Challenge Nr. 9

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Ich hänge an meinem Handy, habe Kopfschmerzen, Durst und kann mich definitiv schon längst nicht mehr konzentrieren.

Dennoch komme ich hier her. Woche für Woche. Genieße die Zeit, obwohl ich gegen Ende wirklich jedes Mal beinahe einschlafe. Lerne eine neue Sprache - Gebärdensprache.

Warum ich hier bin? Immer und immer wieder? Ich weiß es nicht genau, ich habe wirklich keine Ahnung. Weil es Spaß macht - irgendwie? Weil ich Betty damit einfach einen Gefallen tun will? Weil es für Philipp ist und ich es nach wie vor nicht schaffe diesen Idioten aus meinem Herzen oder gar aus meinen Gedanken zu verbannen? Vielleicht, vielleicht auch nicht.

Ich scrolle wahllos durch irgendwelche Instagramprofile, bleibe nirgends wirklich hängen. Es interessiert mich nicht, ich beginne mich nur sofort wieder aufzuregen. Über die viel zu dünnen Models, abgemagerten Mädchen, den Photoshop und all das sonstige, weltliche und bescheuerte Zeug was eben so über social media verbreitet wird.

Gerade als ich mein wertes, mir unglaublich zeitraubendes Ding endlich weg packen will, um mich wenigstens noch für die letzten 10 Minuten zu konzentrieren, leuchtet mein Bildschirm auf. Ich erhalte eine Mail, einer mir höchst unbekannten Adresse. Die Nachricht dahinter ist aber doch mehr als interessant.


Hallo Frau Sturm,

herzlichen Dank für die Einsendung Ihres Manuskriptes. Ihre Poetry Slams haben uns auf eine ganz besondere Art und Weise mitgenommen, angeregt und begeistert. Gerne würden wir Ihre Texte deshalb nicht nur veröffentlichen, sondern sie zusätzlich aufnehmen und eine CD herausbringen. Spannend fänden wir es, die Stimme der eigentlichen Autorin dort zu vertonen, nämlich Ihre. Wäre es Ihnen möglich am kommenden Samstag (18. November) um 11.00 Uhr zu uns ins Studio zu kommen, damit wir sie besser kennenlernen und bei beidseitigem Interesse erste Aufnahmen starten könnten?

Bei Rückfragen dürfen sie sich gerne bei uns melden.

Mit freundlichen Grüßen. Wir freuen uns.

Ihr Verlagsteam (Uta Krause)


Ich lese die E-Mail, wieder und wieder. Starre auf die Linien, Worte und Buchstaben, nehme zu Beginn nicht wirklich ernst was da steht. Die heutige Unterrichtsstunde endet. Ich lasse mein Handy in meine Tasche gleiten. Verabschiede mich mittels Gebärdensprache. Mache mich auf dem Weg nach Hause. Erst im Bus erinnere ich mich wieder an die Mail. Hole das Handy hervor und lese erneut Zeile um Zeile, während ich immer wieder nach draußen schaue, um das kühle, bunte Herbstwetter zu bestaunen.

Meine Hände zittern. Ich kann nicht glauben, dass Philipp meine Texte geschickt hat, obwohl wir uns gestritten und seit Wochen keinen Kontakt mehr hatten. Damit hatte ich nicht gerechnet, auf gar keinen Fall, noch weniger vielleicht, als mit dieser Antwort hier. Ich hatte es geschafft, sie würden es tatsächlich veröffentlichen. Meine Texte, meine Slams, in einem Buch, das man früher oder später in jeder Buchhandlung kaufen konnte. Meine CD... Moment...

Noch einmal lese ich was da geschrieben steht. Sie wollen sie aufnehmen, die Texte. Sie wollen meine Stimme aufnehmen, sie wollen eine CD daraus machen. Ich erstarre und verpasse beinahe meine Bushaltestelle. Hetzte außer Atem nach draußen. Die Kälte umfängt mich. Ich schließe den Reisverschluss meiner Jacke und ziehe die Schultern nach oben. Irgendwie muss das Frieren doch aufhören. 

Zurück in meinem warme Zimmer setzte ich mich auf meine Fensterbank. Starre nach draußen. Der Wind bewegt die bunten Blätter. Es ist dunkel, beinahe mystisch, ich schlucke.

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