Kapitel 15

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Matteo's Sicht

Nach dem Emery aus meinem Sichtfeld verschwindet, steige ich in die nächste Bahn ein, die zu mir nach Hause fährt.

Cassandra hat mich schon drei mal angerufen nach unserem letzten Telefonat. Obwohl es nicht wirklich offiziell ist, lebt sie mit mir und Vincent zusammen. Ich kann mir vorstellen, dass es Vince auch nicht mehr so toll findet. Um ehrlich zu sein, nervt es mich auch ein wenig.

Natürlich bin ich froh sie da zu haben, aber ich sehe Cassie auch jeden Tag auf der Arbeit und Abends möchte ich meistens meine Ruhe haben oder mit Vincent Zeit verbringen. Wir haben lange keinen Abend mehr draußen verbracht oder einfach über belangloses Zeug geredet.

Seufzend mache ich mir eine Zigarette an, sobald ich raus aus der Metro bin.

Ich bin verzweifelt. Einerseits möchte ich zurück zu Emery, das wollte ich schon immer, aber andererseits möchte ich Cassandra nicht verletzen. Liebe ich Cassie überhaupt? Oder habe ich immer nur Emery geliebt?

Ist Cassandra nur wie eine Salbe gewesen, die mich von den Wunden geheilt hat, die damals verursacht wurden?

Apropos damals... Sie weiß noch immer nichts von der Knast Sache. Ich habe ihr die größte Sache aus meinem nicht erzählt. Ich hatte Angst das sie mich verlässt, aber jetzt habe ich das Gefühl das ich genau das möchte. Sie soll mich verlassen.

Fuck.. Alles ist zu verwirrend und zu viel im Augenblick. Emery hat sich doch erst gestern von diesem Rafael Typen getrennt.

Ich bin vermutlich das größte Arschloch auf diesem Planeten.

Völlig in Gedanken schließe ich die Haustür auf. Vincent liegt auf dem Sofa und hebt die Hand um mich zu begrüßen. «Hola, hermano.» sagt er und ich gebe ihm ein High Five.

«Alles klar bei dir?» frage ich und werfe mich neben ihn auf das Sofa. Gelangweilt schaut er sich ein Fußballspiel an. «Wer gewinnt?»

«Manchester.» meint er gähnend und schaut mich endlich an. Er lacht. «Du siehst scheiße aus.» Ich lache ebenfalls.

«Wenn du nur wüsstest was ich heute alles erlebt habe.» Seufzend streiche ich durch mein Gesicht. Ich bin echt müde. «Mein Leben ist wie ein schlechter Film.»

«Alter, übertreib's doch nicht wieder.» Vincent nimmt die Fernbedienung in die Hand und schaltet den Fernseher aus. Manchester hat sowieso schon gewonnen, die Gegner könnten in den letzten Minuten nicht mehr aufholen. «Was ist passiert?»

Ich seufze erneut. «Emery.» sage ich nur, denn genau in dem selben Augenblick kommt Cassandra aus dem Badezimmer heraus. Neben ihr kann ich unmöglich darüber sprechen. «Ich erzähle es dir später.»

«Hey, Matt.» sagt Cas und gibt mir einen kurzen Kuss auf die Lippen. Ich fühle mich kurz unwohl. «Hi, Baby.» sage ich dennoch.

«Können wir kurz unter vier Augen sprechen?» Sie schielt kurz zu Vincent rüber, der nur genervt seine Augen verdreht. Nickend stehe ich auf. Sofort hackt sich Cassandra bei mir ein und zusammen gehen wir in mein Schlafzimmer.

«Ich wollte sowieso mit dir etwas besprechen.» sage ich, nach dem ich mich auf mein Bett setze. Cassandra setzt sich neben mich. «Kann deins noch warten?» fragt sie mich, woraufhin ich nicke.

Lächelnd nimmt sie sich meine Hand. «Also, ich habe mir gedacht, dass wir uns vielleicht eine Wohnung suchen könnten. Nur wir beide. Ich lebe praktisch schon hier und ich dachte mir es könnte ein neuer Schritt für unsere Beziehung sein. Was denkst du?» Seufzend fahre ich mit meiner Hand, die ich aus ihrer ziehe, über meinen Bart und blicke gerade aus auf die geschlossene Tür.

«Ich werde dir jetzt den Grund erzählen, warum ich für fünf Jahre hinter Gittern war.»

«Oh.. okay.» sagt sie nur leise und lässt mich sprechen. Kurz überlege ich, ob ich wirklich bereit dafür bin, aber dann fällt mir erneut ein das ich vielleicht nach diesem Gespräch doch noch eine Zukunft mit Em haben könnte. Ich atme tief ein und aus.

«Vor fünf Jahren hatte ich gerade mein Studium beendet. Du weißt, ich habe Biologie auf Lehramt studiert. Eigentlich hätte mein Referendariat erst mit 25 begonnen, aber ganz zufällig und spontan hatte ich doch noch eine Stelle gekriegt. Die Schule hatte Lehrermangel.» Kurz lache ich auf, als ich mich daran erinnere, wie der Schulleiter verzweifelt Lehrkräfte suchte. «Ich habe meinen Job geliebt, Cassandra. Ich wollte schon immer Lehrer werden und es macht mich echt fertig, dass dies nicht mehr klappt.»

Besorgt legt sie ihre Hand auf meinen Oberschenkel. «Was ist dann passiert, Matteo?»

«Ich.. Ich hatte mich verliebt.» sage ich mit zittriger Stimme. «Ich hatte mich in ein freches, dickköpfiges, wunderschönes Mädchen verliebt. Sie war 17. Ich war 23 und ihr neuer Biologie- und Sportlehrer.» Mit geweiteten Augen nimmt sie ihre Hand von meinem Bein. Meine Augen füllen sich mit Tränen.

«Hast du..? Hast du sie...?» Schnell schüttele ich meinen Kopf.

«Oh Gott! Nein, nein. Sie hat sich auch in mich verliebt. Alles war beidseitig. Sie war aber meine Schülerin und dazu noch minderjährig.» Cassie guckt mich nun erleichtert an, aber rutscht dennoch ein wenig weiter weg von mir. «Manchmal,» sage ich lächelnd. «Manchmal denke ich noch an sie und bereue es, dass ich sie gehen lassen habe. Andererseits bin ich froh darüber, weil ich dich kennengelernt habe, aber du musst wissen das Emery immer einen besonderen Platz in meinem Herz haben wird.»

«Matteo...» murmelt Cassandra leise, während sie ihre Hand auf meine Wange legt und meinen Kopf in ihre Richtung dreht. «Liebst du mich, Matteo?»

«I- Ich denke schon.» Eine Träne fließt meine Wange runter. Cassandra fängt ebenfalls an stumm zu weinen. «Ich will dich lieben, Cas.»

«Aber du tust es nicht.» schluchzt Cassie schmerzvoll. «Und das ist auch in Ordnung. Ich bin nicht sauer auf dich.»

«Cassie..» Ich vergrabe mein Gesicht in ihrer Halsbeuge. «Cassie, ich weiß nicht was ich tun soll. Ich bin so am Ende, verzweifelt und ahnungslos. Ich weiß nicht wie es weitergehen soll.»

Sachte geht sie durch meine Haare und drückt mir einen Kuss hinter mein Ohr. «Alles ist gut. Wir regeln das schon. Du liebst sie und das ist vollkommen in Ordnung. Lass es einfach raus, Matt.»

Und das tue ich dann. Ich lasse all meine angesammelte Frust, Trauer und Wut heraus indem ich mich in den Armen von Cassandra ausweine.

five years apart | ✓Where stories live. Discover now