Schweigen oder Sprechen?

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Minho blickte Felix stumm in die Augen. Beinahe schien es so, als würden sie einen stillen Kampf austragen, der nur durch ihre Gedanken und Emotionen ausgefochten wurde. Dann unterbrach Minho den Blickkontakt und wandte sich ab. Er schob den Jüngeren von sich und öffnete eine hohe Tür, durch die er eintrat.

Ich zögerte einen Augenblick. Jeongin strich mir kurz über den Rücken und lächelte mir aufmunternd zu. Felix stand noch einige Sekunden vor der noch halboffenen Tür, schnaubte dann ungehalten und stürmte an uns vorbei, den Gang entlang.

Sollte ich Minho fragen, was da gerade passiert war? Sollte ich fragen, was Felix mit seinen Worten gemeint hatte? Ich war mir nicht sicher, ob das die Situation nicht nur noch unangenehmer und möglicherweise auch wieder schlimmer machen würde.

Entschlossen trat ich zur Tür und drehte mich nochmal zu meinem Bruder um, winkte ihm kurz zu und verschwand ebenfalls in Minhos Zimmer. Ich ließ die schwere Eichenholztür ins Schloss fallen. Neugierig blickte ich mich im Raum um. Die Wände waren mit einer purpurnen Tapete überzogen und diese wiederum zierten wunderschöne goldene Ornamente. Das Zimmer war schlicht eingerichtet, aber verdammt groß. Verdammt groß war auch das Bett, dass frei im Raum stand und einen seidenen Baldachin besaß.

Die Röte schoss mir ins Gesicht, als ich daran dachte, dass ich zusammen mit Minho in diesem Bett schlafen würde. Ich würde direkt neben dem hübschen Prinzen liegen.

So ein Mist, wie sollte ich da jemals schlafen können? Naja, zunächst einmal würden wir wohl kaum schlafen.

Ein wenig von meinen eigenen Gedanken verstört, rieb ich mir sanft mit dem Zeigefinger über die Schläfe und versuchte, nicht in Panik zu geraten. Mir war bewusst, was ich oder besser gesagt wir jetzt tun würden.

Minho stand ein wenig verloren vor dem großen Bett und schien vollkommen in Gedanken versunken. Der Raum war nicht besonders hell erleuchtet, dennoch erkannte ich im sanften, warmen Licht der Kerzen sein makelloses Profil und die erhabene Schönheit, die ich so bewunderte. Ich wagte mich einige Schritte auf ihn zu, wusste aber nicht, ob ich mit ihm sprechen sollte oder nicht. Leider lieferte auch mein Gehirn keine brauchbaren Sätze, die ich vielleicht verwenden könnte, um seine Aufmerksamkeit zu erlangen.

Ich stand nur noch wenige Meter von ihm entfernt und atmete tief durch. Tatsächlich wusste ich nicht, was ich jetzt tun sollte. Sollte ich stehen bleiben, bis er mich anweist zu ihm zu kommen? Sollte ich mich ausziehen und ihn machen lassen? Meine Unwissenheit ärgerte mich und ich beschloss, nicht einfach nur herumzustehen.

Mit Bedacht löste ich die feine, goldene Kette, die den Umhang gehalten hatte und ließ diesen zu Boden fallen. Ein leises Rascheln war zu hören, als der Mantel über meine Schultern, nach hinten rutschte und schlussendlich auf dem glatten Marmor in einem kleinen Bündel zu liegen kam. Zögernd platzierte ich meine Hände auf meinem Hemd und knöpfte es andächtig auf. Die kühle Luft traf auf meine Haut, als ich es zur Seite schob. Dann streifte ich es mir ab und wartete, ob etwas passieren würde. Ähnlich, wie den Umhang ließ ich es auf den Boden fallen und trat einen Schritt auf meinen Prinzen zu. Mir wurde immer wärmer und wahrscheinlich waren meine Wangen so rot, wie das viele Blut, was gerade durch meine Adern pumpte.

„Minho~", hauchte ich leise.

Ruckartig schnellte sein Kopf in die Höhe und er drehte sich zu mir um. Seine Augen weiteten sich und blickten auf meinen nackten Oberkörper. Für einige Sekunden schien er mit sich zu ringen, seine Augen wurden dunkler und er sog scharf die Luft ein. Dann wandte er seinen Kopf ab. Einige Male atmete er tief durch, so als müsse er sich selbst beruhigen und lief dann zur rechten Seite des Bettes.

Minuten schienen zu verstreichen, dann sprach er leise aber bestimmt: „Du wirst auf der anderen Seite schlafen."

Nun begann er ebenfalls, sich von seiner Kleidung zu befreien, ließ seinen samtenen Umhang einfach zu Boden fallen und streifte das weiße Hemd ab. Auch seine Hose folgte und schon schlüpfte er unter eine der Decken.

Ich fühlte, wie sich mein Körper erhitzte, als ich für einen Moment seinen durchtrainierten Körper fast gänzlich nackt bewundern konnte. Wie ferngesteuert lief ich zur anderen Seite und stand kurz unschlüssig davor. Schob dann meine Hose hinab und kroch schnell unter die Decke. Doch dann traf mich die Verwirrung.

Er wollte, dass ich auf dieser Seite blieb. Würde er nun trotzdem mit mir schlafen und mich dann einfach wieder ignorieren? Warum machte er nicht einmal Anstalten, zu mir herüberzukommen oder mir zumindest zu sagen, was ich tun sollte.

So lagen wir einfach schweigend da, bis ich es endlich nicht mehr aushielt und meinen Kopf zu ihm hinüberdrehte. Schemenhaft konnte ich sein Gesicht in der Dunkelheit erkennen.

„Minho, sollten wir nicht... naja du weißt schon." Ich fühlte die Hitze in meinem Körper aber versuchte möglichst ruhig zu bleiben.

„Ich werde dich nicht anfassen."

„A-aber, du... du und ich ...."

Ich wusste nicht, was ich sagen sollte. Meine Stimme hatte wirklich verzweifelt geklungen und ich versuchte, eine Regung auf seinen Gesichtszügen erahnen zu können.

„Ich werde dich nicht anfassen." Diesmal war seine Stimme wieder kühl und bestimmt.

Nun zog sich mein Herz ein wenig schmerzhaft zusammen und ich sagte gar nichts mehr. Ein ungutes Gefühl machte sich in mir breit.

Was würde jetzt weiter passieren? Wenn wir die Ehe nicht vollzogen, dann würden wir früher oder später gefragt werden, warum wir keine Kinder bekamen. Warum wir unserer Pflicht nicht nachkamen. Ich schluckte die aufsteigenden Tränen herunter und rollte mich zu einer kleinen Kugel zusammen.

Wie lange werde ich das noch ertragen können? 

The Earl and the Prince | MinsungWhere stories live. Discover now