Ungebetene Gäste

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Meliorn war trotz der Diskussion die ganze Zeit auf ihre Umgebung fokussiert gewesen, und merkte es als Erster. Unmittelbar nach ihm bemerkte es auch seine Schwester, die sofort die plötzliche Anspannung ihres Bruders registriert hatte. Stumm bedeuteten sie den beiden anderen zu schweigen. Lena schien auch etwas zu bemerken. Nur John blieb wie immer ausdruckslos, es war nicht zu erkennen, ob oder wann, er etwas bemerkt hatte.

Die Zwillinge positionierten sich zu beiden Seiten der Tür. Lena blieb hinter ihrem Bruder. Zusammen mit den Zwillingen bildete sie eine Dreiecksformation, die ihren Bruder einschloss. Der schlich nun langsam und lautlos zur Tür. Binnen Sekunden hatten sie sich wieder in Wölfe verwandelt, hatten sie sich doch noch Sekunden vorher in menschlicher Gestalt unterhalten, alle mit Ausnahme von Meliorn.

Mit erhöhtem Geruchs- und Gehörsinn nahmen sie nun wahr, dass jemand vor ihrer Tür war, der drauf bedacht war, nicht aufzufallen. Es konnte keiner der Pratoren sein, denn die würden einfach hereinkommen, höchstens der Höflichkeit wegen anklopfen, und ganz bestimmt nicht versuchen, sie auszuspionieren. Auch konnte es keiner ihrer Unterworfenen sein, schließlich waren diese immer noch im entsprechenden Saal im anderen Gebäudes eingeschlossen. Die Besiegten und deren unterworfene Werwölfe hatten die Arena schon verlassen, und würden auch ohne Hilfe nicht wieder hinein kommen. Es musste also einer ihrer Gegner sein, vermutlich um ihre Strategie auszuspionieren oder um einen Überraschungsangriff vorzubereiten.

Die Anführerin konnte es nicht sein, Melanie hätte sie sofort identifiziert, zumal ihr Geruch, mit dem ihrer männlichen Teamkollegen nicht zu verwechseln wäre. Auch konnte es nicht jener sein, der John besiegt hatte, denn er war auch beim ersten Kampf der erste gewesen, der, den Meliorn gewittert hatte, er hätte ihn sofort identifiziert, noch bevor die anderen ihn bemerkt hätten. Auch seinen eigenen Gegner hätte er schneller erkannt. Folglich musste es jener sein, den John besiegt hatte. Sie bezweifelten, dass er sich allein hinein trauen würde, also sollte er sie wahrscheinlich wirklich nur ausspionieren.

Lena und John zogen sich zurück, und taten, als würden sie über ihren Kampfplan diskutieren, um dem Spion nicht zu verraten, dass sie von seiner Anwesenheit wussten, sofern sie sich nicht schon zu auffällig verhalten haben. Die Zwillinge blieben wo sie waren. Damit ihr Bruder weiterhin ihre Umgebung bewachen konnte, konzentrierte sich Melanie nun ausschließlich auf den Spion. Er schien auf etwas Bestimmtes zu warten, als würde es ihm nicht nur um Informationen gehen.

Allerdings hatte Melanie kein so gutes Gespür wie ihr Bruder dafür. Aus den Augenwinkeln bemerkte sie, wie ihr Bruder sich erneut anspannte, ein Zeichen für weitere Angreifer. Melanie weitete ihre Konzentration auf die Umgebung aus, und bemerkte nach einer Weile einen weiteren Werwolf. Ihr Bruder bemerkte ihn recht früh, doch als sie ihn bemerkte, fiel Melanie auf, dass auch er sich äußerst vorsichtig bewegte, als würde er auf keinen Fall nie Pratoren oder die Vier auf sich aufmerksam machen wollen. Scheinbar war es Meliorns Gegner gewesen, deswegen war er ihm sofort aufgefallen. Lena und John diskutierten nun im Hintergrund heftiger, schließlich sollte nicht auffallen, dass nur die zwei irgendwas erzählten, um die Zwillinge zu decken, eher sollte es so wirken, als würden sie als Geschwister miteinander streiten und die Zwillinge sich in ihren Streit nicht einmischen.

Melanie wandte sich zu Lena um. Diese verstand Melanies Blick und verständigte ihren Bruder, ohne ihre Diskussion mit ihm zu unterbrechen. Diesmal reagierte John nicht. Sie nahmen ihre Positionen ein, sprechen leise über belanglose Sachen, gaben sich jedoch keine Mühe, zu verbergen, dass sie sich der Anwesenheit ihrer Gegner bewusst waren. Sie hätten jetzt gut Coen oder Vincent als Rückendeckung gebrauchen können.

Sie waren sich inzwischen sicher, dass bald auch der dritte kommen würde, und sie dann in ihr Zimmer stürmen wollten, um sie überraschend auszuschalten, oder aber noch auf ihre Anführerin warten. Indem sie sich um die Tür postierten, wollten sie ihnen zuvorkommen. Sie waren vorbereitet, wohingegen die Gegner keinen Hinterhalt erwarteten, zumindest hofften sie das.

Delta schwieg, die anderen wagten nicht ihre Anführerin unaufgefordert anzusprechen und somit zu stören. Planungen waren nicht nötig. Sie würden sich an ihren Gegner anpassen, wie eine Flüssigkeit an Gefäß. Nur dass sie kein harmloses Wasser, sondern ätzende Säure war, die das Gefäß vernichten würde.

Nach einiger Zeit entschied sich Delta, ihren Angriff zu starten. Sie rollte vorsichtig die vergifteten Gebisse aus dem Stofftuch, und verteilte sie.

Der erste ihrer Jungs sollte ihre Gegner aushorchen, ohne etwas zu unternehmen. Dazu eignete sich ihr schwächstes Mitglied Deltas Meinung nach am besten, da die Gegner sine Witterung nicht so schnell erkennen könnten, zudem war er ein Meister der Spionage.

Ihr Bruder und ihr Cousin gingen nah ihm los. Ihr Bruder ging direkt zu dem anderen, während ihr Cousin zunächst sicherstellte, dass keine Pratoren in der Nähe waren; die ihnen in die Quere kommen konnten.

Schließlich sollten sie versuchen ihre Gegner davon abzuhalten, gegen sie kämpfen zu können, indem sie das Gift nutzten. Sollte dies nicht gelingen, so hätten sie immerhin ihre Kampftechnik ausspioniert, und somit einen Vorteil. Wichtig war, dass die Pratoren nichts mitbekamen, also mussten sie schnell und möglichst geräuschlos handeln. Delta hoffte, dass sie klug genug waren, zu erkennen, ob ihre Gegner sie erwarteten. Zur Not konnte sie immer noch sagen, dass sie nichts davon wusste. Ihr Auftraggeber hatte ihr versichert, dass nichts passieren könnte, zumal sie selbst durch jahrelanges Training gegen geringe Mengen des Giftes immun waren.

Wenn die anderen hinter ihrem Rücken etwas planten, was sollte sie dann machen? Schließlich konnten sie sich frei bewegen innerhalb der Arena, sie durften sogar ihre unterworfenen Werwölfe besuchen, jedoch weder das feindliche Team treffe, noch deren Gefolge, wie Delta es nannte.

Sie konnte sich darauf verlassen, dass ihre Mitstreiter dicht hielten. Sie hatten viel zu viel Angst vor ihr, um sie zu verraten. Sie waren nicht im selben Rudel wie sie, deshalb konnte sie sich rächen, ohne bei Melanies Vater in Ungnade zu fallen. Und wenn sie zu den Pratoren gehen würden, würden diese sie höchstens verbannen, wodurch sie in Bezug auf Kämpfe gegen andere Rudel noch freier wäre. Ihr Auftraggeber hatte ihr zugesichert, sie aufzunehmen, sollte so etwas passieren. Unter seinem Schutz könnte sie Jagd auf jeden beliebigen Werwolf machen. Sie wird dann von keinem mehr zurückgehalten, auch wenn Gefahr bestünde, dass sich mehrere Gegner auf sie stürzen. Sie hatte keine Angst.

Inzwischen waren alle Angreifer versammelt. Entgegen Deltas Erwartungen achteten sie nicht darauf, ob sie vielleicht entdeckt waren, sondern stürmten den Raum. Drinnen wurden sie lautstark empfangen. Dadurch, dass ihre Gegner vorbereitet gewesen waren, verursachte der Angriff viel Lärm, so dass die Angreifer sich schmachvoll zurückziehen mussten, um nicht den Pratoren in die Arme zu laufen, die inzwischen sicher schon auf dem Weg hierher waren. Die Mission war gescheitert, ohne dass sie auch nur eine Chance gehabt hätten, sie durchzuführen. Delta schäumte vor Wut. Nicht nur, dass ihre Jungs offenbar unfähig waren, zu erkennen, ob ein Gegner sie schon bemerkt hatte ihren Angriff bereits erwartete, nein zudem hätten sie mit ihrer Lautstärke den ganzen Wald aufschrecken können. Niemand von der Arena konnte diesen Lärm überhört haben, einschließlich der vierzig Werwölfe beider Teams, die nicht in ihrer Nähe waren.


MelanieWhere stories live. Discover now