Kapitel 14.1 - Die Stadt hinterm Horizont

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Die Stadt hinterm Horizont

Die Sonne brannte hoch oben am Zenit, als die fernen Bäume am Horizont verschwanden und eine unendliche Weite uns umgab. Ein wolkenloser Himmel erstreckte sich über unseren Köpfen und der Wind wehte sanft über die Felder. Erfasste Glashalm für Grashalm und hinterließ ein wohliges Rascheln.

Brennend war das Licht, das auf unsere Nacken fiel und obwohl ich bereits meinen Mantel ausgezogen hatte, fühlte ich mich trocken und ausgelaugt. Schweiß perlte von meiner Stirn ab und meine Kleidung klebte unangenehm an meiner Haut, während Glied für Glied sich an Erschöpfung übertraf. Obwohl in meinen Adern das Blut der Diavis brodelte, machte mir die Anstrengung der einwöchigen Reise zu schaffen.

Nachdem wir am frühen Morgen aufgebrochen waren, hatte Avril uns versprochen, dass wir gegen Morgengrauen des achten Tages Kaikuono erreichen würden. Voraussetzung dafür war natürlich, dass wir nur wenige Pausen einlegten und vom ersten Sonnenstrahl am Morgen, bis zum letzten Rot am Abend reisten. Dementsprechend hatte Müdigkeit von unseren Körpern Besitz ergriffen und jede Bewegung schmerzte, als würden sich Nadeln durch jeden einzelnen Muskel ziehen.

»Ich kann nicht mehr«, quengelte Cyrian, der wenige Meter hinter uns her schlürfte. Seine trockenen Lippen waren rissig und an einer Stelle aufgeplatzt, trotzdem ertönte seine Stimme klar und deutlich. Obwohl seine Haltung schlaff und kraftlos wirkte, während der Schweiß unablässig über seine Schläfe rann, schien er in einem guten Zustand zu sein. Auch, wenn er sich körperlich in einem erbärmlichen Zustand befand, so schützte ihn seine göttliche Herkunft vor langfristigen Schäden.

»Ruhe«, zischte Avril durch zusammengebissene Zähne und ihr rotes Haar wirbelte umher, als sie Cyrian einen vernichtenden Blick zu warf. Augenblicklich richtete sich der Gott auf und holte schnellen Schrittes zu uns auf.

Etwas beschämt wandte er den Kopf in Richtung der Felder, während ich das Geschehen nur mit einem Schmunzeln kommentierte. Die beiden verstanden sich noch immer nicht, obwohl es hauptsächlich an Avril lag. Tatsächlich hatte der Silberhaarige mehrmals versucht das Eis zwischen ihnen zu brechen, jedoch ohne Erfolg. Immer wieder war er an ihren Worten abgeprallt und mehr als Akzeptanz hatte er nicht erschaffen können. Zwar war es nicht so, als würde sie ihn hassen, dennoch sorgte sie sich stark. Nachdem sie von dem Fluch erfahren hatte, legte sie ganz besonders Wert darauf Cyrian im Auge zu behalten. Es war Sorge und Angst, die Avril dazu trieb. Zum einen fürchtete sie, dass ich erneut ein Opfer seiner wahnsinnigen Seite werden könnte, zum anderen verängstigte sie der Gedanke eines erneuten Blutbades.

Dies waren alle Gedanken, die ich nachvollziehen konnte, trotzdem wünschte ich mir, dass die Luft weniger dick wäre.

»Sei nicht so fies«, tadelte ich meine rothaarige Freundin, die nur kurz die Augen verdrehte und nicht weiter darauf einging. Auch wenn sie erwachsen war, so benahm sie sich manchmal noch immer wie ein kleines Kind.

»Hast ja recht«, murmelte Avril eher zu sich selbst, doch ihre Worte waren leise und kaum hörbar. Leicht wie eine Feder, die vom Wind über Wiesen und Felder geleitet wurde.

Kurz schüttelte sie ihren Kopf, bevor sie sich wieder fasste und mit kräftiger Stimme sprach: »Ich bin nur ein wenig aufgeregt, immerhin brauchen wir nicht mehr lange.«

Auch wenn man ihre Worte als billige Ausrede hätte interpretieren können, so war es ein unablässiger Fackt, dass die Unsicherheit, mit dem bevorstehenden Abenteuer einherging.

»Bald sind wir da«, bestätigte ich und klopfte dem Zeitgott aufmunternd auf die Schulter. Dieser blickte wieder zu mir und erwiderte mein Lächeln mit einem leichten Kräuseln seiner Lippen.

Der fünfte GottWhere stories live. Discover now