Das Paradies und eine Rettung

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„Ah, da seid ihr ja endlich. Ich dachte schon, wir müssen jemanden losschicken, um euch zu holen." Der König lachte auf und sah uns der Reihe nach an.

„Heute werden wir die strenge Tischordnung mal ein bisschen durcheinanderbringen. Sanhyuk, du sitzt neben mir. Minho, du wirst dich um Jisung kümmern. Du Felix, widmest dich unserem unbekannten Gast, da du ihn bereits zu kennen scheinst. Jeongin, du hast dir deine Begleitung ja gleich mitgebracht, sehr gut. Fühlt euch herzlich willkommen."

Nach diesen Worten setzte sich alle an den Tisch. Na gut, ich setzte mich nicht, ich hockte mich auf die fordere Stuhlkante und rutschte so weit weg von Minho, wie es mir irgend möglich war.

„Greift zu. Ich habe neuen Tee geordert und was passt besser zu Earl Grey, als Scones. Aber für die ganz begeisterten Kuchenliebhaber unter euch habe ich natürlich noch etwas." Er klatschte in die Hände und ein Diener stellte eine verdeckte Platte auf den Tisch. Nun doch ein bisschen neugierig, lehnte ich mich nach vorn und wartete darauf, dass der Mann den Deckel anhob. Was ich dann erblickte, war pures Gold.

Ein kleines zufriedenes Quietschen entfuhr meinen Lippen und ich starrte auf den großen, runden Käsekuchen direkt vor meiner Nase. Ich war offiziell im Paradies!

Sofort reichte ich dem dienstbeflissenen Mann meinen Teller und sah zu, wie er eines der saftigen Stücken auf diesem drapierte.

Mein kleiner Bruder und Felix warfen mir amüsierte Blicke zu, als ich dem Diener den Teller so schnell wie möglich abnahm und meine Gabel in dem Kuchenstück versenkte.

Ich füllte meine Backen in Windeseile mit dem köstlichen Gebäck und mümmelte zufrieden. Die weiche, geschmeidige Füllung war perfekt, ebenso wie der leicht knusprige Rand.

Genießend hatte ich meine Augen halb geschlossen und verfolgte die Gespräche bei Tisch.

Viel zu schnell hatte ich mein erstes Stück Käsekuchen vernichtet. Doch mein fast flehender Blick ließ den Diener heraneilen und mir ein zweites Stück auflegen.

Ja. Genau so musste das Paradies sein. Käsekuchen ohne Ende.

Ich sah mich kurz zu den anderen um. Jeongin und Chan hatten sich ein Stück Kuchen geteilt und lächelte sich immer wieder an. Felix redete und Changbin hing wie gebannt an seinen Lippen. Kein Wunder bei dieser tiefen, ruhigen Stimme.

Mein Vater unterhielt sich ebenfalls blendend mit unserem König. Nur ich und Minho saßen schweigend nebeneinander. Der Prinz neben mir, hatte nichts von dem Gebäck angerührt, nur an seinem Tee nippte er ein oder zwei Mal.

Ich sollte definitiv nicht so auffällig zu ihm hinübersehen. Am Ende würde er dies wieder als Affront auffassen und mir Schmerzen zufügen wollen.

"Minho, Felix. Wie wäre es, wenn ihr unseren Gästen ein wenig die Ländereien zeigt? Zu Pferd seid ihr recht schnell am Fluss. Dann können sich die alten Herren noch eine Weile ungestört unterhalten."

Felix nickte in Richtung seines Vaters und stimmte dem Vorschlag zu. Auch der ältere Prinz neigte kurz den Kopf, um zu signalisieren, dass er verstanden hatte.

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"Na dann mal sehen, wer als erstes am Fluss ist." Wir alle waren bis gerade eben entspannt einen sandigen Weg entlang geritten, bis Felix sein Pferd in einen Trab fallen ließ und herausfordernd vor uns her tänzelte.

"Sind dabei!" Jeongin und Chan fassten die Zügel fester und warteten auf die Reaktionen der anderen. Sanft nickte ich und blickte zu Changbin. Auch er gab sein Einverständnis und lenkte seinen Friesen neben Felix Palomino.

"Als ob ihr mich schlagen könntet." Minho lachte kurz und als alle bereit waren, gab er seinem Pferd einfach die Zügel frei. Der schwarze Hengst sprang quasi aus dem Stand in den Galopp und setzte sich an die Spitze der kleinen Gruppe.

Schon jetzt sah es so aus, als würde er das Rennen gewinnen, aber so schnell würde ich mich nicht geschlagen geben. Meine Stute war zwar nicht so muskulös und wahrscheinlich auch nicht so schnell, wie sein schwarzer Araber, aber dafür war sie ausdauernder und wendiger. Tia, und sie war eine Stute.

Ich musste bei meinem geplanten Manöver grinsen. Langsam schloss ich zu unserem führenden Kronprinzen auf und ließ mein Pferd dicht neben seinem laufen. Der Hengst schien sich wirklich über seine hübsche Gesellschaft zu freuen und hob seinen Kopf höher, präsentierte sich geradezu. Allerdings hatte ich meinen Plan nicht zu Ende gedacht. Minhos Schwarzer wurde doch zu übermütig und stupste meiner Stute in die Flanke, was sie mit einem Buckeln und einem Satz in die Höhe quittierte.

Ach verdammt, das war wirklich dumm. Ich spürte, wie ich die Kontrolle verlor. Die Zügel glitten mir aus den Fingern und hatte mich schon damit abgefunden, gleich ziemlich hart auf dem Boden aufzuschlagen. Ich presste die Augen zusammen und spürte einen Ruck.

Doch ich fiel nicht. Es passierte gar nichts. Also öffnete ich meine Augen und versuchte zu verstehen, was geschehen war.

Erstens, ich saß nicht länger auf meinem Pferd, denn das hier war schwarz und nicht weiß. Zweitens, saß ich nicht richtig im Sattel, sondern viel zu weit vorn. Mit beiden Beine auf der rechten Seite und beinahe auf dem Hals der Tieres. Und schließlich drittens, zwei Arme waren fest um mich geschlungen und hielten mich genau an Ort und Stelle. Erst jetzt fühlte ich auch das schlagende Herz, das an meinen Rücken gedrückt war. Es schlug ein wenig zu schnell. Ich blinzelte und dann traf mich eine Erkenntnis, die mich schlagartig zum Erschaudern brachte.

Er hatte mich gerettet. Minho hatte mich ohne zu zögern aus dem Sattel zu sich gezogen. Er hatte mich vor einem wahrscheinlich ziemlich schmerzhaften,wenn nicht sogar gefährlichen Sturz bewahrt. Ich wandte meinen Kopf zu ihm und blickte in seine dunklen Augen. Für einen Moment war ich in diesem Anblick gefangen und lehnte mich gegen ihn. Mein Kopf fiel an seine Schulter und ich atmete heftig aus.

"Danke", hauchte ich an seinen Hals und schloss kurz die Augen, um mich wieder zu sammeln.

The Earl and the Prince | MinsungWhere stories live. Discover now