Bluteid

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Claire ( POV )

Ich beachte Gwen und das Geschehen nur wenig. Meine Augen gleiten durch die Umgebung und suchen nach ihren Freunden. Allerdings sitzen sie nicht in der ersten Reihe, weshalb ich mich in das Dickicht hinter mir dränge. Lautlos sprinte ich durch das Unterholz und schaue immer mal wieder zu dem Geschehen am Garm – Tor. Loki hält mittlerweile die Kerze in der Hand und lacht in einer Tour. Gwen starrt angestrengt auf die Kerze von Sol und scheint konzentriert. Ich verlangsame meine Schritte. Suchend blicke ich mich um.

Mein Blick bleibt an pinken Funken hängen. Ich drücke mich an einen nahestehenden Baumstamm und versuche, den Ursprung der pinken Funken auszumachen. Schließlich entdecke ich Daphne in einem Baum hocken. Den Bogen von Sigyn hält sie gespannt und ist ganz konzentriert auf den Vorgang. Einige Bäume weiter hockt Olli, ebenfalls mit gespanntem Bogen. Ich blicke mich weiter um. Über mir knackt ein Zweig. Mein Kopf ruckt nach oben. Über mir hockt Will, in dem Baum, dessen Stamm ich umklammer. Aber auch er ist ganz konzentrier auf Gwen und Loki. Mein Herz zieht sich zusammen und Tränen steigen in meine Augen. Ich blinzel sie weg. Das kann ich jetzt gar nicht gebrauchen. Meine Gefühle sperre ich in einen Käfig aus Eis, damit sie mich nicht weiter stören. Das konnte ich schon immer perfekt. Ich kontrolliere meinen Atem. Loki lachte jetzt nicht mehr – er schreit vor Schmerzen. Gwen stieß ein „Jetzt!" aus. Aber anscheinend hören ihre Freunde das nicht. Aber ich höre es. Und ich verlasse mein Versteck unter Will. Blitzschnell verlasse ich das Unterholz. Die Pfeile, die mir nachjagen, treffen mich nicht. Mein Vater liegt am Boden. Ich laufe zu ihm, beachte den Kampf um mich herum überhaupt nicht. „Dad? Was hast du?“ Ich lege ihm eine Hand auf den Arm und versuche, mit ihm über unsere Gedankenschiene zu sprechen. Aber reagiert einfach nicht. Er umklammert die Kerze und lässt nicht mehr los.

„Dad! Lass die Kerze los!“, schreie ich telepathisch an. Er nimmt mich nicht wahr.

Vivian brüllt etwas davon, dass Gwen die Kerze manipuliert hat. Agrona kniet sich zu mir und versucht ihm das Wachs zu entreißen. Aber er umklammert sie wie einen Rettungsring.

„Beschütze ihn, Agrona! Ich werde ihm die Kerze schon wegnehmen. „Sie sieht mich zweifelnd an und bewegt sich kein Stück fort. Ich sehe sie unbeirrt an. „Mach schon! Im Unterholz sind Daphne, Olli und Will. Jetzt hau schon ab und kämpf! Oder ich erzähl Loki, dass du feige warst!“

Agrona weitet kurz panisch die Augen, dann wirbelt sie herum und versucht, Geraldine zu töten. Ich wende mich wieder meinem Vater zu. „Dad, bitte! Du musst diese Kerze loslassen. Sie bringt dich um, merkst du das nicht? Gwen hat sie manipuliert. Bitte, du darfst nicht aufgeben. Du bist so kurz vor deinem Ziel! Lass los. Mach schon!“ Wäre meine Stimme in seinem Kopf für alle hörbar, dann würde jetzt Stillschweigen herrschen: Ich habe sie laut und voller Kraft geschrien, dann Loki kurz zusammengezuckt ist.

„Ich…kann…nicht…muss…stärker…werden!“ Er keucht.

„Du stirbst, verdammt! Meinst du, dass ertrage ich?“

„Das musst du, wenn es dazu kommt.“ Er klingt fester. Aber seine Stimme in meinem Kopf ist deutlich geschwächt.

„Ich kann nicht.“ Tränen laufen über mein Gesicht.

Vivian wird es auch können. Alle Schnitter werden es schaffen. Du auch.“

„Vivian, Vivian, Vivian! Ist dir dieses Mädchen wichtiger als ich? ICH bin deine Tochter, nicht SIE!“

„Vivian ist mein Champion.“

„Und ich hätte große Lust, sie umzubringen.“

„Das wirst du nicht tun, Fräulein! Vivian ist verdammt wichtig für mich. Das weißt du.“

Unsere Stimme haben sich bis hier her mit Wut aufgeladen. Aber die letzten Worte meines Vaters haben etwas zerbrochen, das längst eingerissen war. Ich weiß nicht, was es ist, aber es tut unglaublich weh. Meine Stimme ist jetzt nur noch ein Flüstern. „Ist sie für dich wichtiger als ich?“

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