Kapitel 6.2 - Eiskalter Abyss

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Gerade, als ich gedacht hatte, es könnte nicht schlimmer werden, brach meine Welt erneut in sich zusammen, sodass die Scherben ein unlösbares Rätsel bildeten.

»Deine was?«, murmelte ich fassungslos und ein kalter Schauer jagte mir den Rücken hinunter. Vorsichtshalber rückte ich noch ein Stück weg, während ich erneut meine Hände zu Fäusten ballte.

»Bitte versteh das nicht falsch«, fügte Cyrian schnell hinzu und schüttelte beinahe ruckartig den Kopf. Dabei peitschten seine langen Haare durch die Luft und doch versteckten sie nicht die Röte, die sich auf seinen Wangen angesammelt hatte.

Ob es nun Schauspiel war oder nicht, Cyrian benahm sich keinesfalls so, wie man es von einem Gott erwarten würde. Sein Verhalten erinnerte in Teilen sogar an das eines Jungen im Teenageralter, auch wenn er augenscheinlich nicht viel über die siebzehn ragte. Es war seltsam zu sehen, wie eines der mächtigsten Wesen, die Cytron jemals hervorgebracht hatte, bei so etwas Skurrilem errötete.

»Ich meine«, holte Cyrian Luft und schien sich ebenfalls ins Gedächtnis zu rufen, dass er als unübertroffener Zeitgott vor mir stand, »Die Verbindungen, die meine Geschwister eingegangen sind.«

Plötzlich ging mir ein Licht auf, auch wenn die wahre Bedeutung seiner Forderung, die Situation nicht erträglicher machte. Im Gegensatz, es verschlimmerte alles.

Hörbar schnappte ich nach Luft und ein unkontrolliertes Zittern erfasste meinen Brustkorb.

Wenn ich mich recht erinnerte, hatte der Göttervater vor seinem Tod das eiserne Gesetz ausgesprochen, dass kein Gott jemals ein anderes Lebewesen ermorden dürfte, ohne selbst sein Leben zu verlieren. Wenngleich diese Regel unter dem Wahnsinn, der sie befallen hatte, nicht zu gelten schien. Somit hatten sich die vier Geschwister geeignete Bewohner Cytrons ausgesucht, denen sie ihre Magie liehen. Diese Bewohner, die seither ihrem Gott dienten und zusammen mit ihm herrschten, nannte man auch Verwandte. Allerdings waren auch sie dem Wahnsinn verfallen und bekriegten sich genauso skrupellos wie ihre Herren.

»Ich werde niemals deine Dienerin«, knurrte ich und instinktiv spannte sich meinen Körper an. Das Blut einer Diavi brodelte auf, im Zuge der Rebellion niemals die Sklavin eines Verbrechers zu werden.

Cyrian war wirklich unmöglich, wenn er dachte, dass ich ihm bis in alle Ewigkeiten dienen würde, nur weil er mir ein einziges Mal das Leben gerettet hatte. Zudem hatte ich meine Schuld längst beglichen. Ich war Herr meines eigenen Schicksals und würde niemals für einen Wildfremden meine Familie verlassen. Sie waren alles, was mir nach dem Verlust meiner Eltern geblieben war. Notfalls würde ich mein Leben für sie geben, so entschlossen war ich, sie zu beschützen.

»Pandora, bitte lass mich ausreden«, flehte der fünfte Gott. Seine Wangen, die zuvor noch von einem zarten Rot umspielt wurden, war die Farbe entflohen und er starrte mich an, mit diesem unendlich traurigen Ausdruck in seinen Augen.

Innerlich wusste ich bereits, dass es falsch war ihn anzuschreien, ihn so schrecklich zu behandeln, doch meine Vernunft übermannte jedes Bauchgefühl.

»Bitte. Ich bin nicht der, der du denkst«, versuchte er es weiter, während sich in seine Stimme ein Beben mischte. Es drang tief aus seiner Kehle und voller Verzweiflung versuchte er das darauf folgende Schluchzen zu unterdrücken.

»Ich habe viele Fehler gemacht, das weiß ich und es tut mir so leid. Ich will es nur wieder gut machen.«

Und als ich in seine Augen sah, brach jegliche Mauer, die mich vor irrationalen Gedanken beschützt hatte.

Meine Worte hatten tief in sein Herz getroffen. Viel tiefer, als ich es zu denken vermocht hatte und obwohl in seinen Adern göttliches Blut floss, waren erneut die Narben aufgerissen, mit denen der zweite Götterkrieg seine Seele gezeichnet hatte.

Der fünfte GottWhere stories live. Discover now