Lovestory

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Claire ( PoV )

Dessy fliegt ruhig und ebenmäßig. Seine Flügelschläge sind kräftig. Er ist schnell. Will hält sich locker an mir fest, während ich versuche, den schwarzen Rock zu lenken.
Er spricht nicht. Ich schätze, er denkt über Vivian's Worte nach. Es muss ziemlich überraschend für ihn gewesen sein. Die Liebe eines Halbblutes zu sein, das ist für alle schwierig. Für beide Seiten. Denn wer versichert mir, dass Will immer bei mir bleibt? Und wie kann er damit leben, dass meine Existenz von ihm abhängt?
Ich will nichts lieber als mich jetzt an ihn zu lehnen, die Augen zu schließen und zu wissen, dass Will zu mir gehört. Aber das tut er nicht und angesichts der Umstände ist mein Wunsch total surreal. Das wird nicht passieren.

"Claire?", kommt es auf einmal von hinter mir.
"Ja?", gebe ich unsicher zurück.
"Was Vivian gesagt hat... Ist das wahr?"
"Jedes Wort." Mein Blick ist sturr geradeaus gerichtet. Ich kann seine Tonlage nicht ganz einordnen. Aber das liegt vielleicht auch daran, dass die Umstände ziemlich kompliziert sind.
Ich spüre, wie seine Arme mich fester umschlingen. "Und das vor deinem Abschied?", fragt er leise. Ich würde behaupten, dass er unsicher ist. Aber hundertprozentig kann ich mich da nicht drauf verlassen.
"Ich kann nicht lügen", antworte ich nur.
Will schweigt für den Rest des Weges. Es ist irgendwie unangenehm, aber er braucht die Zeit, um das alles zu verarbeiten.

Nur Minuten später sind wir am Haupttor der Mythos Akademie. Dessy stößt seinen Schrei aus und setzt zur Landung an. Ich erkenne Brian und Olli, die sich gerade aus einem Kuss lösen.

Immerhin einer von uns, was Brian? Aber du hattest sowieso immer mehr Glück als ich. Das wird sich wohl auch nie ändern.

Gwen steht bei Daphne, Carson und Geraldine. Sie alle starren in den Himmel. Mein schwarzer Rock landet sanft und geräuschelos.
Ich suche Gwen's Blick. Sie hält ihn fest. "Ich, Claire Blackbird, Tochter des Loki und der Irene, bringe dir, Gwendolyn Frost, Tochter des Tyr und der Grace, Will Sailer, den einzigen Geliebten meines Lebens. Der Eid wurde nicht gebrochen, es wird kein Blut vergossen. Die Schlangen des ewig unvollständigen Kreises verlieren Bedeutung, der Schwur ist erfüllt. So war es und so sei es!" Mit meinem letzten Wort verwandelt sich das Armband um Gwen's Handgelenk wieder in Blut. Es wirbelt kurz um mich herum, dann verbreitet es sich nach und nach in der Luft.

Olli starrt mich etwas verwirrt an, während Brian nur versonnen lächelt. Er liebt diese Riten und ihre magischen Worte. Gwen schaut ernst in meine Augen, als suche sie nach etwas. Daphne wirft mir nur feindseilige Blicke zu, während ihr Freund Will von Desperatus herunterhilft. Geraldine sieht mich mit leerem Blick an. Dann nickt sie kaum merklich und verschwindet ohne ein weiteres Wort.
Ich starre Brian kurz sehnüchtig an, dann bereite ich mich zum Abflug vor. "Wir sehen uns bestimmt nochmal wieder", sage ich traurig.
"Nur leider auf unterschiedlichen Seiten!", meint Daphne kalt.
Ich nicke. "Wahrscheinlich. Es tut mir leid. Komm, Dessy, fliegen wir."
Wir sind schon fast in der Luft, da hält Will mich zurück. "Warte!"
Ich sehe ihn traurig an. "Mach es nicht noch schmerzhafter."
Er ignoriert meine Aussage. "Ich will nur kurz noch mit dir reden. Bitte." Flehend sieht er mich an.
"Ich kann hier nicht reden. Die Gefahr, dass sie mich finden, ist zu groß. Ich muss zurück." Ich hasse es, ihn von mir zu stoßen. Eigentlich will ich nichts lieber, als ihn festzuhalten und nie wieder loszulassen. Aber das ging nicht.
"Ich decke dich", sagt Brian. Mein Bruder hat schon immer gemerkt, wenn ich etwas sage, dass ich gar nicht will. Und normalerweise hilft er mir - wie jetzt.

Dankbar sehe ich ihn an. Dann nicke ich. Brian lächelt. Ich gleite von Desperatus herunter und lande sanft auf dem Boden. Brian zwinkert mir noch kurz zu, dann zieht er Olli mit sich in die Akademie. Gwen und ihre Grandma folgen ihnen, wobei Gwen mir einen letztes Blick zuwirft. Daphne stapft mit Carson an der Hand an mir vorbei ohne mich anzusehen.

Dann bin ich mit Wil alleine. Okay, nicht ganz, Desperatus steht noch hier. Mit einem Seufzen, dass sich eher nach einem krächzendem Heulen anhört, legt er sich hin, schließt die Augen und döst. Das kann er immer. Es ist wirklich beneidenswert. Ich wende mich Will zu. Seine braunen Augen fixieren mich. Er überragt mich mindestens eineinhalb Köpfe. Nur ganz schwach spüre ich die von ihm ausgehende Wärme. Es ist, als wäre sie ganz nah und dennoch unerreichbar für mich.

Will beginnt zu reden. "Claire, ich..." Er stockt. "Warum hälst du zu ihm?"
Es ist klar, dass er Loki meint. Ich zucke die Schultern. "Er ist immerhin mein Vater."
Will sieht mir direkt in die Augen. Ich kann den Ausdruck nicht so ganz deuten. Es scheint Mitleid, Wut und vielleicht auch Liebe zu sein. Aber das sind so grundverschiedene Emotionen, dass ich sie niemals in denselben Augen sehen kann. „Er ist böse."
Diese Worte sind schlicht und die nackte Wahrheit. Unwillkürlich zucke ich zusammen. Klar, ich weiß, dass mein Vater nicht der beste ist. Aber das zu hören bricht jeder Tochter das Herz. Ich will mich dafür hassen, Loki in Schutz zu nehmen, aber irgendwie klappt das nicht. „Ich weiß", seufze ich.
Will sieht mich nur an. Seine Augen ziehen mich dermaßen in den Bann, dass ich kaum klar denken kann. Er scheint nach etwas zu suchen und ich hoffe, er findet es. Denn ich habe schon lange aufgehört, bei mir nach irgendwas zu suchen. Ich lebe einfach, denke nicht nach und sage, was mir gefällt. Will überbrückt die Schritte, die uns trennen in weniger als einer Sekunde. Seine Augen forschen weiterhin in meinen nach einer Antwort auf eine unbekannte Frage. Es ist mir egal, was er sucht.
„Sie waren doch rot...", murmelt er. Okay, es ist mir doch nicht egal.
Ich seufze innerlich, dann schließe ich die Augen. Sobald ich sie wieder öffne sind sie schnitterrot. Wie mit Blut getränkt und abscheulich.
Will reißt die Augen auf. „Fühlst du dich jetzt... anders?", fragt er.
Ich lege den Kopf schief. „Anders'?", hacke ich nach.
„Naja, wie ein Schnitter halt. Gierig nach Rache, voll der Loki-Anhänger, sowas."
Ich lache. „Beim Chaos, definitiv nicht, nein! Ich bin doch immer noch ich, egal welche Augenfarbe ich besitze."

Kaum verlassen diese Worte meinen Mund, spüre ich weiche Lippen auf den meinen. Hände halten mein Gesicht wie einen kostbaren Diamanten. Überrascht reiße ich die Augen auf, werde aber schon kurze Zeit später von meinen Gefühlen überrollt. Ich schließe die Augen, schlinge meine Arme um Will's Schultern und presse mich an ihn. Meine rechte Hand sucht Halt in seinem schokobraunen Haar und wühlt darin herum; meine linke streicht zart über seine Wangen. Ich lächel in den Kuss hinein. Will lässt seine Hände meine Seite hinunter wandern und lässt sie schlussendlich auf meiner Hüfte liegen. Seine Hände sind so groß, dass mein Körper mir zierlich erscheint - obwohl er das ja nicht wirklich ist.
Er zieht mich näher. Sein Geruch lullt mich ein und seine Wärme umhüllt mich wie ein schützender Mantel. Er hält mich von der Realität fern. Jetzt gibt es nur Will und mich, keinen Loki, keine Schnitter, kein Krieg, keine Feindschaft.
Nur Will, ich und unsere Liebe zueinander. Ich fühle mich wie weit entfernt von der Realität. Es scheint ein Traum zu sein. Aber allein, weil Will sich gegen meine Lippen bewegt und ich die pulsierende Leidenschaft spüren kann, muss das alles real sein. Ein Traum ist niemals so intensiv.

incredibleHikayelerin yaşadığı yer. Şimdi keşfedin