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Cameron:

„Hei, Cammy. Aufstehen" Alecs Stimme klang fast schon liebevoll, als er mir über den Arm strich.

Ich machte die Augen auf, sah ihn an. „Er wird nicht da sein oder?"

Alec sah traurig aus, er schüttelte den Kopf. „Ich denke nicht"

Verstehend nickte ich.

Gestern, nachdem mein Dad mich rausgeworfen hatte, war ich zu Alec gelaufen.

Ich war irgendwie total ruhig gewesen, die gesamte Zeit über. Aber jetzt erinnerte ich mich eigentlich kaum mehr an etwas von dem, was zwischen meinem Rauswurf oder dem Klingeln an seiner Tür passiert war.

Ich wusste nur, dass sein Dad mir die Tür aufgemacht hat, ich freundlich nach Alec gefragt hatte.

Als mein bester Freund vor mir stand und mich fragte, warum ich um die Zeit vorbeischaute und was los war, brach ich einfach zusammen.

Er fing mich auf, schleppte meinen schluchzenden und bebenden Körper ins Haus und meine Tasche hinterher.

Er setzte mich auf die Treppen, kniete sich vor mich, versuchte mich zu beruhigen, aber ich konnte einfach nicht mehr aufhören zu weinen.

Bis dahin hatte ich stark sein müssen. Alles hatte abgeschalten und ich war nur noch im Überlebensmodus gewesen.

Aber nun, als ich in Sicherheit war, brachen all meine Emotionen aus mir heraus.

Alec begriff schnell, dass ich gerade weder sprechen konnte, noch richtig zuhören und nahm mich in den Arm.

Ich klammerte mich an ihm fest, dem einzigen Jungen, der wirklich wie ein Bruder für mich war und ließ alles raus.

Ich formulierte Sätze wie: „Er hat uns gesehen. Dad weiß es. Es ist alles vorbei. Ich kann nicht ohne hin" Und Alec wusste sofort, was passiert war, ohne, dass ich ihm die gesamte Geschichte auftischen musste.

Er brachte mich hoch in sein Zimmer, legte mich in sein Bett und ging wieder. Ich schluchtze sein Kissen voll.

Nach kurzer Zeit kam er wieder hoch und stellte einen Tee neben mir ab. Seine Mum war eine Art Hexe und zauberte immer irgendwelche Kräutermischungen zusammen. Das musste also eine Art Beruhigungstee sein.

Um ihn zu trinken, musste ich aufhören zu weinen, allein das half schon ziemlich. Als dann die Wirkung des Tees eintrat, konnte ich Alec im Detail erzählen, was vorgefallen war.

Es war das erste Mal, dass wir über meine Beziehung zu Noah sprachen, aber er war verständnisvoll, munterte mich auf, legte sich schließlich zu mir und ließ mich an seiner Brust ausheulen.

Er war irgendwann eingeschlafen, so um drei Uhr morgens, aber ich wurde weiterhin von meinen Gedanken wach gehalten.

Eine Hoffnung von mir war es, Noah in der Schule wiederzusehen, aber auch Alec war der Überzeugung, dass Dad das wohl nicht zulassen würde.

Trotzdem rappelte ich mich auf, um zur Schule gehen. Vielleicht würde da irgendwie doch alles gut werden. Aber da lag ich falsch. Noah war nicht da.

Die anderen, vor allem Sandy forderten eine Erklärung und ich Idiot fing einfach mitten auf dem Pausenhof an zu weinen.

Schneller als ich gucken konnte, befand ich mich in einer Gruppenumarmung aus meinen Freunden.

Jeder von ihnen wusste es, ohne, dass ich es einmal angesprochen hatte. Jeder von ihnen stand hinter mir. Und das veranlasste mich dazu, noch mehr zu weinen.

Wieso konnte mein Vater mich nicht so unterstützen wie sie? Wieso musste er alles kaputt machen?

Mein eigener Erzeuger hasste mich dafür, dass ich seinen Sohn liebte. Glaubte er denn, ich hatte mich selbst nicht lange genug dafür verabscheut.

Aber es kam noch schlimmer.

Am Nachmittag, als ich mit meinen Freuden bei Alec saß und wir besprachen, was wir tun konnten, um Noah und mich irgendwie wieder zusammen zu bekommen, klingelte es plötzlich sturm.

Ehe ich mich versah, stand mein Dad in Alecs Wohnzimmer, brüllte herum, dass wir ihm sagen sollten, wo Noah war und dass er mir die Polizei auf den Hals hetzen würde, wenn er nicht bald wieder auftauchte.

Das war mir alles egal.

Noah war verschwunden. Es war ihm zwar die letzte Zeit etwas besser gegangen, aber ich wusste, dass er in Ausnahmesituationen noch lange nicht zurechnungsfähig war.

Wo konnte er also sein?


Das Herz meines Bruders (BoyxBoy)Where stories live. Discover now