𝚔𝚊𝚙𝚒𝚝𝚎𝚕 6.1

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7. März 13:15 Uhr, Zentrales Krankenhaus, Intensivstation, Halcolne

„Und Sie denken wirklich, dass Sie die Patientin unbedingt heute vernehmen müssen?" Die kleine rundliche Schwester meckerte schon seit Kilian und Maeve das Krankenhaus betreten und sich mitsamt ihrem Beruf vorgestellt hatten. Seitdem liefen sie durch endlos weiße und unnötig hell beleuchtete Korridore auf dem Weg zur Intensivstation.

„Ja, das denken wir. Aus dem einfachen Grund, dass der Vorfall noch klar in ihrem Gedächtnis zu finden sein wird, wenn sie erst vor einem Tag aufgewacht ist. Solche... Menschen neigen oft dazu, Sachen zu vergessen. Vor allem wenn sie eventuell negativ belastet werden könnten", erklärte Kilian der Frau, die etwas schwer von Begriff war. Denn Maeve und er versuchten schon seit Beginn der Suche nach dem richtigen Zimmer Ms. Adaway deutlich zu machen, wie wichtig diese Vernehmung heute sein würde.

Nach geschlagenen zehn Minuten hielt die Krankenschwester nun vor einem Zimmer an und checkte die Aufschrift. Danach holte sie noch ein Buch hervor, um ein zweites Mal zu überprüfen, ob auch alles seine Richtigkeit hatte. „Na dann", sagte sie schnippisch und trat überschwänglich zur Seite. „Vernehmen Sie sie. Aber wenn Sie übertreiben, sehe ich mich gezwungen, einzugreifen und die Vernehmung abzubrechen. Ist das klar?"

Kilian nickte verständnisvoll, während sich Maeve trotz allen Unhöflichkeiten höflich an die ihnen gegenüberstehende Frau wandte. „Natürlich, Ms Adaway. Wir wissen, in welchem Zustand Ihre Patientin sich befindet, aber Sie müssen verstehen, wie wichtig diese Untersuchungen für uns sind."

Die Frau sagte nichts und öffnete nur mit einem Verdrehen der Augen die Tür. „Beeilen Sie sich. Ich hab nicht ewig Zeit."

Als Maeve und Kilian den abgedunkelten Raum betraten, konnten sie gleich sehen, dass das Mädchen im Intensivbett bereit zu erahnen versuchte, wer sie waren und was sie hier wollten.

„Kilian? Was machst du denn hier?", fragte sie stürmisch und dafür, dass es ihr laut Berichten noch schlecht gehen sollte, hatte sie sich ziemlich schnell aufgesetzt. Wobei sie sich danach direkt an ihre Wunde am Bauch fasste und ein kurzes Geräusch des Schmerzes ausließ.

„Ich... Wir müssen mit dir reden Reyna."

„Das ist mir klar", betonte sie ein wenig abschätzig. Kilian wusste ganz genau, dass Reyna seine Arbeit als unwürdig betrachtete. Er hatte noch nie verstanden, was seine Tochter an ihr so mochte. Dieses Mädchen konnte doch unter keinen Umständen eine gute Freundin darstellen?

„Also... Du weißt sicherlich noch genau, was vor vier Tagen geschehen ist", begann Maeve ganz langsam und versuchte sich somit dem Fall anzunähern.

„Erstens: Ich weiß selbstverständlich, was vor vier Tagen geschehen ist, sonst würde ich nämlich nicht hier liegen und mir von irgendwelchen Maschinen sagen lassen, wie gesund ich bin und wie viel Blut ich im Körper habe.

Zweitens: Ich weiß nicht, was Ihnen einfällt mich einfach so zu duzen, da Sie in keiner Weise in einem persönlichen Verhältnis mit mir stehen. Nicht, dass ich es Ihnen verboten hätte, aber Sie hätten doch zumindest höflich fragen können."

Maeves Augen weiteten sich nach dieser Aussage und sie drehte ihren Kopf automatisch zu Kilian hin. Sie öffnete den Mund ein Stück, nur um ihn Sekunden später wortlos wieder zu schließen. Eine solche Aussage hatten sie wahrscheinlich beide nicht erwartet. Doch Maeve musste sich sehr stark zurückhalten, um nichts Böses zu sagen und biss sich daher auf die knallrot geschminkten Lippen.

„Machen Sie das nicht, das zerstört das Make-Up!", rief Reyna gespielt panisch hinterher, was nur dafür sorgte, dass Maeve sich nun vollständig von ihr abwandte, was bedeutete, dass nun wieder einmal Kilian an der Reihe war, die Vernehmung durchzuführen.

____𝚗𝚎𝚞𝚗𝚞𝚑𝚛𝚣𝚠𝚊𝚗𝚣𝚒𝚐.Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt