Kapitel 5.1 - Ein Tee aus Zeit

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Ein Tee aus Zeit

Immer schwächer schlug mein Herz. Langsam, ausgelaugt und ohne Energie. Selbst die Schmerzen verklangen, doch trotzdem war da keine Heilung am Ende des Weges. Mein Körper war wie betäubt. Ich spürte weder meine Gelenke, noch meine Muskeln. Irgendwie schien ich nicht mehr Herr meines eigenen Körpers zu sein. Wie eine verblassende Seele tänzelte ich auf dem schmalen Pfad zwischen Diesseits und Jenseits. Zwar konnte ich mich noch mit schwachen Schritten fortbewegen, doch angesichts der Wunden, die mich zeichneten, war auch das unbedeutend. Bald würde auch das letzte Seil reißen, das mich als einziger Halt vor dem Fall in die Tiefe des Todes schützte.

Ich konnte nicht einmal mehr sagen, wie lange ich mich durch den dunklen Wald schleppte. Alles um mich herum verlor seinen Halt, während unablässig rotes Blut auf den Boden tropfte. Gleichmäßig, wie die Zeiger einer Uhr und doch verblasste mit jedem Tropfen mehr und mehr ein Teil meines Herzens.

Allmählich gaben meine Sinne nach. Immer dumpfer, hörte ich das näherkommende Geheul der Monster. Der verführerische Duft meines Lebenssaftes lockte sie an wie das Licht die Motten. Bald hätten sie mich eingeholt und ihre Zähne würden sich in mein warmes Fleisch bohren.

Ich war verloren und das waren keine pessimistischen Gedankengänge, sondern Fakten, die knallhart auf mich einschlugen.

Dass es keinen Sinn mehr hatte, wusste ich schon lange, so schleppte ich mich über eine kleine Lichtung und lehnte mich an einem großen Stein an. Der kalte Fels berührte meinen zerschlagenen Rücken und hinterließ ein feuriges Gemälde.

Mein Blick glitt über die Lichtung und prägte sich jedes noch so kleinste Detail ein, immerhin war es das letzte Mal, dass ich die Wunder der Natur erblicken durfte. Die Blätter raschelten sanft im Zuge der kühlen Sommernacht und hinterließen einen Klang, der melodisch den Moment schmückte. Silberne Strahlen fielen vom Himmel hinab, bahnten sich ihren Weg durch das Blätterdach, worauf tausende Punkte über den Boden tanzten. Es war, als würden sie sich im Takt des Liedes wiegen.

Von fern vernahm ich die Symphonie einer Eule und während sie ihre fedrigen Schwingen in den Himmel emporhob, strahlten Milliarden Sterne auf Cytron hinab. Wie ein Spiegelbild des Wassers schwamm der Mond in einem Meer aus funkelnden Steinen.

Ein letzter Laut, den nicht einmal die guten Ohren einer Katze zu hören vermocht hätten, kam über meine Lippen und das letzte bisschen Wärme schien meinem Körper entfliehen, wie Dampf, der in der Atmosphäre verblasste. Noch einmal rief ich mir die Gesichter meiner Freunde in den Sinn. Wenn ich sterben musste, dann würde ich das mit dem Gedanken an sie tun.

Ich sah das hübsche Lächeln Avrils, hörte Galchas weise Worte, vernahm die Hände der Kinder, die sich Hilfe suchend zu mir wandten. Das gemeinsame Essen, die Abenteuer beim Jagen und auch Tirion kam mir wieder in den Sinn. Ob er es geschafft hatte? Er musste es einfach geschafft haben. Ob er die anderen bitten würde, nach mir zu suchen, sie bitten, mich vor einem Tod zu bewahren, der unausweichlich war?

Kurz schloss ich die Augen und verinnerlichte den Moment. Ich verankerte die Erinnerungen in meinem Herzen, denn sie waren der wichtigste Schatz, den mir mein Leben gegeben hatte. Auch in meinem Tod wollte ich sie immer an meiner Seite haben. Sie sollten mein Antrieb sein, wenn ich als Seele über sie wachte. Das war der letzte Wunsch, den ich äußerte und auch wenn der Herr, der Göttervater, längst verstorben war, so hoffte ich doch erhört zu werden.

Als ich die Augen wieder öffnete, war ich von Monstern umzingelt. Sie kreisten mich ein und drückten mich näher an den kalten Stein. Mit gierigen Mäulern fletschten sie ihre Zähne. Grässlicher Atem, der den Geruch des Verderbens mit sich führte, schlug mir entgegen. Die Klauen scharrten über den trocken Boden, zerbrachen Gras und wirbelten Erde auf. Schuppen zeichneten alle Individuen aus, die mich in einem Rudel von sechs Monstern angriffen. Jedes Biest besaß die Kraft meine Existenz mit nur einem Hieb zu beenden und obwohl noch keines von ihnen zum Sprung angesetzt hatte, sah ich es ganz deutlich vor mir. Die blasse Haut, der verzerrte Gesichtsausdruck, die glanzlosen Augen.

Der fünfte GottOnde as histórias ganham vida. Descobre agora