Kapitel 12

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Am nächsten Morgen öffnete ich stöhnend die Augen. Auch ohne mich zu bewegen spürte ich den Muskelkater in meinen Beinen und meinem Nacken, welcher vermutlich von meiner Liegeposition in der Nacht herrührte. Das Zimmer war dunkel bis auf einen kleinen Streifen Licht, der durch den Spalt zwischen den Gardinen fiel. Das Licht wirkte sehr hell, was entweder bedeutete, dess es schon spät war oder das meine Augen einfach nicht an das Licht gewöhnt waren.

Langsam stand ich auf und testete, was am meisten weh tat. Am Ende war ich mir sicher, dass das Aufstehen am schlimmsten war. Mit Schwung öffnete ich die Gardinen und stellte fest, dass es tatsächlich schon ziemlich hell war. Anschließend zog ich mich schnell um, wobei ich eine normale Jeans von mir wählte und ein einfaches, beerenfarbenes Top. Jedoch nahm ich eine der Lederjacken, die neu in dem Schrank hingen. Im Bad wusch ich mir die Hände und das Gesicht. Es war ziemlich schwer in dem Chaos aus Fläschchen, Schubladen und Schränken einen Kamm zu finden, aber ich schaffte es. Meine braunen Haare band ich zu einem praktischen Pferdeschwanz und befestigte eine widerspenstige Strähne mit einer Haarspange.

Als ich schließlich wieder im Flur stand, fiel mir auf, dass ich nun die Treppe hinunter musste. Schmerzen ich komme! Anstatt mich jedoch weiter zu bemitleiden, versuchte ich es einfach hinter mich zu bringen. Dieses Mal fand ich den richtigen Weg und landete tatsächlich in dem großen Vorsaal, an den die Küche grenzte. Ich spähte vorsichtig in den Raum. Es war niemand zu sehen.

Innerhalb weniger Sekunden war ich bei einem der Schränke und suchte nach etwas Essbarem. Ich fand eine Menge selbstgebackener Brötchen und ebenfalls selbstgemachte Marmelade. Der Teller und das Messer waren einfach zu finden, da ich mir gemerkt hatte, wo Namila diese gestern herausgenommen hatte. 

Mein Gedanken machten sich selbständig und drehten sich im Kreis. Aber am Ende kam ich immer bei der gleichen Frage an: Wie war das möglich? Jedoch konnte weder ich, noch jemand anderes hier, diese Frage beantworten, sodass ich mich irgendwie festfuhr. Ich seufzte und versuchte meine Gedanken beiseite zu schieben, aber dadurch kam nur mein Heimweh über meine Familie an die Oberfläche. Vielleicht könnte ich sie anrufen? Aber was sollte ich dann sagen? Ich bin spontan mitten im Schuljahr in den Urlaub gefahren? Ganz sicher nicht! 

Wie aus dem Nichts ertönte hinter mir eine Stimme, sodass ich vor Schreck aufsprang und dabei beinahe den Teller auf den Boden beförderte.

"Morgen. Was ziehst du denn für ein Gesicht?"

In den Türrahmen gelehnt stand Blake. Er hatte die Arme verschränkt und seine Haare sahen aus, als wäre er eben erst aufgestanden. Er schien in diese Kampfmontur gekleidet, die auch bei mir im Schrank hing. Jedoch hatte ich davon lediglich die Jacke an und ich trug ebenfalls kein Schwert oder einen Dolch mit mir herum. Was Blake damit wollte, war mir nicht so ganz klar. Sicherlich waren die Waffen nicht dazu da Brötchen aufzuschneiden.

"Du hast ein Talent dafür, mich zu erschrecken", antwortete ich nach der Musterung ohne auf seine Frage einzugehen. Ich wollte einfach nicht darüber reden, vor allem weil ich vermutete, dann in Tränen auszubrechen. Auf meine Aussage hin zuckte Blake mit den Schultern. "Möglich."

"Du versperrst mir den Weg, Wasserratte", sagte Quinn, während er sich an Blake vorbeischob. "Oh, Hi Kio", fügte der Rothaarige hinzu, als er mich entdeckte. Blake verdrehte bloß die Augen und gab seine lässige Haltung auf. "Wir werden heute etwas trainieren und du musst dir deine Waffen raussuchen." 

Wozu sollte das bitte gut sein? Sicherlich würde andauernd jemand, wenn ich nicht in diesem Haus war, über mich wachen und darauf achten, dass mir nichts passierte oder dass ich keine Dummheiten anstellte. Also brauchte ich auch nicht lernen, wie man mit einer Waffe umging. Zudem würde ich sowieso versuchen zu verschwinden, sobald sich mir die Gelegenheit bot und damit wäre das verschwendete Kraft und Zeit.

Die Tochter der SterneWo Geschichten leben. Entdecke jetzt