Kapitel 12

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Emery's Sicht

«Sieht doch ganz... nett aus.» murmele ich unsicher und lege den Pinsel auf den Boden, welcher mit Zeitungen ausgelegt ist. Travis seufzt enttäuscht auf und setzt sich daraufhin hin auf den Boden.

«Ich habe dir gesagt, dass diese Farbe einfach nicht zum Konzept passt.» Verzweifelt geht er sich durch die Haare, die mittlerweile etwas länger sind als vorher.

«Hey! Jetzt gib die Schuld nicht nur mir. Der Verkäufer hat gesagt, dass es an der Wand heller aussehen wird.» Ich puste meine Locke, die in mein Gesicht fällt weg und setze mich neben Travis.

«Em,» sagt er nach einer langen Stille. Travis dreht seinen Kopf zu mir. «Solltest du nicht eher mit Rafael zusammenziehen anstatt mit deinen besten Freunden?» Seufzend lege ich meinen Kopf auf seine Schulter.

«Ich bin noch nicht bereit.» gebe ich ehrlich zu und spiele mit dem Saum meines Shirts.

«Wie lange seid ihr beiden schon zusammen? Fast drei Jahre?» fragt er mich und ich nicke als Antwort. «Wieso bist du denn nicht bereit, Em?»

«Keine Ahnung. Ich habe das Gefühl, dass es eine sehr große Verantwortung ist. Ich fühle mich einfach noch nicht bereit.» Ich klopfe auf meine Oberschenkel und stelle mich wieder vor die Wand, um dieses Thema zu beenden. «Na los. Wir müssen heute mit diesem Raum fertig werden. Morgen kommen die Möbel.»

«Können wir Pizza bestellen?» fragt Travis seufzend und legt sich diesmal auf den Boden.

«Ja, aber erst dann, wenn wir fertig mit diesem Raum sind.» Ich ziehe meinen besten Freund an seiner Hand hoch und klopfe leicht auf seine Wange.

«Ugh. Ich hasse dich.»

«Ich liebe dich auch, Trav.»

-

Tatsächlich sind wir mit dem Wohnzimmer fertig geworden und sitzen erschöpft auf dem Boden. Samuel und Lillian werden erst morgen aus den Staaten wieder hierher kommen, denn ihr Flug wurde kurzfristig wegen einem Unwetter verschoben.

Da wir alle mit unserem Studium fertig geworden sind, sind wir nun endlich wieder in unserer Heimat. Auch wenn es in Amerika ziemlich toll war, ist nichts besser als London.

Rafael hat sich für mich von seiner Heimat getrennt, jedoch ist er zurzeit ein wenig eingeschnappt— fast schon wütend, weil ich nicht mit ihm sondern mit meinen besten Freunden eingezogen bin.

«Hey, Em.» sagt Travis nach einer kurzen Stille. «Wollte Rafe nicht helfen kommen?»

Seufzend gehe ich durch meine Locken. «Er ist wütend auf mich. Wegen dem Umzug.» Ich kratze die Wandfarbe von meinem Nagel weg, wobei ich bewusst Augenkontakt mit Travis vermeide. «Er ist davon ausgegangen, dass ich mit ihm zusammenziehen würde.»

«Ich dachte du hättest das mit ihm besprochen.» Ich spüre seinen Blick auf mir.

«Er hat mir gar keine Möglichkeit gegeben.» sage ich schlecht gelaunt. «Es läuft zurzeit einfach nicht mehr so gut. Ich weiß nichtmal wo er ist. Er wollte mich anrufen, wenn er gelandet ist.»

Langsam hebe ich meinen Kopf und schaue meinen besten Freund an. «Du kannst ihn doch anrufen.»

«Ja. Das ist eine gute Idee.» Ich stehe vom Boden auf, klopfe meine Hose ab, weil sie voller Staub geworden ist. Wir hatten nämlich noch nicht sauber gemacht. Danach schnappe ich mir mein Handy und gehe auf den Balkon, um ihn Ruhe mit meinem Freund zu sprechen.

Tief atme ich ein und aus, bevor ich Rafe's Nummer wähle. Es klingelt zwei mal bis er rangeht.

«Hey.» sage ich vorsichtig. Ein Seufzen kommt vom anderen Ende der Leitung. «Hi.» erwidert er leise.

«Bist- Bist du gelandet?» Meine Augen füllen sich mit Tränen, weil ich zu viel Angst vor diesem Gespräch habe.

«Nein.» sagt Rafael diesmal lauter. «Ich bin nicht eingestiegen.»

«Oh.. Wurde dein Flug verschoben?» frage ich mit zittriger Stimme. Dabei fließt mir eine Träne über die Wange.

«Nein.» wiederholt Rafe. «Ich werde nicht kommen, Emery.» Schnell lege ich meine Hand über meinen Mund, um die Schluchzer verstummen zu lassen.

Auch wenn ich weiß, was dies bedeutet, will ich es dennoch nicht akzeptieren. «W-wieso nicht? Ist irgendwas mit deinen Eltern?»

«Em.» Er klingt genervt. «Mache es nicht härter als es ist. Du weißt ganz genau worüber ich spreche.»

«Es kommt mir nicht so vor, als wäre es hart für dich! Du machst übers Telefon mit mir Schluss.» Ich merke wie mehr Tränen anfangen zu fließen, aber kann meine Schluchzer glücklicherweise zurückhalten.

«Hör auf das Opfer zu spielen! Du weißt ganz genau wieso!»

«Ist es, weil ich mit meinen Freunden zusammenziehe und nicht mit dir?» Er atmet laut ein und aus. Aber eine Antwort kriege ich nicht.

Ein paar Minuten vergehen.

«Was hat sich in den letzten sechs Monaten geändert, Rafael?» frage ich leise schniefend und versuche nicht mit dem schlimmsten zu rechnen.

«Es tut mir so leid.» Auch seine Stimme zittert nun. «Es tut mir so leid, Em. Du weißt ich habe dich geliebt.»

«Geliebt? Wann hast du bemerkt das du nichts mehr für mich empfindest, Rafael?» Am liebsten will ich das Handy über den Balkon werfen und nie wieder mit ihm ein Wort wechseln, aber ich muss es wissen. Ich muss wissen, was er zu sagen hat.

«Ich.. Ich habe jemanden kennengelernt. Vor vier Monaten. Es tut mir so leid, Emery. Ich habe dich wirklich sehr geliebt.»

«Anscheinend war es nicht genug.» Mit diesen letzten Worten lege ich auf, stecke mein Handy in meine Hosentasche und streiche meine Tränen weg. Ich warte einen Moment, bevor ich zurück zu Travis ins Wohnzimmer gehe.

«Und? Ist er gelandet?» fragt mich mein bester Freund.

«Nein. Er wird auch nicht mehr kommen.»

five years apart | ✓Where stories live. Discover now