08 | Nachtgespräche.

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┊┊ Iron and Wine - Such Great Heights ┊┊

Der Ekel in seinem Gesicht ist nahezu greifbar und fällt mir fast auf die Knie. Manchmal wünsche ich mir, ich könnte fliegen - wie Superman. Das wäre großartig. Dann könnte ich aus bescheuerten Situationen wie dieser hier total schnell abhauen. Das ist doch der Traum einer jeden Frau, oder? Einfach verschwinden, wenn es beschissen wird. Passe ich durch das Fenster? Tut es weh, wenn ich unten aufkomme? Vielleicht können Pizzagöttinnen ja auch fliegen?

Ich wappne mich gegen die Worte, die mich gleich überschwemmen werden und setze mich gerade hin. Super, Hannah. In dieser Situation machst du etwas für deinen Rücken und ansonsten sitzt du nur krumm herum? Super. - Immerhin hat sich das gereimt. Seufzend schließe ich die Augen, lege mir Worte zurecht und hole tief Luft, um ihm zuvorzukommen. Aber er ist schneller als ich.

"Wer hat dir das angetan?" Seine Stimme tropft vor Wut und Ekel. Wenn ich dafür eine Auffangschale hätte, könnte man dann darin baden. Dann wäre man in einen Wut- und Ekelfilm gehüllt und müsste sich bestimmt nie wieder eincremen.

Verwirrt blinzle ich ihn an und sehe dabei vermutlich aus, als würde ich versuchen, mit meinen Wimpern Wind zu erzeugen. Es klappt nicht , so viel möchte ich sagen. Da kann man noch so viel blinzeln und klimpern. Hach, Hannah. Du bist so bescheuert.

"Ich habe mir das selbst angetan", entgegne ich und versuche, meinen Arm aus seiner Gefangenschaft zu befreien, als wären wir Bestandteil von Prison Break. Michael Scofield war ja eigentlich schon immer hübsch anzusehen.

Daniel seufzt. "Ich meine, wer dir einen Grund gegeben hat, dich selbst so sehr zu hassen, dass du dir Schmerz zufügst."

"Als würde es dich interessieren, Daniel. So wie du guckst, könne man meinen, du musst gleich brechen. Ja, diese Narben sind ein Teil von mir. Und ja, ich verstecke sie. Und ja, sie sind hässlich. Aber sie gehören zu mir und leider kann ich sie nicht entfernen. Es wurde nämlich noch kein Narben-Radiergummi erfunden, verdammte Axt. Also guck nicht so, als müsste du die wunderbar und zugegeben sehr leckere Pizza rückwärtsessen. Denn so eklig sind Narben auch wieder nicht. Als könnte man sich daran verbrennen oder als wären sie ätzend wie Säure. Manche Menschen denken echt, Narben wären ansteckend oder giftig. Absolut bescheuert. Ich-"

"Ich bin nur wütend, Hannah. Ich bin doch nicht angeekelt, verdammter Mist. Aber wütend bin ich. Sehr." Er unterbricht mich.

"Weil du die Falsche mitgenommen hast?", möchte ich wissen und fahre mit meinen Fingern über die Bettdecke.

"Nein, Hannah. Ich habe nicht die Falsche mitgenommen. Ich möchte einfach nur wissen, wer dir das angetan hat. Wer dich dazu gebracht hat, dich selbst so zu hassen." Aufgebracht sieht er mich an.

"Du bist klug. Ich bin nämlich nicht die Falsche. Ich bin die beste Wahl die du treffen kannst. Nach Ida natürlich."

Irritiert schüttelt Daniel den Kopf, seine Augen blitzen wütend und ich hole ergeben Luft. Als wärst du seine Sklavin und ihm eine Antwort schuldig.

"Wozu willst du das wissen? Zu dem Zeitpunkt war ich der Meinung, den Schmerz zu verdienen. Und es stimmte auch." Meine Antwort ist kalt. Das einzige, das ich kalt mag ist Pizza.

"Nein, Hannah. Niemand hat so etwas verdient", sagt er leise und überlegt. "Wann hast du dich das letzte Mal geschnitten?" Noch immer hält er meinen Arm fest und beginnt nun vorsichtig, mit seinen Fingern über meine Narben zu streichen. Ich habe Gänsehaut. Verdammt, Hannah. Reiß dich zusammen. Aber scheinbar gefällt es dem Nilpferd, wenn man über seine Narben streicht. Du bist erbärmlich. Und eine Pizzagöttin. Eine erbärmliche Pizzagöttin.

Von Pizza & Badboys | ✓Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt