Der falsche Prator

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Melanie und ihr Bruder merkten fast gleichzeitig, dass der dritte Wolf eingetroffen war. Nur wenige Herzschläge später versuchten sie, ihr notdürftiges Quartier zu erstürmen. Melanie bekam von dem ausbrechenden Chaos kaum etwas mit, sie sah nur ein paar Sekunden später den erneuten schmachvollen Rückzug der Angreifer. Sie, ihr Bruder und Lena blieben unverletzt. Den Großteil hatte wohl wieder John übernommen was man ihm wieder mal ansah. Er hatte einen langen Schnitt quer über der linken Schulter. Einer der Angreifer muss direkt in ihn hineingestürzt sein, bevor er reagieren konnte.

Ihr Bruder machte sich offenbar noch wegen etwas anderem Sorgen. Es war das erst Mal seit langer Zeit, das er im Kampf gefasster war als sie, wo Kämpfe für sie sonst immer die einzige Beschäftigung schienen, die sie beruhigen konnte. Sie ging lautlos zu ihm hinüber, immer noch in ihrer Wolfsform.

„Was ist los?"

Er starrte sie einige Sekunden nur stumm an, doch Melanie schien es wie eine halbe Ewigkeit. Langsam, ganz langsam stieg Panik in ihr auf, überwältigende Panik, die sie der Ohnmacht nahe brachte. Inzwischen hatte er auch die Aufmerksamkeit von Lena, sowie von John, der die Zwillinge mit einer Mischung aus Argwohn und Neugier beobachtete, wobei er seine Neugier ziemlich erfolglos zu verbergen versuchte.

„Was glaubst du, wie viel Lärm haben wir verursacht? Unsere Gegner sind nicht wegen uns geflohen. Sie wollten den Pratoren nicht begegnen, welche bereits auf dem Weg sind. Man konnte sie deutlich hören, da sie sich bei einem Kampf wie diesem normalerweise keine Mühe geben müssten, um nicht aufzufallen. Sie wussten genau was sie taten, auch wenn das, was immer sie vorhatten, nicht funktioniert hat. Bei dem Lärm den wir verursacht haben ist das auch nicht sehr verwunderlich, oder? Unsere gegner haben genau den Moment abgepasst, in den sie sich selbst bei Misserfolg zurückziehen könnten, ohne von den Pratoren entdeckt zu werden. Doch auch als ich ihre Fährte aufgenommen hatte, lag das nicht an ihren lauten Schritten. Die waren eigentlich nur kurz hörbar, direkt nachdem sie sich zurückgezogen haben. Falls der Feind noch da wäre, würden sie ihn auf frischer Tat ertappen. Dann könnte er es nicht abstreiten. Als es still wurde, merkten die Pratoren nicht das Verschwinden der Angreifer, denn diese bewegten sich nach wie vor lautlos, sondern nur eine plötzliche Unterbrechung des Kampfes."

„ Das heißt...?"

„Ja, sie sind auf dem Weg hierher. Doch nicht da ist es, was mich beunruhigt hat. Sie waren bereits da."

„Wie meinst du das?"

„Sie kommen viel zu schnell. Selbst wenn sie gerannt wären, hätten sie frühestens jetzt da sein können. Außerdem wurde uns gesagt, dass sie sich ebenfalls in ihr Quartier zurückziehen würden, und dass ist vor der Arena Sie hätten uns durch die dicken Mauern nicht hören können, also haben sie die Arena noch gar nicht verlassen. Delta und ihr Team wollten uns in eine Falle locken und dazu bringen, ihnen einen Grund zu geben, eine Mannschaft zu disqualifizieren, um den Kampf zu vermeiden. Folglich hätte die andere keine Gegner mehr sie müssten keinen ihrer wertvollen Ränge verschwenden. Außerdem, hast du gemerkt, was mit den anderen Teams passiert ist? Als sie entlassen wurden, war ihre Mannschaft nicht mehr bei ihnen. Sie müssen von vorn anfangen, wobei Racheangriffe der ihnen zuvor Untergebenen nicht unwahrscheinlich sind. Jene, die sie unterworfen hatten, hatte man schon zuvor freigelassen, direkt nach ihrer Niederlage und nicht erst kurz bevor die Verlierer vollständig versorgt waren." 

„ Okay, das heißt wenn unsere Gegner sich erwischen lassen, verhindern sie, dass wir den Beta-Rang erreichen können?", hakte Melanie nach, bemüht die Fassung nicht zu verlieren. 

John und Lena hatten sich wieder zurückgezogen, scheinbar desinteressiert, doch sie hörten aufmerksam zu. 

Plötzlich mischte sich eine weitere, unbekannte Stimme ein: „Ich sehe schon, ihr haltet euch wohl für die ganz Schlauen was? Denkt nur die haben was verbockt, he? Habt ihr nicht auch angegriffen und jegen de Jesetz verstoßen? Und wagt es nich, mir mit Notwehr zu kommen. Wenn es Notwehr wäre, wären eure Jegner nicht so überrascht jewesen. Ihr habt nicht aus Notwehr gehandelt, sondern ihn' jezielt 'ne Falle jestellt, in die se lofen sollden. Es war 'n jeplanter Angriff. Soweet richtisch? Hä?" Er lächelte boshaft. „Da kommt sicher einijes zusammen, mit den Verstößen eurer Angreefer. Ihr habt unsern Plan schon recht gut durchschaut. Leeder zu spät. Eure Chancen auf den Rang könnten bei null stehen. Aber ihr hättet ja auch so verloren, ihr Loser, ich weeß nich, wieso eure Jegner sich das verspielt habn. Vielleicht wird ihnen ja nichts nachgewiesen und sie dürfen doch noch gegen euch Schwächlinge kämpfen. Betet schon mal, dass es nich so is!"

Lena war inzwischen nähergekommen und schien dem Prator, der vor ihr stand in die Kehle springen zu wollen. Melikorn schüttelte bloß fassungslos mit dem Kopf. Er schien ebenso wie Melanie davon angeekelt was da vor ihnen stand.

„Wir sind nicht annähernd so schwach, wie du arrogantes Arschloch uns bezeichnest, und nur weil wir denen nicht die Möglichkeit geben wollten, uns vor dem kapf außer Gefecht zu setzen, heißt dass nicht, dass die auch nur den hauch einer Chance gegen uns haben!"

Der Prator lächelte und meinte: „'n bessres Wort ist dir nicht eenjefalln? Un was die jeschischte mit de Schwächling seen anjeht: Jedes andre Team hätte sie schon erledischt, bevor se überhopt wüssten, wat jerade pasiert is. Aba ihr hapt se sellenruhisch erwartet un versucht de scheenheylijen zu spielen, währnd die janz jeno wussten, se könn euch uf de Nase rumtansen. Wenn die uns nich so verdammt früh jewiddert hädden, hädden se euch erst mundtot jemacht. So könn se sich drof verlassn, dass se nisch erwischt werdn, weil se janz jeno wusstnl, wann se abhaun müssn"

Melanie wurde schlecht bei der Aussprache. Sie fragte sich, ob er stockbetrunken war oder sie nur provozieren wollte. Wieso durfte so jemand überhaupt bei den Pratoren arbeiten. Mehr bekam sie nicht mehr mit. Ziel ihrer Gegner war es nicht gewesen, sie zu tödlich zu verletzen, wie sie jetzt merkte. Das Gift, ihrer falschen Zähne, war nur dazu da, sie zu betäuben, und der komische Prator schien auf Deltas Seite zu sein. Das letzte was sie wahrnahm war, dass auch bei John schon vor einer Weile die lähmende, hoffentlich nicht tödliche Wirkung eingetreten war, während der Prator sich ihnen langsam näherte.

Sie wachte in einem kleinen, weiß gestrichenen Raum auf. Verwirrt rieb sie sich die Stirn, während die lähmende Wirkung des Betäubungsmittels allmählich nachließ. Was danach passierte, nahm sie dennoch kaum wahr. Schwindel stieg in ihr auf. Verschwommen vernahm sie, dass das Gift nur wenige Stunden lang gewirkt hat. Der Kampf um den Beta-Rang wurde verschoben. Sie waren in der Zentrale der Pratoren. ... Der Prator... Waren sie in Sicherheit oder hat er... Das Gift lähmte sie und bereits nach kurzer Zeit fiel sie erneut in einen tiefen, unruhigen Schlaf.

MelanieWhere stories live. Discover now