksal meiner Mutter. Nämlich gar keins.

Ich hatte so oft versucht, ihm zu helfen, doch er brauchte auch den Willen dazu und den hatte er nicht.

Das hatte alles mit dem Unfall angefangen. Er hatte damals ziemlich schwere Verletzungen am Bein gehabt und starke Schmerzmittel bekommen. Seitdem kam er nicht mehr davon los... Doch er nahm keine Schmerzmittel mehr. Er nannte es zwar so, doch das tat er nur, um sich besser zu fühlen.

„Und wie geht's dir? Du sieht so zufrieden aus." Er lächelte mich an.

Ich erwiderte es.

Bei Dave musste ich nicht lügen und bei Cameron wollte ich es nicht. Die zwei waren die einzigen, zu denen ich absolut ehrlich, aber sie waren ja auch meine Brüder. So eine Art davon...

„Es ging mir eine Weile lang richtig scheiße. Sehr lange sogar. Aber... Ich weiß nicht, ich glaube Cameron ist gar nicht so schlimm wie bisher angenommen"

Dave lachte leicht und legte sich im Gras nach hinten. Ich platzierte den Kopf auf seinem Bauch, tat es ihm gleich mit dem Hinlegen.

„Diesen Satz mal aus deinem Mund zu hören", lachte er.

Ich mochte es, wenn er lachte, doch leider war es nicht echt.

Nichts an ihm war das mehr. Weil er immer so drauf war, dass seine Drogen die ganze Stimmung beeinflussten.

Aber ich wollte das in den Hintergrund drängen. Ich hatte meinen Bruder echt vermisst. Und ich brauchte ihn, das merkte ich jetzt mehr denn je.

„Cameron schafft es irgendwie, dass ich mich nicht so verloren fühle, weißt du? Ich denke, er macht das nicht mal mit Absicht, aber... Manchmal bringt er mich zum Lachen"

Dave fuhr durch meine Haare. Das mochte ich, da konnte ich schnurren wie ein Kätzchen und meine Frisur war eh schon ruiniert, also scheiß drauf.

„Das freut mich, Noah, wirklich. Du hast es verdient, wieder glücklich zu werden" Dabei klang er irgendwie traurig.

Es brach mir das Herz. Ich rollte mich auf den Bauch und er stützte sich auf dem Ellbogen ab, sodass wir uns ansehen konnten.

„Du doch auch", hauchte ich.

Er schloss leidend die Augen, seufzte.

Als er sie wieder öffnete, streckte er die Hand aus und strich über meine Wange. „Ich habe mich mit meinem Schicksal abgefunden, Flitzer. Das solltest du auch"

Ich biss mir auf die Unterlippe, um den seelischen Schmerz durch den körperlichen zu verdrängen.

Ich hatte es so oft versucht, ihn von den Drogen loszubekommen, doch es einfach nicht geschafft.

Er nahm das alles so leicht hin, aber obwohl ich oft so tat, als würde ich damit klarkommen, war das Gegenteil der Fall.

Ich wollte doch nur, dass es ihm gut ging. Richtig gut und nicht gefaket durch Drogen.

„Ich kann das nicht", flüsterte ich, wich seinem Blick aus.

Ich hörte ihn seufzen, spürte, wie er seine Lippen auf meine Stirn drückte. „Ich glaube, ich sollte gehen.", meinte er. „Es tut mir leid, dass ich dich traurig gemacht habe. Das wollte ich nicht"

Es tat ihm echt leid, das hörte ich, das spürte ich, aber es änderte nichts.

Wir standen auf und ich brachte ihn zur Tür.

Auf dem Weg verabschiedete er sich von meiner "neuen" Familie.

Als er dann aus der Tür ging, drehte er sich nochmal zu mir um.

Er sah mich mit diesem einen bestimmten Blick an und ich wusste, was er wollte.

Ich hasste mich selbst dafür, aber ich sagte ihm, er solle hier warten, ging hoch in mein Zimmer.

Keine Minute später stand ich ihm wieder gegenüber und drückte ihm mein Geld in die Hand. Er nahm es ungern an sich, doch diese Lösung war besser als, dass er wieder straffällig wurde.

Ich war froh, als er es in der Hosentasche verstaute, sodass ich nicht mehr daran denken musste, dass er sich davon nur Drogen kaufen würde.

„Es tut mir leid, dass ich dich enttäusche, Noah. Das tut es echt. Aber ich..."

Ich unterbrach ihn, indem ich ihn fest umarmte. „Ist okay, Dave. Ich liebe dich trotzdem. Und wenn du irgendwann bereit bist, zu versuchen, dass es dir besser geht, dann werde ich für dich da sein."

...sowie du immer für mich da warst, setzte ich in Gedanken hinzu.

Ich spürte sein Nicken. „Ich liebe dich auch, Flitzer." Er küsste nochmals meine Stirn, lächelte mich mit glasigen Augen an und ging dann.

Ich stand einfach so da, sah ihm hinterher, bis er hinter der Ecke verschwand.

Dann starrte ich an die Ecke und hoffte, Dave würde wieder zurückkommen.

Nicht jetzt. Hauptsache überhaupt...


Das Herz meines Bruders (BoyxBoy)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt