Erfundene Vergangenheit?

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Wie soll ich denn jemanden finden in einer Schule wie dieser? Ich will ja wirklich mit Logan reden, aber ich suche seit gefühlten Stunden und habe überhaupt kein Plan, wo ich bin und was das hier alles für Räume sind. Ich sag doch, Schilder und ein Übersichtsplan wären für orientierungslose Leute wie mich echt nützlich. Aber wem soll ich das denn bitte erklären? Es gibt hier ja keinen, der sich für neue Schüler wie mich interessiert. Auch egal, dann irre ich eben umher. Solange ich rechtzeitig überall bin, passiert ja nichts. Also renne ich planlos durch die Gegend und hoffe, durch Zufall auf Logan zu treffen. Und entweder die Glücksgöttin hat heute einen guten Tag oder Logan will auch was von mir. Denn urplötzlich sehe ich ihn auf einer Bank herumsitzen. Das Problem dabei ist nur, dass Will anscheinend gerade mit ihm über seine Entscheidung redet. Gerade schweigen sie. Ich nutze die Gelegenheit und eile herüber. Zu spät fällt mir ein, dass ich gar nicht weiß, wie ich Will behandeln soll. Aber jetzt gibt es kein Zurück mehr.
„Och nee, was willst du denn jetzt!“ Logan verzieht genervt das Gesicht, als er mich sieht.
„Hallo, Logan, ja es freut mich auch dich zu sehen. Wie geht es dir?“, begrüße ich den Spartaner übertrieben freundlich.
„Nerv nicht, zieh Leine.“
„Ich werde nicht abhauen, da wir zwei was zu besprechen haben, Spartaner.“
„Worüber sollte ich mit dir sprechen wollen?“ Logan verschränkt die Arme vor der Brust und sieht mich mit gerunzelter Stirn an. Und er ist verdammt heiß dabei.
„Das wirst du schon rauskriegen. Also, hast du Zeit oder nicht?“
Logan wirft Will einen Blick zu. „Ich hab keine Zeit. Tut mir leid, Bitch, aber ich rede gerade mit meinem besten Freund über Probleme. Das verstehst du doch sicher.“
„Oh, natürlich verstehe ich das. Aber glaub mir, dein bester Freund wird weniger Probleme haben, nachdem wir miteinander gesprochen haben. Und jetzt komm!“ Ich drehe ihm den Rücken zu und gehe, in der Hoffnung, dass Logan mir folgt. Ich könnte schwören, dass Logan Will sowas wie „Wir sprechen uns später!“ zu zischt, aber sicher bin ich mir nicht. Jedenfalls bleibe ich erst wieder stehen, als ich einen abgelegenen Winkel der Schule erreiche, wo uns niemand so schnell stören wird. Dann drehe ich mich um und verschränke die Arme vor der Brust. Logan kommt vor mir zum Stehen und ahmt meine Pose nach. Nur das er mir trotzig in die Augen schaut.
„Also, was gibt’s?“
„Du hasst mich.“
„Das ist keine Frage.“
„Nein. Aber es stimmt.“
„Natürlich.“
„Warum?“
Logan lacht bitter auf. „Das weißt du nicht? Du solltest es wissen, Claire. Denn es ist echt hart, dass du deine Vergangenheit anscheinend nicht kennst.“
„Wie bitte?! Was soll ich dir denn getan haben? Ich kenne dich doch nicht einmal.“ Langsam werde ich wütend. Was bildet er sich ein!?!
„Nein, kennen tu ich dich auch nicht. Aber ich weiß mehr, als du denkst.“ Seine Stimme hat einen drohenden Unterton.
„Was glaubst du denn zu wissen?“ Ich sehe ihn überheblich an.
„Tu nicht so arrogant. Du warst doch dabei, als sie meine Mutter und meine Schwester umgebracht haben. Du hast mich doch gesucht. Elender Schnitter!“ Das letzte schrie er fast. Tränen bildeten sich in seinen Augen.
„Ich bin kein Schnitter! Und ich habe keine Ahnung, wovon du sprichst.“ Meine Stimme ist eiskalt.
„Ach nein?! Und warum hasst Nike dich sonst? Weil du auf Loki’s Seite stehst, deshalb.“ Logan sagt es hart und sein Gesicht ist ohne jede Regung.
„Nike hasst meinen Vater. Sie hasst unsere ganze Familie. Aber das heißt doch nicht, dass ich was mit Loki zu tun habe.“ Es ist seltsam, Loki nicht direkt als meinen Vater zu bezeichnen. Das hat etwas von Verleumdung. Aber wenn man genau hinhört, verleumde ich ja nichts. Denn nur weil Nike meine Familie hasst, muss ja nicht gleich Loki’s Familie gemeint sein.
„Du lügst doch wie gedruckt.“
Ich schüttel traurig den Kopf. „Warum begreift niemand, dass Nike mir wirklich das Lügen entzogen hat?! Ich kann doch nichts daran ändern, dass sie nicht immer die Gute ist, die alle sehen. Logan, glaub mir wenigstens das! Bitte!“
„Wie kann ich jemanden vertrauen, der meine Familie zerstören wollte.“
„Ich habe keine Ahnung, wovon du sprichst. Wirklich nicht! Wie soll ich dir das denn beweisen?“
„Das kannst du nicht. Erst wenn du Gwen das sehen lässt! Dann kann sie das mir zeigen. Dann glaube ich dir. Aber solange werde ich dich verurteilen!“
„Okay, wir fragen Gwen, ob sie das macht. Aber dann legst du deinen Hass mir gegenüber ab.“
„Ich versuch’s.“ Logan zuckt die Schultern und wendet sich zum Gehen.
„Eine Sache noch!“
„Was denn?“ Logan dreht sich genervt wieder um.
„Es geht um Will.“
„Was hat mein bester Freund denn jetzt damit zu tun?“
„Er hat nicht direkt was damit zu tun. Obwohl vielleicht doch.“
„Komm zum Punkt, Claire.“
„Warum muss er sich zwischen dir und mir entscheiden?“
„Du bist ein Schnitter für mich. Und ich hasse Schnitter. Wenn er sich für dich entscheidet wechselt er die Seite. Wenn er es nicht tut, dann ist ein ehrlicher Freund. Sieh es als Test an.“
„Das ist doch erbärmlich! Warum kann Will nicht lieben wen er will?!“
„Kann er ja, aber bei bestimmten Leuten habe ich kein Verständnis, Halbblut.“
„Dann lass ihn Zeit mit der Entscheidung, bis wir bei Gwen waren. Und wenn sich herausstellt, dass du falsch lagst, dann lässt du ihn komplett damit in Ruhe.“
„Das ist meine Sache, Claire. Ich will wissen, wie er sich im Ernstfall entscheiden würde.“ Und dann dreht Logan sich um und geht.
Verwirrt setze ich mich hin und denke laut nach. „Ich soll also dabei gewesen sein, als Logan seine Mutter und seine Schwester verloren hat. Anscheinend gab es einen Kampf zwischen ihnen und ein paar Schnittern. Aber wenn ich geholfen hätte, wieso weiß ich davon nichts mehr? Hat jemand meine Erinnerung verschwinden lassen? Oder hat Logan sich das ausgedacht? Verdammte Scheiße, das darf nicht wahr sein! Irgendein Vollidiot muss mein Gehirn manipuliert haben! Ich weiß, dass da mehr ist! Und das kann ich gerade gar nicht gebrauchen! Hast du damit was zu tun, Dad? Weißt du mehr als ich? Wenn das so ist, dann kann ich nur eines sagen. Fick dich, Dad!“

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