Flucht und böse Überraschungen

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Dann suchte ich mir den schnellsten Weg zwischen den Menschmassen hindurch und stieß die Tür zu einem angrenzenden Gang auf. Meine Füße trugen mich zielstrebig den breiten mit Säulen gesäumten Korridor entlang, hin zu einer kleinen Nische mit einer Steinbank. Mit letzter Kraft ließ ich mich auf diese sinken und vergrub mein Gesicht in den Händen. Alles an diesem Ort war einfach kräftezehrend; die vielen Menschen, die ganze aufgesetzte Höflichkeit und vor allem, meine kläglichen Versuche mich anzupassen. Weitere fünf Minuten vergingen, bis ich mir sicher war, mich selbst wieder unter Kontrolle zu haben. Ich stand auf und lief den Gang zurück, dieser kam mir auf einmal viel dunkler und unheimlicher vor, als bei meinem Hinweg. Naja, ehrlich gesagt, hatte ich dabei auch nicht wirklich darauf geachtet, wo ich hinlief.

„Hast du dich verlaufen?" Ich zuckte zusammen und wollte gerade schreien, als mich zwei Hände gegen die nächste Wand stießen und ich schmerzhaft mit dem Hinterkopf gegen die Marmorborte hinter mir schlug. Anstatt eines Schreis entfuhr mir ein gequältes Wimmern. Einige Sekunden verschwamm meine Sicht und ich blinzelte heftig, um erkennen zu können, was vor mir passierte. Eine Person stand nur einen Meter vor mir, durch die Dunkelheit konnte ich leider nur deren schemenhafte Umrisse erahnen.

Wer war das? Doch im nächsten Moment wünschte ich mir, ich hätte mich dies nicht gefragt. Die Person war an mich herangetreten und hatte mich erneut fest gegen die Wand gestoßen. Der Aufprall war nicht ganz so heftig wie zuvor, doch mein Kopf schmerzte und sank dann unkontrolliert nach vorn. Erneut schoben sich zwei Finger unter mein Kinn und hoben es an.

„Ich dachte, ich habe mich klar ausgedrückt."

„Ich-ich habe nichts getan", wimmerte ich und vermied es, den Prinzen anzusehen. Ein Schnauben war zu vernehmen und seine Hand schloss sich um meinen Hals.

„Du magst meinen Bruder täuschen können, doch mich nicht!"

Was passierte hier gerade? Wieso sollte ich ihn täuschen wollen? Ich begann zu zittern, doch ich wehrte mich nicht, gegen seinen festen Griff.

„Du bist wie all die anderen. Du~"

„Das reicht jetzt Minho!" Felix tiefe Stimme war auf einmal so kalt und herrisch, wie die seines Bruders. Er stand direkt hinter uns. „Lass Jisung augenblicklich los. Nichts, ich betone Nichts gibt dir das Recht dazu, ihn so zu behandeln. Lass deinen Frust an einem deiner billigen Mädchen raus und nicht am Sohn des Lords. Wir wollen keinen Skandal. Wir wollen Frieden."

Langsam wurde der Druck um meinen Hals schwächer, Minho löste seine Hand und öffnete und schloss sie mehrmals angespannt. Seine Augen bohrten sich in meine und ich glaubte, ganz kurz einen Anflug von Verbitterung erkennen zu können. Dann trat der Prinz zurück und ging, ohne uns noch eines Blickes zu würdigen. Nun, da mich das Adrenalin überrollte sackte ich einfach an der Wand zusammen.

„Oh Gott Jisung! Ist alles ok?" Felix zog mich an sich und suchte meinen Körper nach Verletzung ab. „Verdammt, ich hätte es wissen müssen", knurrte er und strich immer wieder beruhigend über meinen Arm. „Alles wird gut. Glaub mir, ich werde dich beschützen. Sowas wird nicht nochmal passieren." Ich zitterte immer noch, doch weinen konnte ich nicht. Der Schock, den ich gerade durchlebte lähmte mich.

Wir saßen bestimmt weitere zehn Minuten auf dem kalten Boden und Felix beruhigte mich.

„Wir sollten langsam zurück, sonst werden die Leute anfangen Fragen zu stellen. Das wäre wirklich ungünstig. Komm Jisung, ich bringe dich zu deinen Eltern. Ich denke, lange wird der Ball nicht mehr dauern."

Ich nickte nur und rappelte mich auf. Ich strich über meine Kleidung und folgte dem Prinzen und atmete tief durch.

„Wir können jetzt nicht zusammen da rein. Ich werde noch ein paar Minuten warten. Geh einfach zu deinen Eltern, sieh dich nicht um." Dann drückte mich der junge Prinz kurz an sich und schob mich durch die Tür.

Mit einigermaßen sicheren Schritten ging ich durch den Raum, scannte meine Umgebung nur in einem Radius, der die Empore auf jeden Fall ausschloss und erblickte meine Eltern zusammen mit Jeongin und Bang Chan. Ich beschleunigte meine Schritte und kam unbeschadet bei ihnen an.

„Ah Jisung, da bist du ja wieder. Wir wollen jetzt nach Hause. Es ist wirklich spät geworden und morgen ist schon der Soiree bei der Familie Wang. Also los." Meine Mutter bedeutete mir mit einem Winken ihr und Vater zu folgen. Fast schon dankbar nickte ich und blickte zu Jeonin, der immer noch wie eine kleine Klette an diesem Chan haftete. Mit großen Augen blickte er den Älteren an und lächelte selig.

„Dann sehen wir uns morgen wieder?"

„Natürlich Jeongin. Ich werde da sein."

Jeongin wandte sich nun endlich zu mir und legte seinen Kopf schief. Ich griff nach seiner Hand und zog ihn mit mir nach draußen, wo unsere Kutsche wartete. 

The Earl and the Prince | MinsungWo Geschichten leben. Entdecke jetzt