Kapitel 2.2 - Das Dorf der Hoffnung

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Die Hütte des Ältesten, dessen Name Galcha lautete, war das auffälligste Gebäude in ganz Akelicis, zumal es sich nicht um ein Holzhaus handelte, sondern um eine Höhle, die man gesäubert hatte. Der Eingang war von vergilbten Tüchern verdeckt, wobei links und rechts zwei Fackeln ihren Schein auf die Umgebung warfen.

Angekommen strich ich den Stoff zur Seite und lugte vorsichtig in das Innenleben der Höhle. Vor mir erstreckte sich ein gewebter Teppich, der den sonst so kahlen Boden bedeckte. In der Mitte, unmittelbar neben zwei Öllampen, war ein kleiner Tisch aufgebaut, der mir gerade mal bis zu den Knien reichte. Ausgestattet war er mit zwei Tierfellen, das eine braun, das andere weiß. Auf ihnen hatten zwei geschnitzte Becher ihren Platz gefunden, daneben eine Kanne mit heißem Tee, von dem ein dünner Schleier an Rauch ausging.

Mein Blick huschte weiter durch Galchas Wohnzimmer, nur um festzustellen, dass er sich gerade in einem anderen Raum befinden musste, die durch enge Gänge miteinander verbunden waren. Um tiefer ins Innere der Höhle vorzudringen, müsste ich mich kriechend fortbewegend, so beschloss ich einfach zu warten. Es würde nicht lange dauern, bis Galcha meine Anwesenheit spüren würde.

Um einzutreten, musste ich mich etwas bücken, doch kaum hatte ich das steinerne Tor durchquert, konnte ich mich wieder aufrichten. Als ich die Luft einatmete, die im Inneren herrschte, stieg mir der Geruch von Kräutern in die Nase. Es roch nach geschmähten Brennnesseln, die der alte Mann für einen Bewohner unseres Dorfes angefertigt hatte. Zudem erkannte ich den feinen Geruch von Gundermann, Sauerampfer und Knoblauchsrauke, die allesamt für ihre heilende Wirkung bekannt waren. Galcha hatte die verschiedenen Mixturen in einem Regal platziert, neben allerlei anderen Tränken, dessen Farben vielfältiger waren als die eines Regenbogens. In einer länglichen, kristallförmigen Flasche schwamm eine purpurne Flüssigkeit, die mit einem Korken fein säuberlich verschlossen wurde. Darüber ein großes, zylinderförmiges Glas, das mit einer dickflüssigen Salbe aus Kräutern gefüllt war.

Der Älteste hatte schon immer eine Vorliebe für das Mixen von Heiltränken gehabt. Angeblich war er bereits in seinen Kinderjahren im Wald umhergestrichen, nur um mit Körben voller Blüten, Unkraut und Pflanzen wiederzukommen. Aber obwohl seine Passion derart ausgeprägt war, wäre Akelicis ohne ihn nicht an dem Punkt, an dem es sich jetzt befand. Vorausgesetzt es wäre auch ohne ihn entstanden, was ich stark bezweifelte.

Unter dem Regal, das Galcha mit äußerster Sorgfalt pflegte, hatte ein alter Kessel seinen Platz gefunden. Normalerweise bereitete er dort neue Zaubertränke zu, doch da es in letzter Zeit keinen Bedarf gab, war dieser leer. Nur ein wenig Wasser, das von der letzten Säuberung übrig geblieben war, sammelte sich noch am Boden. Ansonsten war die Höhle des Häuptlings so, wie man sich ein gewöhnliches Zimmer vorstellte. Ein paar nützliche Werkzeuge, die verstreut auf einem weiteren Tisch lagen, alte Bücher, nach Größe und Farbe sortiert, und zerfranste Kissen, die eine gemütliche Ecke bildeten.

»Kann man dir helfen, Pandora?«, fragte eine raue Stimme und durchbrach die Stille, die im Zimmer herrsche. Augenblicklich wirbelte ich herum und sah hinab auf den Troll, der mich damals bei sich aufgenommen hatte. Seine alte Haut war über die Jahre hinweg runzelig und faltig geworden. Auch der natürliche braungrüne Ton hatte sich in ein dunkles Grau verwandelt. Auf seinem platten Kopf fanden sich nur noch wenige, gekräuselte Haare, die farblos und spröde abstanden. Seine Nase war knollig und dick. Allgemein machte er kein gepflegtes Erscheinungsbild, doch insgeheim achtete er sehr auf sein Aussehen. Dennoch sagte sich das bei dreihundertzweiundvierzig Jahren einfacher, als es letztendlich umzusetzen war. Abgerundet wurde seine Erscheinung durch ein altes Gewand und einem Gehstock geformt aus dem Holz einer Fichte.

Unsere Blicke kreuzten sich, während der alte Troll seine Stirn in Falten legte. »Was ist passiert?«, analysierte er mein Verhalten nahezu perfekt, woraufhin er mit mit einer Handbewegung einen Platz an dem Tisch anbot.

Der fünfte GottDonde viven las historias. Descúbrelo ahora