10 | Klebrige Tropfen.

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┊┊ Oh Wonder - Lose It ┊┊


Papa bremst scharf vor einem Haus, in dem vermutlich Felix wohnt. Ich bin auf seine halbe Vollbremsung nicht vorbereitet und knalle mit meinem Kopf voll gegen das Armaturenbrett. Es gibt ein dumpfes Geräusch und ich sehe kurz einige wunderschöne blinkende Sterne vor meinen Augen. Hui.

"Mensch, Papa. Ich brauch den Kopf doch noch!", fahre ich ihn an.

"Wofür? Um dich nachts rauszuschleichen?" Papa sieht mich von der Seite an und zieht seine Augenbrauen hoch, mit denen er nun wackelt, als ich ihn ansehe.

"Ich schleiche mich nicht nachts raus." Wütend sehe ich aus dem Fenster.

"Stimmt. Du schleichst dich rein."

"Besser rein als raus", sage ich leise. Dann fange ich an, die Stille im Auto mit meinem Nilpferdlachen zu füllen. Ich bekomme keine Luft halte mich am Sitz fest. Du bist so albern. Und das auch noch vor deinem Vater. Den du vorhin gefragt hast, ob alles fit im Schritt ist. Innerlich schlage ich mir mit der Hand gegen die Stirn.

"Hannah, du bist ... unmöglich. Jetzt verschwinde, bevor ich dich eigenhändig aus dem Auto werfe." Seine Stimme ist fest, aber das Schmunzeln meines Vaters entgeht mir nicht.

"Ha! Du schmunzelst!"

"Ja, ob deiner unglaublich fehlenden Erziehung. Wer ist denn dein Vater? Oh, warte." Er schlägt sich mit der Hand gegen die Stirn. Mh, Selbstverletzung liegt möglicherweise doch in der Familie. Und scheinbar ist Papa nicht mehr ganz so sauer wie vorhin.

"Nicht so doll, Papa. Nicht, dass der Vogel in deinem Kopf freikommt."

Papa grinst mich an und schüttelt den Kopf.

"Weißt du, Papa. Ich habe mir gedacht, da-"

"Oh, ich hatte schon Angst, ich hab mir diesen Brandgeruch nur eingebildet. Es ist sehr anstrengend für dich, das Denken, oder?"

Ich sehe ihn baff an und unterdrücke ein Lachen. Es gelingt mir nicht so, wie ich es gerne möchte. Ein Grunzen verlässt meinen Mund. Super, jetzt bist du nicht nur ein Nilpferd, sondern auch noch ein kleines Schweinchen. Aber Schweinchen sind süß. Mit ihren hübschen Augen und der süßen Nase und den kleinen Füßchen. Boah, Hannah - deine Gedanken sind einfach nur Banane. Ich werfe einen Blick durch die Frontscheibe und betrachte das Haus, auf dessen Parkplatz wir stehen. Es ist in einem Hellblau gestrichen und hat dunkelblaue Fensterläden. Das Dach ist dunkelrot. In jedem Fenster ist ein Vorhang zu sehen, der in manchen Fenstern zugezogen ist.  Ich überlege, welches der Zimmer das von Felix ist. Und im Vorgarten sehe ich eine Schaukel, ein einladendes Klettergerüst und eine knallgelbe Rutsche. Vielleicht kann ich nachher schaukeln, wenn wir Pause machen. Meine Hand ist schon am Türöffner, aber ich bleibe noch sitzen.

"Du bist nicht mehr böse, oder, Papa?" Flehend sehe ich ihn an.

"Nein, mein Herz. Aber Hausarrest hast du trotzdem. Und jetzt geh rein, du bist zu spät."

Das mag ich an meinem Vater. Er ist zwar sehr streng was meine Noten angeht und meine manchmal fehlende Disziplin, aber er ist nicht nachtragend und er versucht, lustig zu sein. Womit er meistens kläglich scheitert. Aber ich lasse ihm den Spaß und tue so, als wären seine Witze lustig. Verrückten soll man schließlich immer zustimmen, richtig?

Die weiße Haustüre macht mich nervös. Weiß ist eine schwierige Farbe. Ist es überhaupt eine Farbe, wenn man es genau nimmt? Ehe ich mich in meinem eigenartigen Gedankensumpf komplett verliere, drücke ich meinen Finger nervös auf die Klingel. Es klingelt laut und hallt durch das Haus. Eilige Tippelschritte sind zu hören und kurze Zeit später wird die Tür aufgerissen. Aber ich starre in die Leere, bis ich meinen Blick gegen den Boden richte. Vor mir steht ein kleiner Junge, der mich neugierig ansieht. In seiner Hand hält er ein Eis in der Waffel, das den Fliesenboden volltropft.

Von Pizza & Badboys | ✓Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt