Let's go

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Tegan

Ich war die ganze Nacht über wach gewesen und hatte nur ein wenig gedöst, wobei ich immer wieder ein Auge auf Haven warf. Sie drehte sich häufig um, was mich beinah wahnsinnig machte. Aus irgendeinem Grund, schien sie keine wirkliche Ruhe zu finden. Es wäre mir egal gewesen, wenn mich ihr ständiges umher werfen nicht so auf die Nerven gegangen wäre. Ein Mal schnauzte ich sie an, sie solle endlich still liegen, was sie nur mit einem tiefen Knurren quittierte.

Gegen sechs Uhr in der Früh, fiel sie doch noch in den Schlaf, was mich wunderte, aber schließlich konnte ich nicht wissen, was für einen weiblichen Vampir als normal galt. Männliche schliefen jedenfalls nicht. Kurz darauf erhob ich mich vom Fußende der Matratze, in dem Glauben, dass sie endlich etwas Ruhegeben würde und ging zu dem Tisch, auf dem die Waffen und ihre Tasche lagen.

Als ich sie geschnappt hatte, war ich nicht dazu gekommen, ihre Sachen zu durchsuchen. Das holte ich da nach. Ich griff mir ihre Tasche und kippte den Inhalt auf dem Tisch aus. Abgesehen von den Blutkonserven, war auf den ersten Blick nichts Ungewöhnliches zu finden. Ein Portemonnaie, Schlüssel, ein kleiner Kulturbeutel und ein paar Klamotten zum wechseln. In einer der Seitentaschen, fand ich dann doch etwas: mehrere Wurfmesser und -sterne, einen Dolch und eine Smith&Wesson mit drei Magazinen, ein paar Kugeln waren aus Silber, doch die Meisten waren UV-Geschosse. Kein Wunder, wenn man bedachte, wie begehrt sie in der Welt der Vampire war. Bei den Werwölfen war sie wohl auch bekannt, aber soweit ich wusste, interessierten sich die Wölfe nicht für sie. Jedenfalls nicht genug, um die Vampiren darauf aufmerksam zu machen.

Ich nahm den Dolch in die Hand und drehte ihn im schwachen Licht ein paar Mal hin und her. Der Griff war ein kunstvolles Werk aus Holz, Metall und einem Opal. Als ich genauer hinsah, erkannte ich ein Muster von ihrem Nacken. Vielleicht die Identität ihres ehemaligen Gefährten. Die Klinge, welche nur aus blankem Metall bestand, war scheinbar aus Titan. Verständlich. Sie war allergisch auf Silber und Titan war hart genug, um selbst eine Wirbelsäule zu durchtrennen. Ihre Allergie gegen Silber, machte mich noch immer stutzig. Normalerweise reagierten nur Werwölfe auf Silber. Ich schnaubte. Normalerweise waren Frauen auch keine Vampire.

Ich sah kurz zu ihr rüber. Wenn sie schlief, lag ein sehr entspannter Zug auf ihrem Gesicht. Mich wunderte, dass sie so alt war. 1500 Jahre und mehr waren eine lange Zeit, um auf der Flucht zu sein. Überhaupt solange zu leben. Ich war etwas über 900 Jahre alt und bereits hin und wieder meiner Existenz überdrüssig. Ich konnte mir nicht vorstellen, wie man noch weiter 600 Jahre leben sollte. Ich hatte es nicht vor. Die Unsterblichkeit war verlockend und brachte seine Vorzüge mit sich, aber irgendwann sollte und musste, alles ein Ende haben. Das war mir schon klar gewesen, als mir klar wurde was ich war.

Während ich weiter über mein nahendes Ende nachdachte, warf ich erneut einen Blick in Havens Richtung. Diese drehte sich von einer Seite auf die Andere. Schon wieder! Anscheinend träumte sie. Und das nicht sehr ruhig. Interessiert ging ich ein paar Schritte auf sie zu, das Messer hielt ich noch in der Hand. Ich überlegte kurz, dann setzte ich eine meiner Fähigkeiten ein. Haven hatte sogar im Schlaf, beeindruckende Schutzmechanismen. Es war nicht leicht, aber schließlich gelang es mir in ihren Traum einzudringen.

Es dauerte eine Weile, ehe ich etwas erkennen und zuordnen konnte. Doch dann klärte sich das Bild: Der Traum spielte sich ungefähr im 16. Jahrhundert ab. Haven rannte durch einen dichten Wald. Direkt hinter ihr lief ein Rudel Werwölfe und mindestens genauso viele Vampire. Sie jagten sie. Gemeinsam. Ein höchst absonderliches Bild. Solange ich mich zurück Erinnern konnte, waren die Werwölfe und Vampire verfeindet. Nicht einmal Haven gab ihnen einen Anlass zusammen zuarbeiten. Jedenfalls dachte ich das.

Haven rannte um ihr Leben. Ich fühlte ihre Angst und ihr schmerzendes Herz. War sie verletzt? Sie war total gehetzt und obwohl sie ein Vampir war, vollkommen außer Atem. Sie stürzte ein paar Mal, stand jedoch sofort wieder auf und lief weiter. Sie trug die einfache Tracht einer Hofdame, verhedderte sich jedoch immer wieder im Saum des Gewandes. Plötzlich, als sie gerade durch eine alte Ruine hechtete, packte sie jemand, nein etwas, zog sie hinter eine Wand und drückte sie auf den Boden. Erst dachte ich es sei ein Werwolf, aber dann stellte ich fest, dass er für einen simplen Werwolf zu groß war. Ich könnte spüren, dass Haven erschrak. Trotzdem setzte sie keine ihrer Fähigkeiten ein. Der große, schneeweiße Wolf hielt sie mit seinen Pranken auf den Waldboden gedrückt. Er senkte den Kopf und fletschte die Zähne. Ein leises Knurren erklang tief aus seinem Hals. Dann hörte ich, wie in Havens Kopf eine Stimme erklang: 

I want your deathWhere stories live. Discover now