Blutrausch

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Bereits zwölf Tage war Melanie hier. Die erste Woche war ganz interessant, sie haben abwechselnd in menschlicher und wölfischer Form verschiedene Kampftechniken geübt, sowohl mit, als auch ohne Waffen. Wie sie dich gegen andere Werwölfe oder auch normale Wölfe verteidigen, wenn eine Verwandlung nicht möglich ist, wie sie in wölfischer Gestalt Menschen, insbesondere bewaffneten, begegnen sollten, da diese nicht mitbekommen sollten, dass sie Werwölfe sind. Um das ganze etwas aufzulockern, machten sie auch einige Jagdspiele, die bereits die Jüngsten, die noch gar nicht jagen dürften, von den älteren Wölfen lernen. Es waren jeweils zwei bis drei Einheiten am Tag, vormittags, Nachmittag, und abends je eine, wenn Pratoren da waren, die sich um sie kümmern konnten, da natürlich auch der Anteil der Schüler der Pratoren, die in dieser Zentrale ausgebildet werden, versorgt sein mussten. 
Doch in der zweiten Woche langweilte sie sich. Keine Trainingskämlfe standen jetzt auf dem Plan, sondern trockene Theorie. Zwar hatte sie nicht diese seltsamen, unnötigen Fächer, die an ihrer Menschenschule unterrichtet wurden, aber trotzdem: eine ganze Woche in stickig Klassenzimmern sitzen, täglich vier Unterrichtsstunden, die zeitlich genau festgelegt waren, und keine Zeit zwischen oder nach den Stunden in den Wald zu gehen. Ihr Bruder war zwar auch hier, und sein Zimmer direkt gegenüber von ihrem, doch Meliorn bekam Einzelunterricht, um auf seine Rolle als künftiger Alpha vorbereitet zu werden, während seine Schwester zwischen den Gruppen der Krieger (Gamma), Jäger (Delta), und Betas hin- und hergeschickt wurde.
Außerdem konnten sie sich kaum sehen in der zweiten Woche, außer bei Meliorns abendlichen Übungskämpfen und ab und zu zum Essen.
Doch sie freute sich, daß jetzt endlich Sonntag war, denn das hieß, dass sie - und leider auch Ben - frei bekommen, da ihr Vater bald vorbeikommen wollte. Geplant war für sie beide ein Theorietest und ein Reaktionstest, bei dem sie zeigen sollten, wie sie auf Werwölfe verschiedenes Ranges reagieren sollten. Ben würde diesen Test als Beta durchlaufen, während Melanie eine Rolle zugewiesen würde, da von ihr als Kind eines Alphas erwartet wurde, dass sie sich gut in die einzelnen Ränge einfühlen könne. Natürlich würden sie nicht mit Mitgliedern aus ihrem Rudel konfrontiert werden, sondern ausgebildeten Pratoren.
Diese beiden Tests sollten durch sein, bevor ihr Vater kam, so dass er nur die Ergebnisse erfahren würde. Wenn ihr Vater da war, sollten Melanie und Ben sich duellieren, wobei ihr Alpha anwesend sein würde, sowie einige Pratoren, um im Notfall eingreifen zu können.
Für Melanie erschien es zwar von den Anforderungen her einfach, doch von der Menge her durchaus genug. Allerdings wusste sie nicht, dass diese drei Tests ihrem Vater nur Aufschluss über ihren Fortschritt und ihre Bereitschaft, sich den Anweisungen der Pratoren zu fügen, zu geben. Aufgrund der Ergebnisse, würde er den Pratoren Anweisungen geben, worauf sie in den nächsten zwei Wochen, verstärkt achten sollten, den ohne Instruktionen, durften die Pratoren kein personalisiertes Training durchführen.
In der Zeit, in der der Alpha mit den Pratoren sprach, würden Ben und Melanie Zeit haben, sich von ihrem Duell zu erholen, und dann allein mit ihm reden, was sie natürlich dann erst erfahren würden, wenn es so weit wäre.
Doch heute freute Melanie sich darauf, den Nachmittag mit ihrem Bruder verbringen zu können, da er nachmittags frei hätte, doch sie wusste nicht, was sie bis dahin machen sollte. In ihren Zimmer wollte sie nicht bleiben, aber würde sie was anderes machen, wären vermutlich sofort Ben und seine Schoßhunde hinter ihr her. Im Unterricht konnten sie nichts machen, und auch wenn Meliorn in der Nähe war, würden sie ihr kein Haar krummen, da Ben zwar Meliorn als seinen zukünftigen Alpha respektierte, und sogar mit ihm befreundet war. Er wusste, wieviel seine Schwester ihm bedeutete, auch wenn ihr nie denselben Respekt und dieselbe Stellung zugestehen würde, wie ihrem Bruder. Auch Melanie ließ ihren Bruder nicht wissen, wie sein Beta sich ihr gegenüber verhielt, wenn sie alleine waren, da sie vermeiden wollte, dass er dem dem Stress, den er sowieso schon hatte, noch Stress mit seinem Beta bekam.
Melanie würde ohne ihn zurechtkommen müssen. Doch das sollte nicht schwer sein, denn Bens Schoßhunde wagten nicht, sich mit ihr anzulegen, und mit dem würde sie allein fertig werden, auch wenn es für das Duell nicht grade förderlich wäre. Für den Moment beschloss sie jedoch, sich umzudrehen, und weiterzuschlafen.

...

...

...

Als Melanie wieder aufwachte, blendete sie die Sonne. Da diese nur zu einer bestimmten Zeit direkt in das kleine Zimmer und ihr Gesicht scheinen konnte, wusste sie sofort, dass es kurz nach Mittag sein musste. Also noch mindestens eine Stunde, wenn nicht mehr, bis sie endlich zu ihrem Bruder könnte. Doch sie wollte nicht länger untätig rumliegen und warten. Sie entschied, dass sie ziemlich hungrig war, auch wenn sie in Kauf nehmen musste, womöglich Ben zu begegnen. Ohne Zwischenfälle gelangte sie zunächst in die ganztägig besetzte "Kantine", wobei niemand ihr genau sagen konnte, was dieses Wort eigentlich bedeutete. Irgendwas musste es doch mit Fleisch zu tun haben, oder? Denn hier gab es eine große Menge Fleisch. Ob roh, gekocht, gebraten, bebacken oder geröstet, war da alles mit dabei, und vieles, bon dem sie noch nie in ihrem Leben gehört hatte. Am Geruch des rohen Fleisches merkte sie, dass es heute Dammwild gab. Das war fast schon langweilig. Schafe oder so etwas waren wenigstens interessant, weil sie die von Menschen gehaltenen Tiere nicht jagen konnten und so auch nicht wirklich wussten, wie sie schmecken, bevor sie hier angeboten wurden.
Melanie balanciert ihr kostbares Fleisch zu einem Tisch etwas abseits, so dass sie nicht direkt im Blickwinkel auf Fleisch fixierter Werwölfe war, doch immer noch leicht zu finden, wenn man sich etwas umsah. Genau in diesem Moment musste natürlich Ben auftauchen, und, woe sollte es auch anders sein, sie fast sofort entdecken. Überheblich grinsend kam er auf sie zu, als er bemerkte, dass sie allein war.
"Na wen haben wir denn hier? So allein? Hast du denn keine Freunde? Oh, das tut mir aber leid, was mein ihr Jungs, wollen wir ihr nicht Gesellschaft leisten?"
Melanie sagte nichts, sag nicht einmal auf, als seine Freunde und er sich auf die anderen Stühle fallen ließen. Erst als Eimer der beiden meinte, sich ihrem Fleisch nähern zu können, knurrte sie leise, was diesen sofort zurückzucken ließ. Der Jäger, auf ihrer anderen Seite schienutiger zu sein, und klaute blitzschnell etwas von ihrer wertvollen Beute. Ruhig stand Melanie auf, baute sich vor ihm auf, und knurrte ihn mit ihrer Alphastimme an. Auch wenn sie nicht so ausgeprägt war wie bei ihrem Vater, oder ihrem Bruder, umterwarf er sich ihr sofort. Im Augenwinkel sah sie den Angsthasen von vorher zusammenzucken, nur Ben schien unberührt. Es war klar, dass ihre schwach ausgeprägte Alphastimme zwar gegen Jägerkinder Wirkung zeigte, aber gegen Erwachsene wäre sie wirkungslos, ebenso wie gehen Ben, der sich noch dagegen wehren konnte.
Stumm beobachtete er das Spektakel, bis er plötzlich loslachte.
"Ist das euer Ernst, Leute? Die tut doch nichts! Schaut mal, da passiert nichts...", sagte er lachend, und wagte es, begleitet von wütendem Knurren, ihr Fleisch zu klauen, und ihren kostbaren Schatz dann tatsächlich zu essen! Das war zu viel. Melanie stürzte sich auf ihn, verwandelte sich nebenbei und hätte den völlig überraschten Ben wahrscheinlich umgebracht, wenn die Pratoren nicht sofort reagiert hätten, die die ganze Situation schon argwöhnisch verfolgten. Das alles bekam Melanie nicht mit, ebenso wie Bens weglaufen Freunde, oder drei ausgewachsene Pratoren, die mit aller Macht versuchten, sie von Ben zu trennen, ohne ihr selbst zum Opfer zu fallen. Sie bekam auch nicht mit, wie ein vierter Prator ihre Aufmerksamkeit auf blutiges Fleisch lenkte, woraufhin die anderen Pratoren sie losließen, und sie dem vierten die Keule förmlich entriss.
Das, was wir hier erleben, ist ein Blutrausch. Jedes Kind weiß, dass man Raubtiere nicht beim Fressen stört und Ben hatte versucht, ihr Fressen zu stehlen. Junge Werwölfe, ebenso wie welche, die erst vor kurzem furchtbar einen infizierenden Biss zu welchen wurden, neigen bei sowas dazu, in einen Blutrausch zu fallen, da sie sich weniger unter Kontrolle hatten, als erwachsene Werwölfe. Ein Werwolf im Blutrausch denkt entweder an Töten oder Fressen, je nachdem, worauf man seine Aufmerksamkeit lenkt. Dies geht entweder solange, bis er vor Erschöpfung umkippt, oder sich durch genug Futter wieder beruhigt. Für die Pratoren war es am einfachsten, Melanie fressen zu lassen, und andere von ihr fernzuhalten, denn in diesem Zustand würde sie nicht mal ihren Zwillingsbruder erkennen - und sich wahrscheinlich später nicht mehr erinnern, wenn sie wenn verletzte, weswegen man sie auch nicht dafür verantwortlich machen könnte.

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⏰ Last updated: Dec 02, 2022 ⏰

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MelanieWhere stories live. Discover now