Die schlimmste aller Fragen

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Triggerwarning: explizite Erwähnung körperlicher und seelischer Gewalt, Blut

Es vergingen mehrere Stunden, in denen ich zwischen Verzweiflung und Tatendrang schwankte. Mir wollte einfach keine Lösung einfallen.

Eine Flucht schien ausgeschlossen. Der Raum, in dem ich mich befand, war wirklich ausbruchssicher. Denn ich trug nichts bei mir, mit dem ich ein Türschloss hätte öffnen können. Die Variante, meinen Entführer durch Bitten und Versprechungen zu erweichen und dazu zu bringen, mich freizulassen, ging gegen Null. Also was konnte ich machen, um meine Lage nicht mehr ganz so ausweglos erscheinen zu lassen?

Ich war beinahe krank vor Sorge um Minho und wollte mir gar nicht ausmalen, wie mein Prinz litt. Vermutlich glaube er, ich würde bereits gefoltert und gepeinigt werden. Zu gerne hätte ich ihn wissen lassen, dass es mir gut ging.

In Gedanken vertieft, trat ich ans Fenster und sah hinaus auf eine kahle, graue Wand. Meine Sicht wurde durch die Regenschleier noch weiter eingeschränkt. Der Himmel war tiefblau, fast schwarz und der heftige Regen, der bereits die Straße vor dem Haus in eine riesige Schlammpfütze verwandet hatte, wollte gar nicht mehr aufhören.

Was für ein toller Ausblick.

Die letzten Stunden hatte ich mir auch den Kopf darüber zerbrochen, wo ich wohl gefangen gehalten wurde. Doch leider lieferte mir die Aussicht auf graue Wände und ein paar schlicht gedeckte Dächer keinen Anhaltspunkt.

Plötzlich hörte ich, wie ein Schlüssel ins Schloss der Tür geschoben wurde und ich drehte mich um. Diesmal entschied ich mich gegen einen Angriff.

Yoon-woo trat durch die Tür, mit einem Krug Wasser in der Hand. Sein offenbar dauerhaft zu sehendes, unangenehmes Lächeln auf den Lippen.

„Wie schön, diesmal keine dummen Versuche, sich zu befreien. Jetzt habe ich extra mehr Zeit mitgebracht. Schließlich habe ich ein paar Fragen an dich. Setz dich."

Seine Aufforderung war klar und deutlich, seine Stimme duldete dabei keinen Widerspruch. Also lief ich hinüber zu einem der Stühle und zog ihn weiter nach hinten, um möglichst weit weg von ihm zu sitzen. Doch meine Bemühung war vergebens. Mit einem missbilligenden Zungenschnalzen und einem Kopfschütteln, stellte er seinen Stuhl direkt vor mich und ließ sich darauf sinken.

„Ich habe mich ja bereits vorgestellt, aber du warst ein wenig unhöflich. Du hast mir deinen Namen nicht genannt." Dann machte er eine wegwerfende Handbewegung. „Allerdings ist dies auch kaum nötig. Jeder in diesem Land kennt deinen Namen, seitdem du der Prinzgemahl bist Jisung." Irgendetwas daran, wie er meinen Namen aussprach, ließ mich zusammenzucken.

„Also Jisung, wir werden diese Fragerunde so einfach wie möglich halten, du beantwortest alle meine Fragen und zwar mit der Wahrheit. Solltest du dich weigern oder mich versuchen zu täuschen, werde ich dir sehr wehtun." Seine Augen funkelten bei seinen eigenen Worten und er beugte sich weiter nach vorn. „Hast du mich verstanden?"

Ich nickte lediglich und sah nicht zu ihm auf. In mir breitete sich wieder Angst aus.

Was war mit Jeongin? Hatte er ihn auch gefangen genommen? Ging es ihm gut? Doch ich wurde gleich wieder aus meinen Gedanken gerissen.

„Dann fangen wir doch mit einer einfachen Frage an. Wie lange kennst du Minho jetzt schon?"

„Wir haben uns vor zweieinhalb Monaten auf dem Eröffnungsball der Saison das erste Mal gesehen." Meine Antwort war ehrlich, da diese Information so gut wie keinen Nutzen für ihn hatte. Mein Gegenüber nickte.

„W-was hast du mit meinem Bruder gemacht? Hast-hast du ihn auch eingesperrt?", fragte ich leise und sah dabei auf meine Hände.

Ein belustigtes Schnauben war zu hören. „Dein Bruder hat seinen Zweck erfüllt und genau das getan, was ich von ihm erwartet habe. Und nein, ich habe ihn nicht mitgenommen. Warum sollte ich auch? Er war viel nützlicher für mich, indem er Minho von deiner Entführung berichtet."

The Earl and the Prince | MinsungWhere stories live. Discover now