Mit Schwert und Verstand

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Heute war Mittwoch, ein schöner, sonniger Mittwochnachmittag um genau zu sein. Wieder einmal saßen wir zu viert in Minhos Arbeitszimmer und überlegten uns eine Strategie, wie wir unseren Feind am einfachsten überlisten konnten. Seit Montag wogen wir das Für und Wider jedes einzelnen Vorschlags ab, doch waren bis jetzt zu keinem überzeugenden Ergebnis gekommen.

Für eine überraschende Festnahme hatten wir leider viel zu wenige Informationen. Geschweige denn, wussten wir, wo Yoon-woo sich gerade aufhielt. Wir wussten weder, wo er genau war, noch was er weiter geplant haben könnte.

Wir tappten mehr oder weniger im Dunkeln und mussten improvisieren oder uns einen sicheren Plan überlegen, um ihn entweder loszuwerden oder gefangen zunehmen.

Ehrlich gesagt, wusste ich nicht, welche Variante ich bevorzugte. Natürlich wollte ich nicht, dass ein Mensch starb, ganz unabhängig von seinen Taten. Doch das Verhalten von Minho und Felix ließ mich immer mehr zu dem Schluss kommen, dass der Tod unseres Feindes unsere einzige Chance sein könnte, lebend aus dieser Zwangslage herauszukommen.

Gerade saß Felix auf der gemütlichen, kleinen Couch und hielt Changbin mit den Armen umschlungen. Dieser saß entspannt vor dem blonden Prinzen und lehnte sich vertrauensvoll an dessen Brust.

Minho und ich hingegen, hatten es uns auf dem Sessel bequem gemacht, indem ich mich seitlich auf seinem Schoß platziert hatte. So konnte ich meine Arme um seinen Hals schlingen und mich an ihn kuscheln. Gerade strich ich, tief in Gedanken, durch seine dunkelbraunen Haare, bis Binnie zu Sprechen begann.

„Wie wäre es, wenn Jisung und ich die Lockvögel für unseren Plan spielen? Wir könnten eine Art Routine entwickeln. Wie zum Beispiel, dass wir ein oder zweimal pro Woche immer zu einer ähnlichen Zeit mit euch im Park unterwegs sind, einen Spazierritt oder etwas in der Art machen." Changbin hatte offensichtlich eine bereits gut durchdachte Idee. „Wenn ihr dabei seid, wäre es natürlich viel zu gefährlich uns anzugreifen, uns zu entführen, oder was auch immer, aber, wenn wir dann einmal nur zu zweit ausreiten, dann sieht das wie die perfekte Gelegenheit aus. Nur, dass es eben ein Hinterhalt ist. Wenn uns dein ehemals bester Freund unbedingt für seine Rache braucht, dann könnte er bei einer solchen Möglichkeit unvorsichtig werden. Es gibt sicher eine Strecke im Park, die nicht so gut einzusehen ist und womöglich sogar unwegsam. Wege, die bestens für einen Überfall geeignet sind."

„Du meinst, wir sollen es darauf ankommen lassen, dass er uns umbringen will? Meinst du, wir könnten uns beide wirklich lange genug gegen ihn verteidigen?." Ich versuchte mir die geplante Szene vorzustellen und erschauderte.

„Es wird zumindest so aussehen, als hätte er eine gute Chance, aber in Wirklichkeit werden uns unsere strahlenden Prinzen beschützen." Bei diesen Worten, drehte sich Binnie zu Felix um und grinste in seine Richtung. Der Blonde sah daraufhin ein wenig verwundert auf den Schwarzhaarigen herab, aber legte seine Arme dann fester um seinen Geliebten und küsste dessen Hals und war vermutlich äußerst stolz auf Changbins Einfall.

Minho beugte sich ein wenig vor, er schien die neue Möglichkeit abzuwägen und den Plan weiter auf seine Tauglichkeit zu prüfen.

„Du willst also einen doppelten Überfall auslösen? Keine so schlechte Idee. In dem Moment, wenn er euch beide gefangen nehmen will, ist er unachtsam, was bedeutet, wir könnten ihn und seine Komplizen überraschen." Er machte eine kurze Pause und sah dann ein wenig skeptisch zwischen den Anwesenden hin und her. „Aber... was ist mit dem Risiko, dass er euch als Geisel nimmt und uns trotzdem irgendwie entwischt?"

„Ich will mich zwar nicht zu weit aus dem Fenster lehnen, aber zu zweit sollte es Jisung und mir doch eigentlich gelingen, das zu verhindern. Es reicht ja schon, wenn wir Yoon-woo in Schach halten und du dich mit Felix um seine möglichen Komplizen kümmerst."

„Das ist durchaus eine Überlegung wert. Doch um das Risiko abzuwägen, werde ich wohl gegen euch kämpfen müssen."

„Bitte was?!"

Ich wandte mich etwas schockiert zu Minho um und sah ihn mit geweiteten Augen an. Er wollte was? Gegen Changbin und mich kämpfen? Wieso?

„Natürlich nur, um zu wissen, wie gut ich seid." Seine braunen Augen blickten beruhigen auf mich herab, dann schüttelte er ein wenig amüsiert den Kopf und drückte mir einen Kuss auf die Schläfe. „Ich würde dir nie wehtun Liebling. Dennoch muss ich wissen, wie gut du mit dem Schwert umgehen kannst. Ich muss wissen, ob wir dieses Risiko wirklich eingehen können."

„Das ist eine gute Idee", pflichtete Felix ihm bei. „Da du oft mit Yoon-woo trainiert hast, kannst du am besten einschätzen, ob die beiden ihm standhalten könnten."

Der Kronprinz nickte. „ Trotzdem habe ich meine Bedenken. Auch wenn sie nicht alleine sind, wird das kein einfaches Unterfangen. Woo war schon immer ein guter Kämpfer."

„Das weiß ich auch Min, aber das ist eine gute Chance und zur Not sind wir schnell bei ihnen und überlassen die restlichen Leute unseren Soldaten."

„Gut, dann werden wir jetzt eure Fähigkeiten austesten."

............................

Eine Viertelstunde später, stand ich in lockeren Trainingssachen in einem ziemlich großen und leeren Saal. Die Prinzen hatten entschieden, nicht draußen zu üben, da uns dort jemand beobachten konnte.

Minho und Felix hatten sich ebenfalls in eher schlichte Kleidung geworfen und standen uns tatsächlich mit Holzschwertern gegenüber.

Auch wenn ich Waffen im Allgemeinen nicht besonders leiden konnte, so fragte ich mich, warum wir mit Holzschwertern üben sollten. Weder waren diese schwer genug, noch vergleichbar mit echten Schwertern. Offenbar dachte Changbin genau das Gleiche.

„Warum nehmen wir Holzschwerter? Ist das nicht eher kontraproduktiv als Vorbereitung auf einen echten Kampf?"

„Zunächst testen wir damit nur eurer Geschick im Umgang mit der Waffe. Wenn wir beide davon überzeugt sind, dass ihr sie gut genug beherrscht, dann werden wir mit den echten Schwertern weitermachen." Minho drehte das Holzschwert geschickt einmal um sich selbst und deutete dann auf seinen Bruder und mich. „Felix, du trainierst mit Jisung." Dann richtete er das Holzschwert auf Binnie. „Und ich nehme mir deinen kleinen Zwerg vor." Ein süffisantes Grinsen war auf den Lippen meines Prinzen erschienen und er reichte Changbin eines der Schwerter.

„Dieser Zwerg wird dir gleich den Hintern versohlen", knurrte der Schwarzhaarige ungehalten und schwang das Übungsschwert in einer schnellen Drehung auf Minho zu. Dieser kicherte lediglich und wich geschickt aus.

„Das kann ja heiter werden." Felix hatte sich neben mich gestellt und reichte mir ebenfalls eines der Holzschwerter. „Ich weiß jetzt schon, wer heute Abend jammernd neben mir liegt und sich beschwert, dass er überall blaue Flecke hat." Kopfschüttelnd, aber durchaus belustig, beobachtete der Blonde das Schauspiel direkt vor unseren Augen.

„Meinst du wirklich, es wird so schlimm?" Ich konnte mir ein kurzes Kichern nicht verkneifen.

„Du solltest dir lieber um dich selbst Sorgen machen." Mit diesen Worten ließ Felix das Holzschwert auf mich zuschnellen und ich konnte mich gerade noch so nach hinten lehnen.

„Das war ja fies", schmollte ich. Allerdings blieb mir auch keine Zeit, mich weiter zu beschweren. Denn Felix begann, immer noch lächelnd wie ein Engel, mich anzugreifen. Geschickt wich ich seinen eleganten Stichen aus und versuchte, mich nicht von seiner so fröhlichen Miene ablenken zu lassen. Er war tatsächlich ein beeindruckender Gegner, auch wenn er dabei so aussah, als könnte er keinem Menschen Leid zufügen. Also schlummerte auch hinter Felix engelsgleicher Fassade ein kleiner Satan, der nur darauf wartete, ans Licht kommen zu dürfen.

Zunächst wich ich ihm fast immer aus oder konterte, wenn es keine andere Möglichkeit gab. So konnte ich meinen Gegner einschätzen lernen und konnte erkennen, welche Manöver er häufiger nutzte. Das Problem bei Felix war, dass er unglaublich flink und wendig war. Wenn er es auf einen abgesehen hatte, dann ließ er sich kaum abwehren und rückte einem solange zu Leibe, bis man sich automatisch verteidigte.

Also packte ich das Schwert fester und ging dazu über, den Blonden vor mir, nun ebenfalls zu attackieren.

Der Raum war gefüllt vom Geräusch aufeinandertreffenden Holzes. Immer wieder griff ich an und parierte. So lange, bis ich einen heftigen Aufprall und das Splittern von Holz hörte. 

The Earl and the Prince | MinsungWhere stories live. Discover now