39 | Die eiskalte Wahrheit.

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┊┊Jack Garratt - The Love You're Given┊┊

Daniel sieht von seinen Geschenken auf, die er in seiner Hand hält und dreht. Seine Augenbrauen ziehen sich zusammen und eine Dunkelheit huscht über sein Gesicht.

"Wenn du schon so anfängst, dann kann es ja nichts Gutes sein." Er räuspert sich.


Nervös fahre ich, wie immer, das Muster der Decke nach und schlucke. Ich kann es nicht aussprechen. Ich kann nicht.

"Hab ich etwas falsch gemacht?", fragt er und seine Stimme zittert.

Ich schüttle den Kopf und lache verzweifelt auf. Die Angst ist zu groß, als dass ich ihn ansehen könnte.

"Hannah, bitte sprich und spanne mich nicht so auf die Folter. Das halte ich nicht aus."

"Daniel, ich mag dich. Wirklich, ich mag dich sehr. Aber ich ...", ich schlucke.

"Du kannst das hier nicht?", möchte er wissen. Wieder schüttle ich den Kopf.

"Nein, das ist es nicht. Ich möchte das hier", mit zitternden Händen zeige ich zwischen uns. "Aber es gibt da etwas das du wissen solltest."

"Okay", antwortet er nur und sieht mich abwartend an. Meine Geschenke liegen jetzt neben ihm auf der Bettdecke. Sie können nichts retten, absolut nichts.

"Bitte sprich, Hannah. Bitte."

Ich sehe ihn an. Seine wunderbaren, weichen und lockigen Haare, seine wunderschönen blauen Augen, die mich immer wieder an das Meer erinnern. Ich betrachte sein wunderschönes Gesicht, diese herrlichen Wangenknochen und den Mund, der mich schon so oft geküsst hat. Der Mund, der so wunderschöne Sachen zu mir gesagt hat. Dieser Mund, der mich nach der Ansprache die gleich folgt sicherlich nie wieder küssen wird - und nie wieder nette Sachen zu mir sagen wird. Ich betrachte seine Hände, die so sanft aber so bestimmend sein können, so stark und so zärtlich. Und ich lande wieder bei seinem Gesicht. Wut tanzt über sein Gesicht und ich kann es ihm nicht verdenken. Ich muss es sagen, er hat die Wahrheit verdient. Ich fülle meine Lungen mit Luft und springe.

"Du ... du kennst doch Nils, nicht wahr?"

Er schnaubt. Daniels Augenbrauen schießen in die Höhe und er nickt kurz.

Ich fahre mir durch die Haare und möchte mich am liebsten dahinter verstecken. Oh Gott, wie soll ich das nur schaffen? Das Lachen meiner Familie ist zu hören, die jetzt im Wohnzimmer sitzt und einen Weihnachtsfilm ansieht. Papa hat mir die Erlaubnis gegeben, Daniel von seiner Vergangenheit zu erzählen.

"Okay, zuerst solltest du etwas anderes wissen. Mein Papa hat eine beschissene Vergangenheit hinter sich. Er hatte die falschen Freunde, das klingt vielleicht lächerlich, weil man denkt, Erwachsene hätten den Dreh raus, was Freunde angeht. Aber das haben sie nicht. Jedenfalls hat er angefangen zu trinken. Aber das hat ihm nicht gereicht. Irgendwann haben sie alle möglichen Drogen ausprobiert, unter anderem auch Kokain. Das hat meinem Vater anscheinend besonders gut ... gefallen. So sehr, dass er es jeden Tag gebraucht hat. Am Anfang hat er es 'nur' morgens genommen, um leistungsfähiger zu sein für seine Arbeit. Er steht dort sehr unter Druck, musste Deadlines einhalten und Stress mit den Kunden. Irgendwann jedoch ist er immer mehr in die Sucht geglitten. Und von dem Bisschen was er jeden Tag konsumiert hat rutschte er in große Mengen. So große Mengen, dass es uns auffiel; dass es sogar Nelli auffiel. Papa war anders. Immer wenn der erste Rausch vorbei war, fing er an, panisch zu werden, teilweise hat er halluziniert. Wenn der Rausch dann vollkommen vorbei war, war er erschöpft, wirkte depressiv und traurig. Aber er war auch aggressiv. So aggressiv wie wir ihn noch nie gesehen haben. Seine Psyche brauchte das Mittel. Papa hat sich so daran gewöhnt, dermaßen leistungsfähig zu sein, dass es für ihn undenkbar war, damit aufzuhören. Irgendwann habe ich gegoogelt. Ich habe einfach seine Symptome eingegeben und gegoogelt. Und eine Seite hat über Drogenkonsum, konkreter über Kokainkonsum gesprochen. Dort stand auch, dass die Pupillen erweitert sind, wenn Kokain konsumiert wird. Da habe ich mich vor ihn hingestellt und seine Augen angestarrt. Und dann habe ich es erkannt. Ich habe mit Mama gesprochen, wir haben Nelli zu Oma und Opa gebracht und uns mit Papa an den Tisch gesetzt. Es war nicht lustig, gar nicht, glaub mir das, bitte. Es war alles andere als lustig, seinen Vater so aggressiv und gleichzeitig so verzweifelt zu sehen. Er hat mit Geschirr nach uns geworfen, als wir es angesprochen haben und ist dann letztendlich auf dem Boden zusammengesackt, heulend wie ein Baby. Es hat mir so Angst gemacht. So große Angst. Wir haben viele Gespräche geführt, immer wieder, bis er endlich eingesehen hat, dass er Hilfe braucht. Er hat einen Entzug gemacht und das war nicht schön. Wir durften ihn nicht sehen, er wollte das nicht. Erst zum Schluss des Entzuges haben wir ihn besucht. Anschließend hat er noch Therapie gemacht, um sich mit seiner Psyche auseinanderzusetzen. Nelli hat davon nur etwas am Rande mitbekommen. Und auch sonst haben wir Papas Drogenkonsum niemandem erzählt. Eigentlich weiß niemand davon."

Von Pizza & Badboys | ✓Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt