Delta vs. Alpha

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Sie ruhten sich aus. Nach zwei Kämpfen wollten sie nicht direkt weiter vordringen. Doch sie waren im Startgebiet, wo viele Werwölfe von verschiedensten Rängen umher streiften, und so war es nicht verwunderlich, dass Meliorn schon bald vor neuen Gegnern warnte.

„Sehr nah. Kein Hinterhalt möglich. Stärker als wir. Zu viert. Haben langjährige Erfahrung, oder sind zumindest nicht beim Training der Neueinsteiger dabei gewesen.", rasselte er herunter.

Sie mussten sich etwas einfallen lassen. John beschloss schließlich in einem Ton, der keinen Wiederspruch duldete, dass sie sich den Vieren stellen würden um sie nach Möglichkeit in Einzelkämpfe zu verwickeln. Da ihre beiden jüngsten Mitglieder sich relativ gut geschlagen hatten, sollten sie sich zunächst zurückhalten, und eingreifen, wenn irgendjemand in Schwierigkeiten geriet. Den anderen dreien befahl er, sich zu verstecken, aber in der Nähe zu bleiben, um keine weiteren Angreifer anzulocken. Selbst Melanie, die gerne mit John diskutierte, fügte sich ohne Widerrede.

Sie waren vorbereitet, doch als ihre Gegner schließlich in Sichtweite waren, erstarrte Melanie dennoch einen Moment. Sie erkannte die Gegner augenblicklich. Die Zeit schien stehen zu bleiben.

„Das kann nicht sein!", dachte Melanie panisch.

„Sie können doch nicht aus unserem Rudel sein! Nicht hier! Und vor allem, wo kommt dieser Hass her!", fuhr es ihr durch den Kopf.

Hypnotisiert sah sie ihren Bruder bereits gegen einen Gegner kämpfen und registrierte, so unbeteiligt, als würde sie einen Film gucken – auch wenn sie selbst keine Vorstellung haben konnte, wie das war – dass beide Kontrahenten etwa gleichstark waren.

Sie sah auch, dass zwei der Gegner sich von hinten herangeschlichen hatten, scheinbar die Köder erledigt hatten, die sich eigentlich raushalten sollten und nun gegen John kämpften. Aus den Augenwinkeln bemerkte sie, wie Lena zuerst zu ihrem Bruder kommen wollte, allerdings zögerte, da Melanie wie gelähmt schien, zumal ihr Bruder John bereits von en anderen beiden unterstützt wurde.

Melanie kannte die anderen drei nicht, aber die Anführerin, und scheinbar auch älteste von ihren Gegnern, kannte sie mehr als ihr lieb war. Sie war die ältere Tochter der Deltas und somit zählte sie zu den ranghöchsten Jägern – eigentlich. Denn ihre kleine Schwester zählte zu Melanies besten Freunden im Rudel, weshalb sie natürlich aufgrund dieser Beziehung zu den Alphas selbst von ihren eigenen Eltern mehr geschätzt wurde, als ihre ältere Schwester.

Melanie war also daran schuld, dass sie ihren rechtmäßigen Rang im Rudel nie würde einnehmen können, und die Jagd war die einzige Möglichkeit, um sich an der Tochter des Anführers zu rächen. Mit schnellen Scheinangriffen wollte sie Melanie zurückdrängen. Doch Lena bemerkte, dass sich Melanie von ihr abtreiben ließ. Sie stürmte daher von der Seite her auf ihre Gegnerin zu. Diese wandte sich Lena zu, um den Angriff geschickt abzuwehren. Melanie bekam so zum ersten Mal Gelegenheit zum Angriff und zerfetzte ihrer Gegnerin die nun ungeschützte Schulter, auch wenn es nur oberflächlich war. Diese Zerkratze als Antwort Melanies rechte Gesichtshälfte, und hätte ihr beinahe ein Ohr mit abgerissen, wenn Melanie nicht gerade noch rechtzeitig reagiert hätte. Ihre Gegnerin bemerkte, dass sie so nicht weit kommen würde. Sie verringerte die Kraft ihrer Angriffe ein wenig, erhöhte jedoch erneut ihr Tempo, wodurch sie sich gegen Lena und Melanie einigermaßen wehren und zudem angreifen konnte.

Diesmal war Melanie vorbereitet. Sie sprang zur Seite und zerbiss der verwirrten Gegnerin, welche nicht mit dieser schnellen und vorausschauenden Reaktion gerechnet hatte, die weiche Flanke. Die Taktik war zwar unter Jägern weit verbreitet, gehörte allerdings zu den Techniken, die kaum einer der höherrangigen Werwölfe kannte, da sie eigentlich ausschließlich bei der gewöhnlichen Jagd zum Einsatz kam. Nur dass Melanie nie Alpha werden würde, und von daher allgemein mehr Zeit bei den Jägern und anderen Mitgliedern ihres eigenen Rudeln verbrachte, als bei den Alphas oder Betas anderer Rudel, so wie Meliorn es gezwungenermaßen tat.

Melanie hatte wahrgenommen, dass sie mittlerweile mit Lena die einzige war, die noch aufrecht kämpfend stand. Ihr Bruder und dessen Gegner lagen beide nieder, sie haben sich entsprechend Melanies Einschätzung gegenseitig außer Gefecht gesetzt. So hatte Meliorn zwar einen der Gegner besiegen können, konnte ihnen jedoch selbst nicht mehr helfen. Die beiden neuen haben anscheinend einen Angreifer in Schach halten können, doch Melanie merkte dass sie zunehmend Fehler machten und sich kaum noch auf den Beinen halten konnten. John schien zwar den anderen Gegner besiegt zu haben, doch auch er konnte gegen den anderen nicht ankommen, der soeben die neuen besiegte. Er würde wahrscheinlich nicht lange durchhalten. Sie nickte Lena zu und schickte sie damit zu ihrem Bruder. Er brauchte ihre Hilfe dringender als sie selbst. Melanie kannte ihre Gegnerin wenigstens, John dagegen stand einem Unbekannten gegenüber.

Es war wie bei Meliorn ein Kampf, den keiner gewinnen konnte. Keiner der beiden konnte seinem Team nach diesem Kampf erneut helfen. John war keine große Hilfe und vermutlich hatte Lena Glück, dass ihr Gegner bereits angeschlagen war. Melanie war sich sicher, dass sie ihn besiegen konnte, doch es würde trotzdem ein kräftezehrender Kampf werden. Also kam alles auf sie an. Melanie wusste zu diesem Zeitpunkt nicht, dass Delta, wie sie ihre Gegnerin nannte, um jeden Preis ihren Tod wollte.

Melanie und ihre Gegnerin begannen heftiger gegeneinander zu kämpfen. Melanies Gegnerin schien wie der Unsichtbare ebenfalls ansatzweise den Übergang von menschlicher und wölfischer Form im Kampf zu beherrschen und schien sich ihrer Fähigkeiten sicher genug, um diese Taktik nun zu nutzen, da sie sich ja nur noch auf Melanie und nicht mehr noch zusätzlich auf Lena konzentrieren musste. Melanie wusste, dass es lebensmüde war, dennoch konterte sie mit den gleichen Angriffen. Erneut schien ihre Gegnerin überrascht, blieb aber konzentriert. Während es für Melanie nicht viel mehr als ein Spiel ging, war es für ihre Gegnerin viel mehr.

Melanie hatte es gewagt, sich mit ihrer Schwester anzufreunden, und diese so zu derjenigen gemacht, die momentan die nächste Delta werden sollte. Sie wäre damit die oberste Jägerin. Wäre Melanie nicht gewesen, würde sie einst diesen rang bekommen, nicht ihre kleine Schwester. Davon konnte Melanie nichts ahnen, doch sie kämpfte genauso verbissen wie ihre Gegnerin. Auch wenn sie viel Zeit bei den Jägern verbrachte, so hatten die teilweise eine ganz eigene Rangordnung zu haben, so dass man meinen könnte, sie wären ein eigenes Rudel und nicht nur Jäger.

Es schien nur noch eine Frage der Zeit zu sein, bis eine zusammenbrach, denn allmählich schwand auch ihre Kraft. Doch dann fand ihr Kampf ein jähes Ende als die Pratoren auftauchten, die neben der Großen Jagd auch vieles andere bewachten, und scherzhaft als die Polizei mit Pelz bezeichnet wurden. Sie kannten die Absichten von Delta und beendeten den Kampf. Er wurde zwar als unentschieden gewertet, trotzdem beharrten die Pratoren darauf, dass sie sich den anderen zwar nicht komplett unterordneten, aber ein Teil der ihnen unterstellten Werwölfe an sie abtraten, da die Pratoren meinten, Melanie hätte unmöglich gewinnen können. Melanies Entscheidung war schnell gefällt, und die beiden schwächsten Mitglieder wechselten ihre „Herren".

Nun waren im Team von Melanies Quartett nur noch Wölfe, die ihre Kampfähigkeit bewiesen hatten, obwohl es Melanie leid tat, die kleine Familie auseinanderzureißen. Sie hoffte, dass sie die beiden irgendwann zurückholen konnte, schließlich waren dass ja noch Kinder, die ohne ihren großen Bruder ziemlich hilflos waren (was sie von sich selbst nicht behaupten würde auch wenn sie nach menschlichem Maßstab genau das ist).

MelanieWhere stories live. Discover now