Challenge Nr. 6

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25. Juli. Ich stehe vor meinem Spiegel, fahre durch den Flaum an Haaren auf meinem Kopf, versuche mir dann mit zittrigen Händen den Bandana zurecht zu rücken, den ich trage obwohl
ich eine Glatze habe. Ich weiß nicht, warum ich so aufgeregt bin. Ich lächle mich selbst an. Um meine Augen bilden sich kleine Fältchen, ich sehe glücklich aus. Ich mag mein Lächeln, lächeln ist allgemein etwas Schönes. Lautes, ungehaltnes Lachen genauso wie ein sanftes, leises Lächeln, das nur für einen einzigen Moment oder eine Person bestimmt ist.

Dieser Moment gehört mir und Gott und das Lächeln ebenso. Ich beginne zu beten, weil ich mir nicht anderes zu helfen weiß, weil ich Betty nicht anrufen kann und es tut gut. Es tut gut einfach sinnlos zu reden, es tut gut keine Zusammenhänge haben zu müssen und es tut gut zu spüren wie man langsam aber sicher zur Ruhe kommt, wie sich die Aufregung legt und wie es plötzlich ein Leichtes ist den Bandana zu binden.

Ich lächle erneut. Es fühlt sich fremd an und dennoch schön. Ich erinnere mich an Bettys Lachen, meist einen Tick lauter als das meine, meist etwas tiefer, ein wenig schallender, dennoch schön. Ihre im Einklang dazu strahlenden Augen. Ich merke wie die Tränen kommen und ehe ich mich versehe, sehe ich in meinem Spiegelbild ein einzelner, kleiner Tropfen salziges Wasser an meiner Wange hinabrollen. Ich fange ihn mit meiner Zunge auf, den folgenden ebenso.

Ich schmecke das Salz.

"Ihr seid das Salz der Erde.", hatte Jesus gesagt.

Wir machen den Unterschied. Hast du schon einmal ungewürztes Essen gegessen? Ganz ohne Salz. Falls du es noch nicht ausprobiert hast, es schmeckt nach nichts, beinahe ungenießbar.

Wir sind das Salz. Wir machen den Unterschied. Weil wir für Gott und mit Gott leben. Weil wir Liebe verbreiten, Geduld, Sanftmut, Langmut und einfach Liebe, unendliche Liebe.

Ich weiß, dass ich manchmal scheitere, zu oft scheitere. Dass ich oft nicht das Salz bin, dass ich eigentlich sein sollte. Momente in denen ich lebe wie alle anderen Menschen auf dieser Welt. In denen ich fluche und hasse. In denen ich ohne Freude und Motivation bin. Momente in denen ich nicht lobe, nicht anbete, nicht danke. Momente in denen mein eigenes Ego im Mittelpunkt steht, andere Menschen und besonders Gott an Bedeutung verlieren und ganz besonders die Liebe fehlt, die verändernden Liebe, das was den Unterschied macht. Er, Gott der Vater, Jesus als Sohn und der heilige Geist, der in mir lebt und in mir regiert und der mir das alles schenkt. Die angesprochene und wiederholte Liebe, die Geduld, die Sanftmut, die Liebe, den Frieden und vieles mehr - das alles.

Und mir wird in diesem Moment wieder einmal bewusst, dass ich ohne ihn ein Nichts bin und dass ich diesen Tag ohne ihn nicht meistern kann. Ich gebe ihn ab. Ich lege den Tag in Gottes Hände, die bevorstehende Begegnung mit Philipp, mein sanftes Lächeln und meine Tränen wenn ich an Betty denke.

Innerlich werde ich ganz ruhig. Die Aufregung kommt erst wieder als es klingelt und ich einen letzten Blick in den Spiegel erhasche. ich trage eine einfache Jeans, ein weißes T-shirt mit Flamingos und einem V-Ausschnitt. Meine Wimpern sind etwas getuscht ansonsten habe ich gänzlich auf Schminke verzichtet.

Es klingelt.

Ich laufe die Treppen nach unten, verpasse die letzte Stufe und liege binnen Sekunden flach auf dem Bauch. Irgendwo schlage ich mein Knie an. Vor Schmerz beiße ich die Zähne zusammen, blöd nur, dass sich meine Zunge dazwischen befindet. Mir kommen die Tränen. Ich hasse mein Leben. Benommen rapple ich mich auf. Gefühlt alles schmerzt. Dazu die Aufregung, das tut mir nicht gut, gar nicht gut. Mir wird schwindlig. Ich lasse mich auf die unterste Treppenstufe fallen. Atme tief ein und dann wieder aus. Ich zittere und schicke ein Stoßgebet zum Himmel, als es erneut klingelt.

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