12 | Rebellin der Nacht.

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┊┊ Plastic Heart - feat. Ciscandra Nostalghia ┊┊


Egal wie oft ich darüber nachdenke. Es gibt nur eine Lösung. Ich muss zu Daniel. Und ich muss dann zu Daniel, wenn Papa es nicht mitbekommt. Und das ist nachts. Egal, ob morgen Sonntag ist oder nicht. Ich muss den Schlüsselbund holen, denn wenn Papa mitbekommt, dass ich ihn nicht mehr habe, habe ich Hausarrest bis zum Ende meines Lebens. Andererseits, sollte Papa mitbekommen, dass ich mich seinen Regeln erneut widersetzt habe und mich sogar nachts rausgeschlichen habe - ob ich dann meinen nächsten Geburtstag überhaupt noch erlebe? Ich überlege, wie ich es am besten anstelle, aus dem Haus zu schleichen. Wie soll ich das anstellen? Ich habe ja nicht einmal eine Handynummer von ihm, geschweige denn die Adresse. Auch wenn ich noch ungefähr weiß, wie ich mit den Bussen fahren und wo ich hinlaufen muss. Seufzend lege ich meinen Kopf an die Fensterscheibe. Es regnet und ich beobachte die Tropfen, die sich ihren Weg die Scheibe entlang suchen.

Papa wirft mir immer wieder einen Blick zu, während er das Auto durch den Verkehr lenkt und ich versuche, mir nicht ansehen zu lassen, was ich insgeheim plane. Aber ich habe das Gefühl, dass mir mein schlechtes Gewissen ins Gesicht geschrieben ist. Oder, dass Papa es riechen kann. Vielleicht ströme ich ja einen Schlechtesgewissenduft aus? Oder puren Angstschweiß. Verströmen Nilpferde auch einen Duft, wenn sie Angst haben? Die Lichter der Straßenlaterne funkeln im Dunkeln und spiegeln sich im nassen Boden der Straße. Ich hätte jetzt so gerne ein Stück Pizza. Ich seufze.

Entgegen aller Erwartungen war der Tag mit Felix doch nicht so schlimm und unganehem. Eigentlich war die Zeit mit ihm ganz in Ordnung. Und Felix war ganz umgänglich. Für die Sache mit dem Messer könnte ich ihn allerdings wirklich töten. Ich hatte so Angst, dass ich das Gefühl hatte, dass mir das Herz aus der Brust springt. Die Vorstellung, wie ihm mein Herz ins Gesicht hüpft ist allerdings wieder so lustig, dass ich mein Nilpferdlachen unterdrücken muss. Und mich prompt daran verschlucke.

"Alles gut, Hannah?" Papa wirft mir wieder einen kurzen Blick zu.

"Ja, alles gut. Ich hab mich nur verschluckt", antworte ich leise.

"Achso. Na wenn es nur das ist, dann ist ja alles in bester Ordnung."

Ich ziehe einen Schmollmund und sehe ihn an. Seine Mundwinkel zucken. "Achso? Ich könnte hier neben dir sitzen und ersticken und es wäre okay?"

"Oh, nein. Nicht hier im Auto. Du weißt, wie viel es mir bedeutet. Es soll sauber bleiben. Ich würde dich halt aus der Tür schubsen." Jetzt grinst er und zwinkert mir zu.

"Danke, Papa. Ich hab dich auch lieb."

"Das weiß ich, Spätzchen", lacht er und wuschelt mir mit seiner rechten Hand durch die Haare.

Als ich ihm ausweichen will, knalle ich mit meinem Kopf gegen die Fensterscheibe. Papa sieht mich kurz verdutzt an, ehe er in lautes Lachen verfällt. Grummelnd halte ich meinen Kopf und denke weiter über meinen Fluchtplan nach.

Ich schiebe nervös die Dinge auf meinem Schreibtisch hin und her. Durch das Fenster springen stellt keine Option dar. Ich würde beim Aufprall vermutlich so viel Krach machen, dass Papa innerhalb von Sekunden mit schlackernden Ohren vor mir stehen und mich anschließend mit einer Bratpfanne umherjagen würde. Und da meine Kondition nicht gerade die beste ist, Pizza sei Dank, hätte ich keinerlei Chancen, das Ganze unbeschadet zu überstehen. Von den gebrochenen Gliedmaßen, die ich Tollpatsch mir dabei zuziehen würde, mal abgesehen. Es ist halb neun und der nächste Bus kommt in 15 Minuten. Es ist bereits dunkel und mir wird ein bisschen unwohl. Verloren fahre ich mir über das Gesicht. Über das Gespräch, das mir mit Daniel bevorsteht, habe ich auch noch nicht nachgedacht. Mal davon abgesehen, dass ich wirklich aufgeschmissen bin, wenn er nicht zu Hause ist. Verdammt, daran habe ich bis gerade eben noch nicht gedacht. Oh nein. Nein. Nein. Nein. Nein. Du bist ein dummes Nilpferd, Hannah. Ein ganz, ganz dummes Nilpferd.

Von Pizza & Badboys | ✓Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt