𝚔𝚊𝚙𝚒𝚝𝚎𝚕 5.1

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7. März, 12:24 Uhr, Crystal Shot, Halcolne

„Crystal Shot? Von dem Laden hab ich ja noch nie gehört." Kilian rümpfte die Nase und sah kritisch das Gebäude an, vor dem er und Maeve angehalten hatten.

„Liegt bestimmt daran, dass die Bar eher für junge Leute ausgerichtet ist." Sie erlaubte sich ein schelmisches Grinsen zur Entschuldigung. „Nichts für ungut, aber einen Vater in seinen Mittvierzigern erwartet man dort nicht."

Sie ließ ihn beleidigt stehen und begann, die Treppen zu erklimmen. „Aber... Aber heißt das, dass du schonmal hier warst, Maeve?"

„Nein, das hab ich nicht behauptet. Komm, gehen wir rein."

Gemeinsam öffneten sie die massive Holztür und betraten einen abgedunkelten Raum. Das erklärte zumindest, weshalb kaum Fenster von außen zu sehen gewesen waren. Vor denen, die erkennbar waren, waren die Gardinen zugezogen, um kein Licht hineinzulassen.

Stattdessen war der Raum von Neonlichtern in verschiedenenen Nuancen erhellt. Hier und da flitzte ein Lichtstrahl vorbei, doch Kilian musste trotzdem arg aufpassen, nicht plötzlich zu stolpern und sich vor Maeve lächerlich zu machen.

Bevor beide die Möglichkeit hatten, sich weiter ungefragt umzusehen, ertönte eine aufgeregte Stimme, die weder Kilian noch Maeve verorten konnten. „Entschuldigung? Was machen Sie hier? Wir haben noch geschlossen."

Geschlossen und die Tür offen lassen. Für Kilian ein Widerspruch. Einen Widerspruch, den er heute ausnahmsweise ignorierte.

Hinter dem riesigen Tresen, auf dessen Regalen zahlreiche alkoholische Getränke aufgebaut waren, kam nun der Urheber der Stimme zum Vorschein. Ein junger Mann, nicht älter als 25, der groß, gutaussehend und für einen einfachen Kellner viel zu gut gekleidet war.

„Entschuldigen Sie, aber unsere Ermittlungen haben nicht geschlossen", sagte Maeve ohne mit der Wimper zu zucken und blickte den Mann an, der plötzlich hörbar schluckte und die Sprache verloren zu haben schien.

„Mein Name ist Kilian Colebrook und ich bin Kriminalkommissar hier in Halcolne. Und das neben mir ist meine Assistentin Maeve Lynch. Wer sind Sie, wenn ich mir die Frage erlauben darf?"

Sein Gesicht erstarrte allein bei dem Wort ‚Kriminalkommissar'. Die kantigen Züge wurden noch rauer und nervös fasste er sich durch seinen perfekt gerichteten Dreitagebart. „Ähh Jasper."

„Jasper...?", hakte Maeve nach, die bereits provisorisch ihr Buch zum Mitschreiben gezückt hatte.

„Naja... Jasper eben."

„Und wie geht Ihr Name weiter?", weitete Kilian die Frage aus. Ihn beschlich der böse Verdacht, dass sie schon längst den vor sich hatten, wegen dem sie überhaupt hierher gefahren waren.

„Jasper... Wright." Es war nur ein Hauch, den seine Lippen nach außen abgaben. Mit Beamten hatte der Mann bisher nicht die beste Erfahrung gemacht. Zumindest floh er nicht. Oder versuchte es. Denn solche Versuche endeten nie gut. Maeve war trainierte Sportlerin und Kilian war nicht besonders langsam. Genau das schien Jasper Wright auch bewusst zu werden, denn er rührte sich keinen einzigen Zentimeter und starrte ein wenig beschämt zu Boden. Wahrscheinlich hatte er noch mehr ausgefressen als eine potenzielle Mitschuld am Fall ‚Alice Mayberry'.

„Alles klar, Sie sind der, den wir suchen. Wären Sie bereit, uns ein paar Fragen zu beantworten?", fragte Kilian und versuchte, nicht herrisch oder aufdringlich zu klingen. Wenn er wollte, dass sein Gegenüber mit ihm kooperierte, musste er zunächst freundlich bleiben.

„Natürlich bin ich das. Aber was haben wir denn so Schlimmes gemacht, dass sogar die Kriminalpolizei hier aufkreuzt?", fragte er und wagte es erstmalig wieder, seinen Kopf anzuheben und Kilian und Maeve direkt anzuschauen.

____𝚗𝚎𝚞𝚗𝚞𝚑𝚛𝚣𝚠𝚊𝚗𝚣𝚒𝚐.Where stories live. Discover now