Kapitel 20

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Exakt nach einer Woche standen wir mit gepackten Rucksäcken vor dem Haus und hatten gefühlt an jedem Körperteil eine Waffe.

Tyrus gab jedem von uns ein Pferd. Da ich noch nie auf einem Pferd geritten war, hatte Quinn mir versprochen es an seinem anzuleinen. So konnte ich wenigstens erstmal ein Gefühl für das reiten bekommen, bevor ich allein reiten musste.

"Salviar hat den Portalschutz um seine Stadt erweitert, sodass sich jeder, der nicht zum Wasservolk gehört, nur bis auf eine Tagesreise Entfernung teleportieren kann", erklärte Tyrus uns und überreichte Quinn eine Karte. Dieser nickte ihm zu und steckte sie in eine Innentasche seines Mantels.

Tyrus verabschiedet sich von uns und wünschte uns Glück. Sogar Namila war gekommen, um mich kurz zu umarmen. Tamin schenkte mir niedlicherweise eine kleine Nuss und streifte mir mit dem Puschelschwanz über die Wange, sodass ich lachen musste.

Alischan war die Einzige, die nicht anwesend war. Sie glaubte anscheinend immer noch, dass ich in Wahrheit verschwinden wollte. 

Das Pferd, welches ich an den Zügeln hielt wurde plötzlich nervös und tänzelte hin und her. Verwirrt blickte ich es an bis ich hinter seinem Hals Winter entdeckte. Ich war gleichermaßen verblüfft wie irritiert. Was machte er hier?

Ich fuhr dem Pferd über den Hals und flüsterte beruhigende Worte. Währenddessen ließ ich Winter nicht aus den Augen, der eindeutig auf uns zu kam. "Wer ist das?", fragte Quinn hinter mir bedrohlich. Er schien kurz davor Pfeil und Bogen zu zücken, um den weißen Wolf zu erlegen.

"Keine Sorge", erwiderte ich. "Er ist ein...ein Freund."

"Wenn du das sagst", murmelte Quinn und entspannte sich wieder. Ich drückte ihm die Zügel in die Hand, damit ich Winter etwas entgegen kommen konnte. Immerhin brauchten wir die Pferde noch und wir hatten keine Zeit sie wieder einzufangen, wenn sie sich losrissen.

Etwa 10 Meter entfernt trafen Winter und ich uns. Um mit ihm auf gleicher Höhe zu sein kniete ich mich auf ein Bein. "Was machst du hier?"

"Ich werde dich begleiten", meinte er mit seiner tiefen, leicht brummenden Stimme. 

"Sicher", fragte ich überrascht. Warum tat er das?

"Ja", erwiderte er und blickte mich mit seinen blauen Augen an. "Du wirst mich auch nicht davon abhalten können."

"Okay, Okay. Aber warum tust du das?"

"Ich stehe in deiner Schuld und das ist das Mindeste was ich tun kann, vor allem nachdem ich dich gebissen habe." Er stupste mich mit seiner feuchten Nase an den Oberarm.

Ich nickte lächelnd. "Ich nehme dir das nicht übel", sagte ich leichthin. "Du solltest aber etwas Abstand von den Pferden halten", fügte ich an.

Winter stimmte mir zu und ich stand auf.

"Er begleitet uns", informierte ich Quinn und Tyrus, nachdem ich wieder bei ihnen stand. "Wir können seine Unterstützung brauchen", nickte Quinn und Tyrus nahm es mit einem skeptischen Blick hin. Danach erschuf er ein Portal, durch das wir gingen.

Durch meine bisher überschaubare Anzahl an Portalreisen, hob sich nach der Landung mein Magen etwas. Ich atmete tief ein und aus, um ihn zu beruhigen und um mein Essen bei mir zu behalten. Nachdem es einigermaßen ging, öffnete ich die Augen und sah mich um. Wir befanden uns vor einer Bergkette, durch die ein Tunnel führte. Vereinzelt standen Baumgruppen herum und das Gras war kniehoch.

Winter fing sofort an herumzulaufen und zu schnuppern. Er schien nichts Verdächtiges ausmachen zu können, weshalb er wieder zurückkam und mir zunickte. Währenddessen hatte Quinn mein Pferd mit seinem verbunden. Er half mir durch eine Räuberleiter in den Steigbügel, sodass ich aufsitzen konnte.

Natürlich sah ich dabei aus wie ein Walross und Quinn konnte sich nur knapp ein Lachen verkneifen.

Anschließend schwang er sich extra Elegant in den Sattel und warf mit einen so-macht-man-das-Blick zu.

"Idiot", murmelte ich, bevor ich die Augen verdrehte. 

"Kartoffelsack", kam es sofort zurück. "Ich sollte mir dringend neue und vor allem nettere Freunde suchen", sagte ich und betonte nett extra. 

"Ha! Nett ist der kleine Bruder von Arschloch", grinste er und ich gab mich geschlagen, obwohl es schon etwas an meinem Ego kratzte. 

Quinn konnte sich ein Lachen nicht verkneifen. "Du hast den gleichen Gesichtsausdruck wie früher immer", erklärte er, bevor er Minou Antrieb. Kurz vor dem Tunnel ließ Quinn eine faustgroße glühende Kugel entstehen, die den finsteren Weg ausleuchtete. 

"Wir müssen es noch heute durch den Tunnel schaffen. Es gab schon lange keinen Regen mehr und der Tunnel wird oft überschwemmt, wenn es zu heftigen Wassergüssen kommt." 

Damit macht er mir gerade schon etwas Angst, weil ich ziemlich Schiss vor dem Ertrinken hatte. Aber immerhin hatte ich keine Angst vor Wasser im allgemeinen.

Wir ritten in den Tunnel dessen Decke zwei Handbreit über meinem Kopf endete. Gerade so hatten hier zwei Pferde nebeneinander Platz und es roch etwas modrig. Die glühende Kugel wanderte vor uns her und beleuchtete die leicht feuchten Wände. Der Boden bestand aus Stein und das Klappern der Hufe hallte durch den gesamten Tunnel. 

Winter zierte sich etwas vor der Dunkelheit, doch dann überwand er sich und folgte uns. Quinns Socius würde über die Berge fliegen.

~*~

Mein Zeitgefühl ging durch die eintönige Schwärze verloren, sodass ich ziemlich überrascht war, als wir aus den Tunnel traten. Denn die Sonne stand schon tief am Himmel und der Horizont verfärbt sich orange. Durch Quinn und Winter war die Zeit nur so an mir vorbei geflogen. Außerdem hatte ich zwischendurch geübt eine kleine Flamme zu erzeugen.

Vor uns erstreckte sich nun ein Tal, das von Bergen umgeben war und in dessen Mitte sich ein See befand. An einer Baumgruppe etwas abseits des Weges beschlossen wir, eine Rast zu machen und unser Nachtlager aufzuschlagen.

In dem Moment in dem meine Füße den Boden berührten, wäre ich beinahe eingeknickt. Durch das Reiten fühlten sich meine Beine an wie Wackelpudding. Zum Glück stand Quinn in der Nähe, wodurch ich mich bei ihm abstützen konnte. Währenddessen lief Winter ausgelassen herum und die Pferde fingen an zu grasen. 

Nach einer ganzen Weile – in der Quinn sich natürlich über mich lustig gemacht hatte – traute ich mich wieder selbst zu laufen. Ganz sicher fühlte ich mich noch nicht, aber es wurde langsam. Wir verzichteten darauf, ein Feuer zu machen, um keine unnötige Aufmerksamkeit auf uns zu ziehen. Also begnügten wir uns mit Brot und etwas gekochtem Fleisch, das wir noch auf Vorrat hatten. 

Kurz nachdem wir aufgegessen hatten, stieß der Adler zu uns. Vermutlich war er auf der Jagd gewesen, so wie Winter, der im Wald verschwunden war.

Solange es noch hell war, übten wir Schwertkampf. Jedes Mal wenn Quinn mich besiegte, konnte man ihm den Unmut ansehen. Er dachte noch immer, dass ich nicht dazu bereit war mich in die Stadt des Feindes zu begeben.

Aber ich betrachte Salviar nicht als Feind. Er war nur verletzt und ich konnte das durchaus nachvollziehen. Wenn ich Toni verlieren würde, würde es mir sicherlich genauso gehen oder schlimmer. 

Nur hatte ich leider noch keine Ahnung wie ich Salviar von seinen Plänen abbringen könnte. Ob er uns überhaupt einlassen wird? 

Immerhin würde ich in den Zeiten des Krieges niemanden in das Herz meines Landes einlassen. 

Mein Körper war vollkommen erschöpft, aber mein Geist war hellwach. Stundenlang wälzte ich mich und die Fragen in meinem Kopf hin und her, bis ich endlich einschlief.

Die Tochter der SterneWhere stories live. Discover now