37 | Superhelden sterben nicht.

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┊┊Dean Lewis - Waves┊┊


"Ohweh, Hannah. Haben wir zu viel Glühwein erwischt?" Papa lacht, schiebt mich von sich und sieht mich aufmerksam an. 

Ich versuche meine Haare vor mein Gesicht fallen zu lassen, aber es lösen sich nur einzelne Strähnen. Das Problem ist, dass meine Haare mich an etwas erinnern. An Daniel. Denn sie duften nach Weihnachtsmarkt. Und weil ich so eine Heulsuse bin treten mir natürlich sofort weitere bescheuerte Tränen in die Augen. Papas Hände halten meine Arme wie ein Schraubstock und ich komme nicht los. Egal wie sehr ich es auch versuche. Vermutlich habe ich morgen blaue Flecken davon. Wie schön.

"Hat er dir was getan?" Sein Ton ist schärfer als vorhin, die Belustigung ist aus seiner Stimme verschwunden.

Ich räuspere mich und versuche noch immer, mich aus seine Klammergriff zu lösen. Obwohl es im Haus warm ist, ist mir kalt. Arschkalt. So sehr, dass ich zittere.

"Hannah, sprich mit mir! Hat er dir etwas getan?" Papa schüttelt mich sanft und sucht meinen Blick.

Da ich weiß, dass meine Stimme brechen würde, würde ich sprechen, schüttle ich nur benommen den Kopf.

"Wenn du jetzt nicht sprichst, rufe ich die Polizei und hetze sie diesem Jungen auf den Hals, das sag ich dir."

Panisch reiße ich die Augen auf und sehe ihn nun schließlich doch an. "Nein, er hat mir nichts getan. Ich schwöre es dir. Beim Leben von Mr. Pinky."

"Beim Leben von Mr. Pinky? Dann musst du es wirklich ernst meinen." Er streicht mir die Tränen aus dem Gesicht. "Na gut, dann glaube ich dir - aber wenn ich herausfinde, dass du mich anlügst, dann ist Mr. Pinky Geschichte." Er zieht seine Augenbrauen hoch.


Schniefend nicke ich und schiebe mich an ihm vorbei. Ich bin so unsicher auf den Beinen, dass ich beim Laufen gegen die Wand knalle und die Hälfte der dort hängenden Bilder zum Wackeln bringe. Wäre ich nicht so traurig, würde ich lachen. Alles, was ich will ist mich in mein Bett zu verkriechen und in Selbsthass zu ertrinken. Ich spüre ein lange unterdrücktes Verlangen nach roter Farbe auf meiner Haut. Und sofort habe ich den süß-metallischen Geschmack im Mund. Als du das letzte Mal den Drang hattest dich zu schneiden kam Daniel. Der Gedanke ist mein Totesstoß, denn ich kann meinen Schmerz nun nicht mehr unterdrücken. Ich heule laut auf und es ist mir im gleichen Moment unendlich peinlich. Aber ich gehe weiter, während ich von einem Heulkrampf geschüttelt werde.


"Was hat sie denn? Hannah, was ist los, Schatz?" Mama steht am Ende der Treppe und sieht mich besorgt an. Ich werfe meinen Eltern nur einen kurzen Blick zu und gehe weiter.

"Hannah." Papas bestimmender Ton lässt mich sofort stehenbleiben. Meinen Eltern den Rücken zugewandt bleibe ich stehen und bewege mich keinen Millimeter. Und diese dummen, dämlichen Tränen laufen unaufhörlich. Ich wünschte, ich könnte daraus einen See anlegen und Nils darin ertränken. Seine hässlichen Füße würde ich vorher in Beton eingießen und ihm noch unendlich viele Steine in die Taschen stopfen.

Es ist unfair, Nils zu hassen, wenn doch ich es bin, die den Deal eingegangen ist. Und egal für was ich mich entscheide, einem von beiden werd ich das Herz brechen.

"Ist gut, Marina, ich mache das schon."

"Okay", antwortet Mama nur leise.

Ich höre Schritte hinter mir, schwere, bestimmte Schritte und weiß, dass es Papa ist.

"Komm, Hannah." Papa nimmt meine Hand und bringt mich in mein Zimmer, in dem er mich sanft auf mein Bett drückt. Er selbst lässt sich auf meinem Schreibtischstuhl nieder und verschränkt die Arme. "Rede mit mir, bitte. Ich mache mir Sorgen, wenn ich dich so aufgelöst sehe, Hannah. So kann ich dich doch nicht ärgern und meine Papa-Witze machen. Also raus damit - was beschäftigt dich?"

Von Pizza & Badboys | ✓Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt